(Am 25. April 1843 von 4 1/4 – 6 1/4 Uhr abends.)
[1.99.1] Wir befinden uns schon auf der Höhe des Gebirges, das wir ehedem in großer Ferne vor uns leuchtend erblickten. So seht denn vorwärts dieses unbeschreiblich schöne Land, welches, von diesem Gebirge aus etwas niederer gelegen, wie in einer endlosen Ausdehnung in der größten Pracht und wunderbaren Mannigfaltigkeit zu erschauen ist. Herrliche breite Täler mit abwechselnden Hügelreihen durchkreuzen sich nach allen Richtungen, und die schönsten Bäche durchfurchen die Täler. Diese Bäche haben ein Wasser wie ein durchsichtiges, reinstes Gold. Und dieses Wasser bewegt sich in wohlgeordneter Lebhaftigkeit gegenseitig und bildet, da ein Bach in den anderen strömt, einen kleinen, wie ihr seht allzeit runden See, welcher von seiner kleinen wogenden Oberfläche das allerherrlichste Strahlenspiel entwickelt. Und seht an dem Ufer solch eines Sees die allerherrlichsten Paläste mit rötlich blanksten Dächern, welche Dächer nicht die Bestimmung haben, vor Regen zu schützen, sondern nur zufolge ihrer Durchsichtigkeit das Licht in den verschiedenartigsten Färbungen strömen zu lassen.
[1.99.2] Dann betrachtet das Gebäude eines solchen Palastes selbst, welche allerwunderbarste, erhaben schönste Architektur ein jegliches sonderlich schmückt, und wie aus den vielen Fenstern und zwar aus jeglichem besonders eine andere Lichtfarbe strömt. Dann seht um diese allerherrlichsten Paläste die wunderbar schönen Gartenanlagen, darin niedliche Bäumchen mit den herrlichsten Früchten in den schönsten Reihen zu erschauen sind. Dann wieder leuchtende Blumen von nie geahnter Pracht. Dazwischen allerlei herrlichste Gartensalons, welche zum Teil aussehen als wie kleine hängende Gärten, zum Teil wie Türme mit den herrlichsten Kuppeln, zum Teil wie Tempel mit allerlei strahlenden Säulen und bald gerundeten, bald in Pyramiden zugespitzten Dächern sich auszeichnend. Und seht ferner noch die herrlichen Gartenumfassungen, welche aus den schönsten Arkaden und Laubgängen bestehen und durch und durch und über und über belustwandelt werden können.
[1.99.3] Ferner betrachtet noch die allerniedlichsten Seefahrzeuge, und wie in denselben mehrere selige Geister dieser Gegend auf der Oberfläche des herrlichen Gewässers herumschaukeln und von einem Ufer zum anderen hin schiffen. Behorcht aber auch die herrlichen Gesänge, welche schon von ferneher an unsere Ohren dringen. Und seht, allenthalben steht auf den Hügeln wie eine Kirche mit einem sehr hohen Turm versehen, da ein jeder solcher Turm ein Inhaber von dem herrlichsten Glockengeläute ist. So könnt ihr auch soeben euch davon überzeugen, wie solche Glocken tönen, indem gerade Behufs unserer Erscheinung mit allen Glocken geläutet wird.
[1.99.4] Diese Glocken tönen nicht wie irdische Glocken, sondern ihr Getön gleicht dem sanften Getöne eurer sogenannten Windleier, nur ist dieses Getön ums Unaussprechliche reiner und hallt bei all seiner sonstigen Zartheit dennoch über weite Fernen hin, und ihr könnt die tiefsten Töne in reinsten harmonischen Verhältnissen zu den höheren wie umgekehrt gar wohl bemessen.
[1.99.5] Nun aber seht auf den geraden Weg vor uns hin, welcher freilich wohl nicht aussieht wie eine Landstraße auf eurer Erde, sondern vielmehr wie ein mehrere Klafter breites, allerherrlichstes, mit Gold und glatten Edelsteinen durchwirktes Samtband, zu beiden Seiten besetzt mit Bäumen, die stets voll der duftigsten Blüten und zugleich auch allerwohlschmeckendsten reifen Früchte sind. Auf diesem Weg also werdet ihr erschauen, wie eine Prozession, freilich ohne Fahne und Kruzifix, aber dafür mit strahlenden Palmen in den Händen, sich uns entgegenzieht, und die weiblichen Wesen dazu noch mit Körbchen versehen, die mit allerlei himmlischen Früchten gefüllt sind, um die ankommenden Gäste sogleich allerliebevollst und allergastfreundlichst zu bewirten.
[1.99.6] Seht, die Prozession kommt uns stets näher und näher, und die weiblichen Geisterengel eilen mit ihren Körbchen nun voraus, um desto eher bei uns zu sein. Zwei sind schon hier. Betrachtet einmal die unendliche Zartheit und die allerwundersamst herrlichst schönste Form. Alles ist in einer leuchtenden lichtätherischen Rundung an ihnen zu erschauen. Aus ihren Angesichtern strahlt eine wahrhaftigste himmlisch seligst heitere Freundlichkeit. Und ihre überaus zarte Kleidung beurkundet den großen Unschuldszustand dieser Wesen. Aber seht, immer mehr und mehr kommen heran, und stets herrlicher und herrlicher beurkunden sich ihre Gestaltungen.
[1.99.7] Hört aber auch ihre himmlisch sanfte und allerwohlklingendste Sprache, und wie sie unsere Gesellschaft begrüßen, indem sie sagen: O kommt, kommt, ihr überherrlichen Freunde unseres allerheiligsten und liebevollsten Vaters, und erquickt euch an unseren Früchten, welche wir euch mit den liebepochendsten Herzen hierhergebracht haben. O wie glücklich sind wir, da uns wieder einmal das unendliche, allerseligste Glück zuteilgeworden ist, an eurer Spitze unseren über alles guten und liebevollsten Herrn, Gott und Vater zu erschauen.
[1.99.8] Nun seht aber auch auf unsere Gesellschaft, wie diese anfängt, überaus große Augen zu machen, und der Prior sich soeben zum Herrn wendet und spricht: O Herr, Du allgütiger, allbarmherzigster Schöpfer und Vater aller Wesen im Himmel und auf der Erde! Was ist denn das um Deines Willens willen?! Sind das auch Engelsgeister, die einmal auf der Erde gelebt haben, oder sind das die allerpursten Engel des allerhöchsten Himmels? Denn so etwas unendlich wunderbar herrlich Schönstes ist nie noch auch nur in meine inwendigste Ahnung gekommen. Ich war auf der Erde ein fester Zölibatärer; aber wenn mir in meinem allerhöchsten Zölibatseifer so etwas nur entfernt Annäherndes vorgekommen wäre, fürwahr, das hätte mich sogar in den schändlichsten Mohammedanismus hineinversetzen können. Herr und Vater! Hier heißt es im buchstäblichen Sinne: Stehe uns bei, sonst sind wir verloren, vorausgesetzt, dass man hier auch noch verloren werden kann.
[1.99.9] Der Herr spricht: Nun, mein lieber Freund und Bruder, haben wir einmal das rechte Plätzel gefunden? Wie Ich es merke, so scheinst du durchaus nicht abgeneigt zu sein, dir hier ein Wohnplätzchen samt einer lieben himmlischen Braut auszusuchen; denn vom Verlorensein ist hier wahrlich keine Rede mehr, und du und alle deine Brüder könnt hier in Meiner Gegenwart nach Belieben wählen. Wenn du demnach hier zufrieden bist, so kannst du dir hier sogleich eine himmlische Braut aussuchen und damit aber auch so ein Palästchen, und Ich werde dich und jeden segnen und werde dir wie jedem dazu noch sein himmlisches Amt kundgeben. Siehe, das ist in aller Kürze Mein Antrag; jedoch unter der Bedingung deiner freien Wahl.
[1.99.10] Der Prior wie seine Brüder sehen bald die Gegend, bald den Herrn, bald und beinahe am meisten die schönen himmlischen Bräute an. Und der Prior kann darum auch nicht sobald mit einer Antwort fertigwerden und bespricht sich also bei sich: Hier wäre freilich gut sein an der Seite so einer himmlischen Braut und in einem solchen allerherrlichsten Besitztum, wo einem dazu noch mehr als im buchstäblichen Sinne die gebratenen Vögel in den Mund fliegen! Fürwahr, himmlischer mir den Himmel vorzustellen wäre doch die allerreinste Unmöglichkeit, die sich ein unsterblicher Geist in alle Ewigkeit vorzustellen vermag. Fürwahr, und noch dreimal fürwahr, wenn hier ein eigentlich guter Rat nicht teuer wird, so wird er es in Ewigkeit nicht. Wenn ich mir so denke, wie es einem ginge, wenn man so eine himmlische Braut umarmen würde und sie unsterblich drückte an seine unsterbliche Brust, welche voll ist der himmlisch glühheißen Liebe, da wird’s mir ganz schwindlig und ich möchte überaus gern, ja ich möchte sogar unendlich gern vor dem Herrn mein kräftiges Ja aussprechen, vorausgesetzt, wenn es mit dieser unendlichen Herrlichkeit von allen Seiten her auch seinen entschieden festen Grund hat.
[1.99.11] Wenn aber diese ganze Geschichte etwa nur eine Prüfung wäre? Wenn man in diesen Apfel bisse gleich der Eva im Paradies und dem armen Adam hinzu, nach dem Biss aber sobald aus dieser Wundergegend sich vielleicht eine andere herausbildete, davor uns Gott in alle Ewigkeit bewahren möchte, – da käme einem doch so ein himmlischer Zauberbiss noch ums Bedeutende teurer zu stehen als der allerbeste Rat in der Geschichte! Ja, wenn ich so bestimmt erfahren könnte, dass es damit wirklich einen ewig bleibenden Bestand habe, da möchte ich, ich getraue es mir kaum zu denken, dennoch so ganz heimlich das Ja für diesen himmlischen Antrag von Seiten des allerheiligsten, liebevollsten Vaters aussprechen.
[1.99.12] Nun aber tritt der andere uns schon bekannte Mönch zum Prior hin und spricht: Aber höre, Bruder, wie lange wirst du den allerliebevollsten heiligen Vater auf eine Antwort warten lassen? Wenn es auf mich ankäme, zu antworten, so wäre ich mit mehreren anderen schon lange fertig damit. Ich sage dir: Nichts, als was mir mein innerstes Gefühl kundgibt, und dieses lautet also: O Herr und Vater in aller Deiner unendlichen Liebe und Erbarmung! Mit Dir und bei Dir ist überall, somit auch hier in dieser himmlischen Wunderherrlichkeit überaus wohl und gut zu sein. Bleibst Du hier, so werde ich mich hier allerseligst fühlen. Bleibst Du aber als die allerheiligste Urquelle aller dieser Herrlichkeiten nicht hier und ist da noch keine bleibende Wohnstätte für Dich, so will auch ich nicht hierbleiben, sondern, wenn es Dein heiliger Wille ist, mit Dir weiter dahin ziehen da Du sagen wirst: Hier bin Ich zu Hause! – Was meinst du, Bruder, wäre das nicht eine rechte Antwort?
[1.99.13] Der Prior spricht: Ja, Bruder, du hast mich aus einem Traum geweckt; du hast recht. Also klingt es auch in meinem Grunde, und also auch will ich reden vor dem Herrn; denn Er ist mehr denn alle diese himmlischen Herrlichkeiten!
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