(Am 2. Dezember 1842 von 4 – 6 3/4 Uhr abends.)
[1.9.1] Seht, da steht er schon und winkt euch von selbst gar freundlich, sich ihm zu nahen und in seine Sphäre zu treten. Also tretet nur wieder hin und habt wohl Acht auf das, was ihr in seiner Sphäre werdet zu sehen bekommen. Diesen Geist werdet ihr auch in seiner Sphäre sehen, und er wird euch in seiner Welt ein wenig herumführen. Und so denn, wie gesagt, habt auf alles Acht, was ihr da sehen werdet, denn solches wird schon von tüchtiger Bedeutung sein.
[1.9.2] Nun denn, ihr seid in seiner Sphäre und seid überaus fröhlichen Herzens, denn ihr seht den Geist, in dessen Sphäre ihr euch befindet, nur mit dem Unterschied, dass ihr denselben außerhalb der Sphäre nicht erkennen mochtet. In seiner Sphäre aber erkennt ihr ihn sogar, da er einst auf der Erde ein leiblicher Bruder zu euch war. Mein wortemsiger Anselm wird seinen Bruder Heinrich gar wohl erkennen, wenn er ihn erst wird sprechen hören. Ich will auch aus diesem Grund, dass er euch ein wenig herumführe und über so manches eigenmündigen Aufschluss gebe.
[1.9.3] Was seht ihr denn? Ihr könnt zwar solches aus lauter zu großer Überraschung eures Geistes nicht kundgeben; doch diesmal will nicht Ich den Dolmetsch machen, sondern euer Führer wird solches tun. Und also spricht er denn:
[1.9.4] [Heinrich:] Seht dahin, meine lieben Brüder, diesen großen erhabenen Tempel vor mir, seht, welche unbeschreiblich herrliche Säulenpracht ihn ziert. Siehst du, mein Bruder, eine Säule reicht ja so weit hinauf, dass es dir vor ihrer Höhe schwindelt; und siehe nur hin in der geraden Linie, wie nahe zahllos viele solche Säulen diesen herrlichen Tempel umfangen. Sieh, über den Säulen erhebt sich ein rundes, mehr wie tausend Sonnen stark leuchtendes Dach, und über dem Dach erhebt sich ein großes feuriges Kreuz, welches so rot strahlt wie die herrlichste Morgenröte! Wie gefällt dir dieser Tempel?
[1.9.5] Du sprichst: Mein Bruder! Seine großartige, unaussprechliche Pracht lässt mich zu keinem Wort kommen, um dir darüber meine Empfindung mitteilen zu können. Aber was gibt es denn in diesem Tempel? Lieber Bruder, kannst du uns da nicht hineinführen? – O ja, meine geliebten Brüder und Freunde; macht euch aber auf das Außerordentlichste gefasst, denn die innere Herrlichkeit, ja, ich will sagen Heiligkeit dieses Tempels ist so undenkbar erhaben, wunderbar groß, dass ihr dieselbe kaum ertragen werdet. Ihr wisst es ja, dass ich bei meinem Leibesleben ein überaus großer Freund des Wortes Gottes war. Und da der Apostel Paulus vorzugsweise der unsrige Apostel war, durch welchen das Heidentum bekehrt wurde, so war er mir nach dem Evangelisten Johannes gewisserart auch der liebste. Solches habt ihr ja zu öfteren Malen von mir vernommen; und dieser Tempel ist gegründet aus solcher meiner innersten Hochachtung des göttlichen Wortes.
[1.9.6] Bevor wir noch hineintreten wollen, will ich ihn euch ein wenig erläutern. Diese fast unzählig vielen hohen Säulen bezeichnen die einzelnen Schrifttexte des göttlichen Wortes und stellen das Alte Testament vor. Wenn ihr nun mit mir durch die Säulen tretet, so stellt sich euch ein überaus lichter Gang dar; den Gang innerhalb der Säulen aber beschließt eine rot leuchtende Wand. Wie ihr seht, so ist sie so hoch wie die Säulen und ist innerhalb mit strahlenden, festen Bögen mit der äußeren Säulenreihe zuoberst mächtig verbunden. Dieser überaus geräumige Gang zwischen den Säulen und der Wand ist der eigentliche Vorhof zum Tempel. Das Dach, das ihr so stark leuchtend über den Säulen und dem Tempel in gerundeter Form geschaut habt, bedeutet das Gnadenlicht aus der Höhe. Das Kreuz über dem Dach aber besagt den Grund solches Gnadenlichtes, welches da an und für sich ist das Allerheiligste, nämlich die Liebe des Vaters im Sohn!
[1.9.7] Da ihr nun, meine lieben Brüder und Freunde, solches wisst, so geht denn mit mir längs diesem Gang vorwärts bis dahin, da ihr ein großes Licht der Wand entströmen seht, welches so rötlich leuchtet wie das Rot einer allerherrlichsten Frühlingsrose; allda auch ist der Eingang in den Tempel. Wisst ihr auch, was dieses Licht bedeutet? Dieses Licht bedeutet und besagt die Liebe zu Christo; und es ist sonst nicht möglich, in diesen Tempel zu kommen denn allein durch die enge Pforte der Liebe zu Christo. Nun seht, meine lieben Brüder und Freunde, wir sind an Ort und Stelle. Seht, da ist die Tür. Ihr verwundert euch wohl, dass da in diesen übergroßen Tempel nur ein so schmales Pförtlein führt. Aber ihr wisst es ja auch, dass es da heißt: Wer nicht durch die schmale Pforte gehen wird, der wird nicht zum Vater kommen, somit auch nicht in das Reich Gottes und eben also nicht in das Engelreich der Himmel. Bückt euch daher nur, so gut und so viel ihr könnt, und folgt mir nach. Sogleich werden wir das Innere dieses Tempels zu Gesicht bekommen.
[1.9.8] Nun, liebe Brüder und Freunde, sind wir in dem großen Heiligtum! Was sagt ihr zu dieser Herrlichkeit? Wie ich sehe, meine lieben Brüder und Freunde, so seid ihr ja völlig ohnmächtig und sprachlos. Ich habe euch darum auch schon zuvor gesagt: Macht euch auf das Außerordentlichste gefasst. Wie ihr nun selbst mit den erstauntesten Blicken seht, so ist das Innere dieses Tempels zu endlos groß wundervoll herrlich erhaben, um euch davon nur eine matte Skizze mitteilen zu können. Das Wunderbarste ist einmal schon fürs Erste die ungeahnte endlose Größe des Inwendigen.
[1.9.9] Ihr habt geglaubt, wenn ihr in den Tempel gelangen werdet, so werdet ihr da etwa so wie auf der Erde eine inwendige Zierratenherrlichkeit schauen. Aber ihr schaut hier im buchstäblichen Sinn der Wahrheit getreu eine endlose Geisterweltenfülle; und diese Welten, die da nahe keinen Anfang und kein Ende haben, sind zu einem Reich vereint. Ihr blickt mit erstauntem Auge über die endlosen Fernen hin, welche da übersät sind mit zahllosen ungeahnten Herrlichkeiten. Ihr seht himmelanragende Bäume, und auf den Bäumen hängen reichliche Früchte voll des herrlichsten Saftes und voll strahlenden Lichtes. Ihr schaut die zahllos vielen überherrlichen Tempelgebäude und seht sie bewohnt von großen Scharen seliger Geister.
[1.9.10] Solches alles wundert euch überhoch. Aber seht, meine lieben Freunde und Brüder, dort auf einem sanfthohen Berg schnurgerade gegen Morgen hin steht ein ganz einfacher, schlichter Tempel, aber desto außerordentlicher ist sein Glanz. Dorthin folgt mir, und ihr sollt alldort etwas zu sehen bekommen, das euch über alles dieses Geschaute entzücken soll! Und so gehen wir. Ihr seht wohl, wie fern dieser Tempel ist; nach irdischem Maßstab dürftet ihr wohl eher euren Mond erreichen als diesen Tempel. Aber wir Geistmenschen haben es in dieser Hinsicht viel bequemer, denn wir dürfen es nur wollen, und wir sind schon dort, wo wir sein wollen. So wollt denn nun auch mit mir dort sein; und seht, wir sind auch schon an Ort und Stelle.
[1.9.11] Ihr schlagt die Hände über eurem Kopf zusammen über die furchtbare Größe dieses Tempels und getraut euch kaum, sich ihm mehr und mehr zu nahen. Geht aber nur mutig mit mir auch in diesen Tempel, und ihr werdet vom gar überaus freundlichen Bewohner desselben sicher überaus gut aufgenommen sein. Also folgt mir nur! Dieser Tempel wird auch innerlich als solcher zu beschauen sein, und ihr werdet in denselben einkehren wie in ein überaus gastfreundliches Haus. Also sind wir in den Vorhof schon eingetreten und so gehen wir denn durch diese leuchtende Pforte auch in das vollkommen Innere dieses Tempels. So, so, meine lieben Brüder und Freunde; wir sind an Ort und Stelle.
[1.9.12] Kennt ihr dort in ziemlich weitem Vordergrund den freundlichen Mann, umgeben von einer Menge großer und kleiner Menschengeister? Seht, wie er sie allerfreundlichst und liebreichst lehrt das große Geheimnis des Menschensohnes und wie ein jegliches Wort aus seinem Mund gleich einem hellsten Stern hervorgeht! Aber seht, unser guter Gastfreund hat uns schon bemerkt. Er hebt sich von seinem strahlenden Sitz und eilt uns mit offenen Armen entgegen. Kennt ihr ihn noch nicht? Seht, er ist schon ganz in unserer Nähe. Betrachtet ihn nur recht genau, ihr müsst ihn erkennen. Wenn ihr ihn aber schon nicht erkennen mögt aus seiner sprechenden Gestalt, so werdet ihr ihn doch sicher erkennen aus seinem alten, allzeit gleichen und getreuen Gruß!
[1.9.13] So hört, er spricht: O liebe Brüder! Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch und die Liebe des Vaters im Sohn und in der Gemeinschaft des heiligen Geistes! Was hat euch bewogen, hierherzukommen? Wer war euer Führer? Ihr getraut euch mit der Stimme nicht heraus; aber ich ahne es wohl in mir, Wessen Liebe so groß ist, dass sie Dessen Erlöste zu der heiligen Quelle des ewigen Lebens leitet! O liebe Brüder! Ich sage euch im Namen meines über alles geliebten Herrn Jesus Christus, haltet euch an Ihn, haltet an Seine Liebe, und ihr werdet nicht, ja ewig nicht zugrunde gehen. Denn selig sind zwar diejenigen, die da glauben, dass Er ist Christus als der wahrhaftige ewige Sohn des lebendigen Gottes. Aber diejenigen nur, die Ihn lieben über alles, werden in Ihm den heiligen Vater schauen; denn durch die Liebe erst werden wir zu wahrhaftigen Kindern Gottes! Und so denn sage ich, der alte Paulus, zu euch: Haltet euch an die Liebe, und ihr habt das ewige Leben in euch! Meinen Gruß; und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi im Vater und im Geiste sei mit euch!
[1.9.14] Nun, meine lieben Freunde und Brüder, habt ihr gesehen, wie gastlich und wie liebfreundlich uns der alte Freund und Apostel des Herrn aufgenommen hat? Seht, wie er sich schon wieder in der Mitte seiner Schüler befindet und sie in der Liebe zum Herrn unterrichtet. Ihr möchtet wohl wissen, was das für Kinder und Geistermenschen sind? Seht, das sind lauter Heiden und heidnische Kinder. Aber das sind ja bei weitem nicht alle, die ihr seht, sondern geht nur mit mir heraus wieder ins Freie des großen Tempels, und seht, da wir uns schon wieder allhier im Freien befinden, die nahe zahllose Menge der Tempel allenthalben in den weiten Gebieten hervorglänzend. Sie sind lauter Lehranstalten für allerlei Heiden, und gar viele Apostel und Jünger dieses Apostels Paulus sind ihre Lehrer.
[1.9.15] Es gäbe wohl noch unendlich vieles euch zu zeigen in diesem großen Tempel, in dem wir uns befinden; allein da ihr noch mit dem Irdischen in Verbindung steht, so würden dazu wohl Millionen und Millionen Jahre erforderlich sein, um mit euch nur den kleinsten Teil oberflächlich durchzugehen. Einst im Geiste aber werdet ihr solches gleich mir durch die endlose Gnade des Herrn in aller Fülle der Klarheit erschauen. Und so denn bewegen wir uns wieder aus dem Tempel. Seht, wir sind schon am Pförtlein nun im Vorhof. Und seht, die große Säulenreihe und das leuchtende Dach mit dem großen Kreuz steht wieder frei vor unseren Blicken.
[1.9.16] Nun aber noch eines. Solches könnt ihr mir wohl sagen, denn seht, es gibt auch hier so manches, was wir Geister entweder nur schwer und manchmal wohl gar nicht begreifen. Eure Besuchsweise, oder für euch deutlicher zu sprechen, dass ich euch nun sehe und mit euch sprechen kann, ist mir wohl begreiflich; denn ihr wart schon öfter bei mir in eurem Geiste und habt mit mir gesprochen wie jetzt, nur durfte euch keine Erinnerung an solch eine Zusammenkunft bleiben. Also ist mir demnach auch euer gegenwärtiger Besuch gar wohl begreiflich. Unbegreiflich aber ist mir, und ich kann es mir nicht erhellen, warum ich diesmal ein so namenloses Wonnegefühl in eurer Nähe empfinde. Denn ihr könnt es mir glauben als eurem nun sicher alleraufrichtigsten Bruder, dass ich eine solche Wonne noch nie empfunden habe, solange ich dieses sicher überseligen Ortes seliger Bewohner bin! Sagt es mir doch, sagt es, wenn euch überhaupt solches zu sagen möglich ist!
[1.9.17] Nun aber sage wieder Ich euch: Solches müsst ihr ihm nicht künden, denn er muss auf einen Blick, indem er Mich erschauen wird, vorbereitet werden, sonst würde er solche Seligkeit nicht ertragen. Denn es gibt hier Geister, die Mich so mächtig stark lieben, dass Ich Mich ihrer Liebe zufolge nur nach und nach erschaulich nähern kann. Und so denn sagt ihm, er soll nur noch ein wenig verharren in seinem Wunsch, und nach einer kurzen Zeit wird ihm der Grund seiner Wonne schon enthüllt werden. Also sagt ihm solches in eurem Geiste! Seht, er hat es schon vernommen aus euch und ist damit hochbegierlich zufrieden. Solcher Zustand heißt die Geduld der Liebe!
[1.9.18] Wir sind auch schon wieder auf unserem Gesellschaftsplätzchen; und daher tretet wieder aus der Sphäre eures Brudergeistes und seht ein wenig zu, Ich will Mich ihm auf einen Augenblick nur zeigen! Seht, jetzt erblickt er Mich! Er fällt nieder auf sein Angesicht und liebt, betet und weint, und es ist gut! Ein Augenblick nur für diese Zeit! Wir aber wollen uns für ein nächstes Mal wieder der Sphäre eines fünften Geistes bedienen. Auch dieser euer Brudergeist soll euch führen wie der hier noch weinende und betende, welcher aber auch in unserer Gesellschaft verbleiben soll. Und so lassen wir es für heute wieder gut sein.
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