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84. Erläuterung der sündenvergebenden Texte der Bibel. Von der Sünde wider den heiligen Geist

(Am 29. März 1843 von 5 1/4 – 7 Uhr abends.)

[1.84.1] Seht, unser Prior hat seine Erforschung schon gemacht und beginnt soeben, sich darüber vor uns zu entäußern. Also hört denn, er spricht: Lieber Freund, ich habe deine Beispiele und deine Frage in aller meiner Tiefe wohl erwogen und kann dir darüber nichts anderes sagen, als dass du vollkommen recht hast. Denn ich sehe jetzt zum ersten Mal in meinem zweifachen Leben, dass die Beichte ein allergrößter Missgriff sowohl in die göttlichen als wie in die gegenseitig brüderlichen Rechte ist.

[1.84.2] Denn man kann sich im Ernst nichts Tolleres denken, als wie ich es jetzt einsehe, als dass sich zwei gegenseitige Schuldner dadurch zufriedenstellen müssen und ein jeder gegenseitig schuldlos wird, so ein dritter, den weder des einen noch des anderen Schuld im Geringsten angeht, einem oder dem anderen die Schuld nachlässt; oder wenn gar ein dritter zufolge der Annahme eines geringen Betrages, natürlich auf die ungerechteste Weise von der Welt, einen Schuldner dahin überzeugend bestimmen will, dass er dadurch dem Gläubiger die bedeutend größere Schuld vollkommen abgetragen hat. O Freund, das ist mir nun so klar wie diese überaus durchsichtige Luft hier. Aber nun kommt eine andere Frage:

[1.84.3] Wenn es überzeugend und ungezweifelt also ist, welches Los erwartet da am Ende alle die törichten Beichtväter und welches die Beichtkinder? Wenn ich bedenke, dass das in meiner Kirche gerade die allerhauptsächlichste „Conditio sine qua non“ [notwendige Bedingung] ist, da fährt’s mir nun eiskalt und wieder höllisch heiß durch mein ganzes Wesen.

[1.84.4] Wie aber war es denn um Gottes, unseres Herrn, willen möglich, dass dieser allerentsetzlichste Unsinn so tiefe und unausrottbare Wurzeln hat schlagen können? O Freund, ich will ja für meine Torheit gerne in der Hölle büßen, aber lass mich zuvor nur auf drei Jahre lang mit einem unsterblichen Leib zur Erde gelangen. Ich will da der Kirche ein Licht anzünden, das für ihren Unsinn bei weitem gefährlicher werden sollte als ein weißglühendes Stück Eisen einem Wassertropfen. Denn ich weiß nur zu gut, mit welcher entsetzlichen Hartnäckigkeit die Hohepriesterschaft dieser Kirche auf diesem allerunsinnigsten Betrug reitet und sehe es auch ein, wie gar nie sie auf dem gewöhnlichen, natürlichen Weg diesen Unsinn wird fahren lassen. Daher möchte ich, wie gesagt, mit einem unsterblichen und unzerstörbaren Leib hinab, um diesem und noch so manchem anderen nicht minder zu beachtenden Unsinn dieser Kirche ein Ende zu machen.

[1.84.5] Nun spreche ich: Lieber Freund und Bruder, dessen hat der Herr nicht vonnöten. Erfasse aber die Sündenvergebung hier aus dem wahren Gesichtspunkt, und es werden sich dir millionenfache Gelegenheiten darbieten, dieselbe hier ums Unaussprechliche besser und dienlicher in eine ersprießliche Anwendung zu bringen, als wenn es dir gestattet wäre, tausend Jahre auf der Erde mit aller Wundertätigkeit dagegen zu wirken.

[1.84.6] Denn die Erde ist nicht ein Ort der Reinigung, sondern nur ein Ort der Prüfung des freien Willens, und da ist denn auch alles frei. Guter Sinn und Unsinn, Satan und Engel können nebeneinander einhergehen.

[1.84.7] Damit aber der Wille des Geistes sich in seiner Freiheit üben kann, so müssen auf einem Weltkörper auch allerlei Reizungen vorhanden sein, welche unablässig dahin wirken, den Menschen von der Wahrheit abzuziehen und ihn ins Falsche zu leiten, wodurch dann ein jeder Mensch, wie ganze Gesellschaften, einen beständigen Kampf zu bestehen haben, durch welchen die Lebenskraft geübt und die Freiheit des Willens irgendeine bestimmte Richtung annehmen muss.

[1.84.8] Wolltest du demnach deine Absicht auf einem Weltkörper, wie in einer kirchlichen Gesellschaft, in eine hellleuchtend wirkende Werktätigkeit bringen, so müsstest du fürs Erste alle Reizungen des Fleisches aufheben, und zwar den Geschlechtsreiz, dann das lebendige Gefühl und dann daneben auch alle Bedürfnisse des leiblichen Menschen rein vernichten. Wenn du aber solches tätest oder tun könntest, was wird dann wohl der Mensch auf einem Weltkörper sein?

[1.84.9] Siehe, aus diesen lebendigen Reizungen aber geht ja fürs Erste das menschliche Geschlecht selbst hervor und sonach auch aller Tätigkeitstrieb des hervorgegangenen Menschengeschlechts. Wenn es dir nun sicher klar sein wird, dass die Ausrottung des Falschen und damit verbundenen Argen bei den Menschen auf den Weltkörpern, im Vollmaß genommen, auf keine andere Weise denkbar möglich ist, als durch die Ausrottung des menschlichen Geschlechts selbst, so wirst du doch auch einsehen, dass dein vermeintliches dreijähriges wundertätiges Sein auf einem Weltkörper noch bei weitem weniger fruchten wird für die Gegenwart sowohl wie noch viel weniger für die Zukunft, als da gefruchtet hat zur völligen Neuerung all des Falschen und Argen notabene fürs Erste das allerwundervollste Dasein des Herrn Selbst, und nach Ihm noch so vieler mit Seinem Geiste erfüllter Apostel und Jünger.

[1.84.10] Ich will dir aber sagen, warum du eigentlich auf die Erde möchtest. Siehe, es sind zwei Gründe; der Hauptgrund heißt Rache und der andere Grund, um dadurch ganz irriger Weise und durch ein falsches und schlechtes Mittel dem Herrn für deine eigene Torheit eine noch bei weitem törichtere Genugtuung zu leisten. Daher stehe du von deinem Vorhaben nur ganz lebendig ab und lass statt der Rache in deinem Herzen die wahre Nächsten- und Bruderliebe aufkeimen, und du wirst dann bald in dir klärlichst erschauen, auf welch eine viel zweckmäßigere Weise man hier im Ort der eigentlichsten Reinigung nach dem allerhöchst weisen Liebeplan des Herrn den Torheiten der Welt begegnen kann.

[1.84.11] Da du, wie ich es ersehe, solches auch samt deiner ganzen Gesellschaft begreifst und einsiehst, so muss ich dich nun darauf aufmerksam machen, dass du mir die eigentliche Antwort über die sündenvergebenden Texte in der Schrift noch schuldig bist. Und wir können eher keinen weiteren Schritt vorwärts tun, als bis diese Sache nicht völlig lebendig erörtert wird. Und so denn mache dich nur an die Beantwortung, und zwar zuerst an die in der Schrift vorkommende Lösungs- und Bindungsstelle im 18. Vers des 18. Kapitels Matthäus wie gleichlautend auch im 23. Vers des 20. Kapitels Johannis. Wirst du solches beantwortet haben, dann erst gehen wir auf Jakobum über. Und so denn rede!

[1.84.12] Der Prior spricht: O lieber, erhabener Freund! In diesem Punkt wird es mir allerunaussprechlichst schwer gehen, und du wirst es mir nicht verargen, so ich dich darum allerdemütigst bitte, denn von mir wirst du in dieser Hinsicht wohl schwerlich je eine genügende Antwort bekommen können, indem ja selbst der Tod nichts nehmen kann, wo nichts ist.

[1.84.13] Nun spreche ich: Siehe, ich habe es ja gewusst, dass es auf das hinausgehen wird. Du wolltest auf die Erde deine Kirche bessern gehen; sage mir, auf welche Art du das wohl angestellt hättest, so dir zu einer solchen Unternehmung das Allernötigste und Allerwesentlichste mangelt?

[1.84.14] Der Prior spricht: O erhabener Freund, wahrlich, meine Torheit wächst wie ein wucherndes Unkraut auf einem gedüngten Boden. Ich sehe jetzt, auf diese deine Frage und Erörterung, dass ich nicht einmal für einen Sauhalter tauge, geschweige erst zu einem wundertätigen Kirchenverbesserer. O sage mir doch, wie viel des allerbesten Unsinns steckt noch in mir?

[1.84.15] Ich spreche: Ich sage dir, es ist noch eine tüchtige Portion, aber die Beantwortung meiner Frage wird in dir Wunder tun. Daher habe Acht, wie ich sie dir nun beantworten werde; und so höre denn.

[1.84.16] Ich will dir den Johannes darlegen, da dieser die Erleuchtung des hl. Geistes voraussetzt: „Nehmt hin den heiligen Geist; denen ihr die Sünden vergeben werdet, denen sollen sie auch im Himmel vergeben sein; denen ihr sie aber vorenthalten werdet, denen sollen sie auch im Himmel vorenthalten sein.“ – So lautet der Text; wie ist aber sein Verständnis?

[1.84.17] „Nehmt hin den heiligen Geist“ – heißt so viel als: Werdet erleuchtet mit Meiner Wahrheit; – und heißt tiefer noch: Folgt Mir in allem nach! – und am allertiefsten heißt es: „Liebt euch untereinander, wie Ich euch geliebt habe! Denn daraus wird man erkennen, dass ihr Meine wahrhaftigen Jünger seid, so ihr euch untereinander liebt.“

[1.84.18] Siehe, das heißt: Nehmt hin den heiligen Geist! Denn der Herr hat kein Gebot als das der Liebe gegeben, also kann Er auch unmöglich einen anderen Geist als den der Liebe nur bieten und geben. Verstehst du diesen Text? Du bejahst es mir in deinem Herzen; gut, so wollen wir weiter.

[1.84.19] „Denen ihr die Sünden vergeben werdet, denen sollen sie auch vergeben sein im Himmel“ – heißt so viel als: Wenn wer immer aus euch nach Meinem Geist der Liebe und Weisheit seinem Bruder die Schuld, welche dieser Bruder gegen ihn hat, erlassen wird, so will auch Ich eben diese Schuld nicht nur dem schuldigen Bruder, sondern auch dem Erlasser der Schuld jegliche Schuld von Mir nachlassen. Wenn aber jemand im Gegenteil, was der zweite Teil des Textes besagt, seinem Bruder die Schuld nicht erlassen wird, so will aber Ich dafür auch dem Gläubiger seine Schuld vorenthalten. Wenn aber der Gläubiger sich dem, der gegen ihn gesündigt hat, versöhnen will, der Schuldner aber will die Versöhnung nicht annehmen, da werde auch Ich gegen den Schuldner unversöhnlich bleiben, solange er sich mit seinem Gegner nicht versöhnen wird.

[1.84.20] Siehe, das ist die im Himmel alleingültige Erklärung dieser Texte. Was aber diejenigen Sünden betrifft, welche ein Mensch wider Gott und dann wider seinen eigenen Geist begeht, so kann diese Sünden ja doch niemand vergeben als derjenige nur, gegen dessen heilige Ordnung sie begangen wurden. Und die Sünde gegen den eigenen Geist kann doch auch sicher niemand anderer vergeben oder nachlassen, als eben der eigene Geist selbst, das heißt durch den vollernstlichen Willen, sich selbst aus Liebe zum Herrn zu verleugnen und solche Sünde fürder nimmer begehen zu wollen.

[1.84.21] Was aber eine Sünde schnurgerade wider den göttlichen Geist betrifft, der an und für sich die auswirkende Liebe des Herrn ist, da wird es etwa doch klar sein, wenn jemand sich dem allerhöchsten wirkendsten Gnadenmittel eigenmächtig entgegenstellt, dass sich dann sehr bedeutungsvoll fragen lässt: durch welches Mittel solle der wohl rettbar sein, so er gegen das Allerhöchste, über das keines mehr ist, allerfreventlichst ankämpft?

[1.84.22] Siehe, das ist demnach die völlige bedeutungsvolle Erläuterung der sündenvergebenden Texte, welche gleichbedeutend in aller Kürze in dem erhabensten Gebet des Herrn allerklärlichst dargelegt ist, allda es unwiderruflich heißt: „Vergib uns unsere Schuld, so wie wir vergeben unseren Schuldigern“ – und heißt nicht: Vergib uns unsere Schuld nach dem Grad unserer Bußwerke, also wie wir gebeichtet, genug getan, dann kommuniziert haben, und wie uns der Beichtvater von unseren Sünden losgesprochen hat. Und noch an einer anderen Stelle wird dadurch von einer allgemeinen Sündenvergebung gesprochen, da es heißt: „Seid barmherzig, so werdet ihr Barmherzigkeit erlangen.“ – welches wieder nicht heißt: Beichtet, so werden euch die Sünden erlassen.

[1.84.23] Und im verlorenen Sohn zeigt der Herr doch mit dem Finger, welches das allergültigste Mittel ist, um zur Vergebung seiner Sünden zu gelangen, nämlich durch die wahre liebtätige, demütige und liebeerfüllte Umkehr zu Gott, dem allerbesten und allerliebevollsten Vater aller Menschen! Verstehst du solches? Du bejahst es mir; also wollen wir uns an den Jakobus wenden.

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