(Am 20. März 1843 von 4 1/4 – 5 1/2 Uhr abends.)
[1.77.1] Seht, die Tafeldecker sind schon hier, und zwar ein jeder für sich in einer gleichen Ausdehnung wie unser erster Kulissenheld. Seht, wie vier solche Tafeldecker den eben nicht gar zu zierlichen Tisch Abrahams mit einem Tischtuch überdecken, welches der Erscheinlichkeit nach groß genug wäre, um euer ganzes Planetensystem samt der Sonne gleich einigen unbedeutenden Äpfeln einzubinden und zu Markte zu tragen. Nun werden aber Früchte auf den Tisch gelegt, bestehend aus euch der Form nach bekannten Erd-Obstarten als: Birnen, Äpfel, Pflaumen u. dgl. m.; auch wird eine Art Brot hinzugelegt, und bei jedem Teil, welcher bestimmt ist für eine Person, auch ein Becher, welcher der Erscheinlichkeit nach ungefähr die dreifache Portion des Erdmeeres fassen dürfte. Ihr fragt, wie solches doch wohl um des Herrn willen möglich ist.
[1.77.2] Ich aber sage euch: Den Geistern unter sich ist solches gar leicht möglich; denn solches werdet ihr schon oft bei euch erfahren haben, so ihr eure Phantasie nur ein wenig gebrauchen wolltet, dass es euch ein Leichtes war und noch ist, sich z. B. die Gestalt irgendeines euch wohlbekannten Tieres oder eines anderen Dinges in einem so ungeheuer vergrößerten Maßstab vorzustellen, dass ihr euch darob am Ende beinahe selbst entsetzen musstet. Nun seht, was euch auf der Erde bloß in der Phantasie eures Geistes möglich war und jedem Menschen möglich ist in seiner Art, das ist hier im Reich der Geister auch jedem Geist der Erscheinlichkeit nach möglich. Solche Erscheinungen aber werden hier Trugkünste genannt, deren sich vorzugsweise die bösen Geister bedienen, wenn sie irgendeine geheime Tücke ausführen wollen. Da aber auch diese Geister in Falschem und daraus auch in so manchem Argen sind, so können sie sich auch einer freilich wohl mehr unschädlichen Trugkunst bedienen, um damit uns als vermeintliche Feinde zu erschrecken. Allein, so sie sich gar bald überzeugen werden, dass wir uns vor ihrem Trug nicht entsetzen, da wird auch ihre Kunst gar schnell wieder in ihren vorigen Stand zusammenschrumpfen, und sie werden dann zu keiner zweiten mehr ihre Zuflucht nehmen.
[1.77.3] Und nun seht hin; die Gäste kommen schon von allen Seiten her an den Tisch und greifen mit ihren übermäßigen Riesenhänden nach den kolossalen Früchten und führen dieselben zum schaudererregenden Mund, welcher der Erscheinlichkeit nach groß genug ist, um beinahe eine Erde gleich einer Erdbeere aufzunehmen. Ihr wundert euch aber nun, wie für euer Auge solches möglich ist, diese phantastische Trugerscheinung bei all ihrer entsetzlichen Größe mit der größten Leichtigkeit zu überschauen? Solches kommt daher, weil diese erscheinliche Größe fürs Erste durchaus keine Größe ist, sondern nur ein Trug. Wir aber sind vom Herrn aus im hellsten Licht, daher kann sich vor uns auch nichts so groß darstellen in seiner Trüglichkeit, dass wir es nicht vermöchten sogleich in all seinen falschen Teilen mit einem Blick zu überschauen. Zudem hat fürs Zweite solches auch noch einen anderen Grund, und dieser ist folgender, dass diesen Geistern gegenüber auch unsere erscheinliche Gestalt in der Fülle der Wahrheit sich eben in dem Maße vergrößert, als sich da vergrößert dieser Geister Trugsinn. Solches ist somit also zu verstehen.
[1.77.4] Nun aber habt Acht auf das uns schon bekannte theatralische Trughimmels-Podium. Seht, wie hinter den Wolken nun eine Menge geharnischter Riesenkrieger hervortritt und wie der Anführer mit einem Kruzifix vorausgeht, welches in eben dem Maße kolossal ist, als der dasselbe tragende Anführer selbst. Aber nun habt auf eine noch andere Erscheinung dabei Acht, denn seht, soeben wird der Riesen-Christus vom Kreuz herab zu uns zu reden anfangen. Hört, er redet schon und spricht zu uns: Hinaus aus dem Himmel mit euch Verfluchten, denn ihr habt allzeit dem hl. Geist meiner alleinseligmachenden römisch-katholischen Kirche widerstrebt und wart allzeit mir über alles verhasste Ketzer. Daher hinaus mit euch in die äußerste Finsternis, denn für euch ist hier in dem Himmel kein Platz, und ich habe euch noch nie erkannt. Zwingt mich nicht, Gewalt zu brauchen; denn werde ich solches tun müssen, da wird die unterste Hölle euer Anteil sein. Wenn ihr ehedem meinem Apostel Petrus nicht geglaubt habt, so werdet ihr doch mir glauben, so ich vom Kreuz zu euch rede!
[1.77.5] Ihr staunt hier wohl ein wenig; ich aber sage euch: Lasst euch von dieser Erscheinung nicht bestechen. Denn seht, das Kreuz und die Figur auf demselben sind hohl. Der Träger aber, wie ihr leicht bemerken könnt, hält das Kreuz auf seinen Mund und redet in dasselbe durch eine Öffnung, welche sich dann im Mund der Christusfigur am Kreuz ausmündet. Darum kommt die Stimme auch wie aus dem Mund des Heilandes am Kreuz hervor und ist somit ebenfalls ein eitel bösartiger Trug, weil dadurch das Menschliche des Herrn gestaltlich zu einem Trugmittel gebraucht wird. Aber dessen ungeachtet ist dieser Trug nicht völlig grundböse, da dem handelnden Anführer ein grundböser Wille mangelt.
[1.77.6] Ihr seht auch, dass er sich eben nicht zu weit mit seinem redenden Kruzifix vorwärts getraut und das ist schon ein Zeichen, dass ihm diese Kunst keinen großen Segen bringen wird. Daher kehrt er sich nun zu den Kriegern und gibt ihnen einen Wink, [uns] durch ein gewaltiges Geschrei zu schrecken zu versuchen. Und so denn fangen sie auch an, große Bewegungen zu machen und mit ihren Schwertern gewaltig aneinander zu schlagen und machen Miene, als wenn sie gegen uns ziehen wollten. Allein sie bemerken auch, dass wir uns durchaus nicht erschrecken wollen, und so ziehen sie auch samt dem Anführer wieder hinter die Kulissen zurück. Unsere Tafelgäste sehen auch, dass wir uns vor ihrer großartigen Mahlzeit nicht zu sehr entsetzen, daher fängt auch einer nach dem anderen an, sich von der Tafel zu verlieren. Aber noch ist die Komödie nicht aus. Sogleich wird ein zweiter Akt beginnen, und wer da von euch ein Zoologe ist, der wird an diesem Akt viel Interesse finden, denn ich sage euch voraus, unsere Himmelsbewohner werden jetzt das Äußerste wagen und sich uns als allerlei riesige Tiere vorstellen. Wir aber wissen solches, daher werden wir uns auch vor ihnen in solchem Zustand nicht erschrecken.
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