(Am 27. März 1843 von 6 1/2 – 7 3/4 Uhr abends.)
[1.82.1] Seht, wir befinden uns schon wieder in unserem Paradies. Wie ihr euch leicht überzeugen könnt, so ist es noch das alte, wie wir es vorher gesehen und verlassen haben. Und seht dorthin in die Mitte des Paradieses, alldort harren unser die früheren Paradieseinwohner, und zwar in einer viel demütigeren und nachdenkenderen Stellung als da die erste war, als wir zu ihnen aus dem Kloster kamen. Unsere Himmelsbewohner folgen uns ebenfalls demütig; und so gehen wir mit diesem neuen Fang schnurgerade auf die früheren Paradieseinwohner los.
[1.82.2] Seht, unser früherer Vorsteher dieses Paradieses und die zwei ersten Redner machen schon von weitem sehr große Augen, da sie uns die ganze himmlische Gemeinde folgen sehen. Denn auf eine Eroberung des Himmels waren sie eben nicht zu sehr gefasst und haben dieselbe bei sich für einen heimlichen Probierstein für uns gelassen, nach welchem sich die vollgültige Wahrheit unserer allfälligen Sendung erweisen sollte.
[1.82.3] Da aber nun der ganze Himmel gedemütigt und besiegt hinter uns einherzieht, so sagt soeben der Prior zu seiner Gesellschaft: Hört, Freunde, bei solchem Umstand bekommt die Sache freilich wohl ein ganz anderes Gesicht. Diese drei sind bestimmt von einer uns noch unbekannten göttlichen Macht hierher gesandt; das ist nun so klar wie eine Sonne um die Mittagszeit auf der Erde. Aber was wir nun anfangen sollen bei dieser ganz entsetzlichen Gewissheit, das ist eine ganz andere Frage. Wie ist unser Gewissen bestellt? Wie verhält sich unser früheres Benehmen gegen diese hohen Boten? Das ist wieder eine ganz entsetzlich andere Frage. Kommen wir nach ihrem allfälligen, sicher richterlichen Ausspruch entweder, wenn es gut geht, ins Fegfeuer, oder, der Herr stehe uns bei! – etwa gar in die Hölle? Hört, Freunde, das ist eine noch ganz andere entsetzlicher verzweifelte Frage!
[1.82.4] Sie nahen sich uns auch mit ganz entsetzlich ernsthaften Gesichtern, aus denen für uns wahrlich nicht viel Tröstendes herausschaut. Wenn ich aber auch nur zurückdenke, wie unser priesterliches Leben auf der Welt beschaffen war, und bedenke, wie wir, das Evangelium des Herrn wohl kennend, aber auch nicht mit einer Silbe dasselbe im wahren christlichen Sinne werktätig unter uns walten haben lassen, und wie wir im buchstäblichen Sinne des Wortes und der Bedeutung allzeit dem reinen göttlichen Geist entgegen gearbeitet haben, o Brüder, da möchte ich nichts so sicher je getroffen haben, als nun diese Behauptung von mir aus sicher ist, dass uns samt und sämtlich, bei den höchst traurig waltenden Umständen, nichts als die pure, nackte, allerheißeste Hölle erwartet! Ich möchte beinahe auszurufen anfangen, dass die Berge über uns herfallen sollen, damit wir nicht länger das Angesicht solch erschrecklicher Richter ansehen dürfen!
[1.82.5] Der andere bessere Redner wendet sich an den Prior und spricht: Höre, Freund und Bruder, ich meine, wir sollten hier nicht vorzeitig zu verzweifeln anfangen, denn dazu wird es noch immer Zeit genug sein, wenn wir einmal im Ernst verdammt sind. Es ist uns aber ja ein altes Sprichwort bekannt, welches also lautet: „Ein gutes Wort findet auch ein gutes Ort.“ Also verlassen wir uns auf unsere Bitte und auf unsere möglichst größte Demütigung und verzweifeln nicht zu vorschnell an der großen Erbarmung des Herrn. Und wer weiß, ob diese drei Boten uns nach der allerentsetzlichsten und allerunerbittlichsten Strenge richten werden; denn wenn sie von Gott ausgesandt sind, so werden sie sicher besser und sanfter in ihrem Urteil sein als wir es je waren gegen die vermeintlichen Sünder gegen unsere alleinseligmachend sein wollende Kirche.
[1.82.6] Der Prior spricht: O lieber Freund und Bruder, deine Tröstungen schmecken freilich so süß wie Honigseim und die allerbeste Milch. Aber wenn ich mich dabei an die Worte Christi im Evangelium erinnere, welche Christus, der Herr, also ausspricht, und zwar gegen die falschen Propheten und somit Namenchristen und Namenpriester: „Geht und weicht von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist; denn Ich kenne euch nicht, ihr Täter des Übels, ihr habt allzeit dem hl. Geist widerstrebt!“ – Freund, was sagst du zu diesem Text?
[1.82.7] Der andere spricht: Ja, Brüder, der Text ist über alle Maßen schrecklich und für uns auch vollkommen anpassend wahr. Ich muss dir dagegen auch noch bekennen, dass ich mich nun für die Hölle nicht im Geringsten für zu gut fühle. Wenn der Herr im Ernst nicht barmherziger sein wird als wir es auf der Welt zuallermeist waren, da dürfte dieser Text allerschrecklichstermaßen wohl seine allergerechteste Anwendung finden. Denn es heißt: „Seid barmherzig, so werdet ihr Barmherzigkeit finden!“ Da aber liegt eben der Hund begraben, denn mit der Barmherzigkeit, da hat es bei uns auf der Welt seine ganz entsetzlich geweisten Wege gehabt. Wenn ich nun nur bedenke, mit welcher Leichtigkeit, mit welcher Siegesfreude wir so oft von den Kanzeln ganze Völker zur Hölle verdammt haben, da fängt es mich selbst an, ganz gewaltig zu bangen, und mit meiner früheren, an dich gerichteten Tröstung fängt es nun an, bei mir selbst hohl zu werden.
[1.82.8] Ein dritter spricht: Freunde und Brüder, ich verstehe euch ganz; wir sind verloren! Daher meine ich, wir sollten uns vereinen und gerade zu dem Hauptboten hingehen, der da in der Mitte ist, und sollten ihn um nichts als nur um einen nicht zu allerheißesten Grad der Hölle bitten und sollten ihm dadurch auch den entsetzlichen richterlichen Ausspruch ersparen, und das zwar in der alleinigen Rücksicht dessen, dass wir auf der Erde doch zuallermeist durch die kirchliche Gewalt so und nicht anders zu handeln genötigt waren. Wir haben demnach auch die kirchlichen Vorschriften erfüllt, ob sie recht oder nicht recht waren. Daher meine ich, wenn wir solches auch mit dem Bewusstsein, dass es nicht dem Wort Gottes gemäß war, auf der Welt geleistet haben und haben dadurch nicht Gott, sondern dem Mammon gedient, so aber haben wir doch auch nicht leichtlich anders handeln können.
[1.82.9] Freilich hätten wir lieber sollen den Märtyrertod erleiden, als wider Christus handeln! Aber dazu war ja unser Glaube eben durch unsere Kirche zu schwach, als dass wir so etwas hätten an uns sollen bewerkstelligen lassen. Also meine ich denn auch, dass wir darum nicht der allerschärfsten Hölle uns schuldig gemacht haben. Gott sei alle Ehre und Sein Name werde allzeit über alles hoch gepriesen! Ich meine, Er wird mit uns ja doch nicht das Allerschlimmste vorhaben, und so erwarten wir denn mit der allerdemütigsten Ruhe, was der Herr über uns beschließen wird!
[1.82.10] Seht nun, die ganze Gesellschaft ist mit ihm demütigst einverstanden. Und da dadurch alle sich gehörig erniedrigt und gedemütigt und so auch unter sich ihre Schuld erkannt haben, so wollen wir uns denn ihnen nun auch völlig nahen und mit ihnen eine gerechte Bestimmung treffen. Seid aber an meiner Seite nun auch vollkommen ernst, denn es klebt noch so manches in dieser Gesellschaft, was von ihr ganz ernstlich zuvor entfernt werden muss, ehe sie für eine höhere Bestimmung tauglich werde.
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