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75. Gang in den Klosterhimmel. Der Pseudo-Petrus

(Am 27. Februar 1843 von 4 1/4 – 7 1/4 Uhr abends.)

[1.75.1] Ihr fragt hier wohl und sagt: Lieber Bruder und Freund! Wo ist wohl hier dieser Himmel? – Ich sage euch: Wir werden gar nicht weit zu gehen brauchen, um seiner ansichtig zu werden. Da seht nur einmal vor uns den tüchtigen Palast und seht dort in der Mitte über einer Stiege ein kleines Pförtchen, gerade in der Mitte des Palastes angebracht. Das ist der Eingang zum Himmel; denn solches müsst ihr ja wissen, dass der Himmel und das Paradies nicht so weit auseinander entfernt sind. Ihr fragt zwar nach Petrus und Michael, ob sich auch diese hier einfinden. Sie werden nicht mangeln, aber sie sind nicht vor, sondern hinter der Tür. Wir wollen hier nicht gewaltsam in den Himmel dringen, und so werdet ihr bei unserem Anklopfen sogleich des Petrus und des Michael gewahr werden. Und so gehen wir denn an das Pförtlein und klopfen dort an, damit uns in den Himmel der Einlass werde.

[1.75.2] Wir sind an Ort und Stelle. So gebt denn Acht, welch eine Frage wir durch das verschlossene Pförtlein vernehmen werden, wenn ich anklopfen werde. Und so denn klopfe ich an; und hört, der Petrus ist schon gegenwärtig und fragt: Woher? Von oben oder von unten? – Ich spreche: Von oben. – Der Petrus spricht: Wie der Name? – Ich spreche: Bote des Herrn! – Der Petrus fragt weiter: Was für eines Herrn? – Ich spreche: Ich kenne nur einen Herrn, nämlich Jesus Christus!

[1.75.3] Der Petrus spricht: Du bist ein Lügner; wie kann dich Christus von außen her gesandt haben, nachdem Er doch nur hier im Himmel wohnt und sitzt zur rechten Hand des Vaters? Wärst du also von Ihm ausgesandt, so müsstest du doch hier vom Himmel ausgesandt sein. Du aber kommst mit fremder Stimme von außen her, somit bist du ja ein Lügner und Betrüger und ein allerderbster Sünder wider den hl. Geist; daher, marsch, mit dir hinab in die Hölle und mit jedem, der mit dir ist!

[1.75.4] Ich spreche: Höre, du blinder Himmelswächter, du trügst dich gar gewaltig. Weil du mich aber fragtest, woher und wessen Namens ich bin, so frage ich auch dich, wer du bist, darum du dir sogleich das Verdammungsurteil anmaßt, während solches der Herr doch allen Seinen Aposteln auf das Eindringlichste widerraten hat.

[1.75.5] Der Petrus spricht: Ich bin Petrus, ein Fels, auf welchen Christus Seine Kirche gebaut hat, und diese Kirche werden solche Boten von unten, wie du bist, nicht überwältigen; daher harrst du umsonst auf den Einlass.

[1.75.6] Ich spreche zu ihm: Für was würdest du mich denn dann halten, wenn ich denn doch trotz deiner himmlisch petrischen Gewalt diese Tür einbrechen und mich vollends bemächtigen würde deines Himmels?

[1.75.7] Der Petrus spricht: O du abscheulicher Teufel aller Teufel! Versuche nur, einmal an die Schnalle zu greifen, du wirst es bald verspüren, wie heiß diese ist. Ich kann dir aber schon im Voraus versichern, dass dir diese Schnalle eine bedeutend größere Qual in einem Augenblick verursachen wird als tausend Jahre in der untersten Hölle.

[1.75.8] Ich spreche zu ihm: Höre, das kommt nur auf einen Versuch an. Und so denn greife ich deine gefährliche Schnalle an und siehe, die Tür ist eröffnet. Und ich kann dir versichern, dass ich fürs Erste gar keinen Schmerz empfand, und fürs Zweite habe ich dein Pförtlein überwältigt und frage dich darum nun Angesichts, für wen du mich hältst, da ich deine Felsenpforte mit meiner Pforte überwältigt habe? Nun rede!

[1.75.9] Der Petrus spricht: Was soll ich angesichts eines solchen Frevlers reden, der die heilige Wohnung Gottes und Seiner Heiligen höhnend mit seinen allerabscheulichsten Füßen tritt?

[1.75.10] Ich spreche: So redest du als Petrus zu mir? Weißt du nicht, dass Christus Seinen Aposteln befohlen hat, dass sie sanft gleich den Tauben sein sollen? Und du bist hier so derb wie ein Kettenhund! Wenn du wirklich der Petrus bist, so wirst du wohl wissen, dass der Herr Seinen Aposteln und Jüngern nichts so sehr anbefohlen hat wie die wahre Demut des Herzens, die größte Sanftmut des Gemütes und die vollkommene Liebe des Nächsten. Wenn ich dich nun als ein vermeintlicher Teufel dessen erinnere, bin ich demnach als solcher der göttlichen Wahrheit nicht näher denn du, der du dich doch für den Petrus hältst und wähnst, ein Taglöhner des Himmels zu sein? Aber das Wort des Herrn ist dir fremder in seiner Werktätigkeit als der Mittelpunkt der Erde; daher fordere ich dich noch einmal auf, mir bei dem lebendigsten Namen des Herrn die vollkommene Wahrheit zu gestehen und mir kundzugeben, wer du seist!

[1.75.11] Der Pseudo-Petrus spricht: Höre du, abscheulicher Teufel, du bist keiner Antwort wert; und verlässt du nicht augenblicklich diese Stelle, so rufe ich sogleich alle himmlischen Mächte zusammen, und zwar zuerst alle Heiligen. Wirst du vor denen noch nicht fliehen, so rufe ich alle Engel, und wirst du dich auch denen widersetzen, so rufe ich die allerseligste Jungfrau Maria und den hl. Joseph, und solltest du vor denen etwa auch noch nicht fliehen wollen, so rufe ich die Dreieinigkeit selbst. Und dann wird sich wohl zeigen, wer da mächtiger ist, du oder die heilige Dreieinigkeit! Daher mache nicht Säumens und fahre lieber gutmütig hinab zu deiner verfluchten Hölle. Denn wenn du es darauf ankommen lässt, dass alle die himmlischen Mächte über dich kommen werden, so wirst du, mit glühenden Ketten geknebelt, samt deinen Spießgesellen mit vertausendfachter Qual hinabgeworfen werden in die unterste aller Höllen, allda du in solcher vertausendfachter größerer Qual ewig brennen, sieden und braten wirst.

[1.75.12] Ich spreche zu ihm: Höre, wenn du mir auf meine Frage, die von der wahren Liebe des Herrn begleitet ist, solche Antworten gibst und mir sogar drohst mit allen deinen himmlischen Mächten, da muss ich mir schon die Freiheit nehmen, mit meinen Spießgesellen ohne deine Erlaubnis in deinen Himmel einzudringen und mich dazu überzeugen, ob da all deine himmlischen Mächte ernstlich imstande sein werden, mir deine Drohung angedeihen zu lassen.

[1.75.13] Nun hört, auf diese meine Äußerung erhebt der Petrus ein ganz jämmerliches Geschrei und stellt uns den Michael entgegen. Er aber rennt zurück und ruft alle die himmlischen Mächte auf einmal zu Hilfe. Wir aber geben dem Michael einen kleinen Stupfer, und seht, auch er rennt dem Petro nach, und die Treppe ist frei. Gehen wir daher nur schnurgerade hinauf. Ihr werdet euch sogar überzeugen, dass Petrus und Michael samt den anderen himmlischen Mächten sich aus lauter himmlisch bescheidener Politik so hübsch in den Hintergrund des Himmels begeben werden.

[1.75.14] Nun seht, da sind wir ja schon, und der Himmel in einem eben nicht zu sehr ausgedehnten Maßstab steht vor unseren Augen offen, wie er in der irrigen Begründung dieser Himmelsbewohner vorhanden ist. Was sagt ihr zu diesem Himmel? Wie ich sehe, so zuckt ihr ganz gewaltig mit den Achseln und sagt: Nein, soll das auch ein Himmel sein? Da hätten wir uns aus dem früheren Paradiesgarten doch bei weitem eher einen Himmel herausgeschaut, als aus diesem höchst batzentheatralischen Kulissentandelmarkt. Fürwahr, so dumm hätten wir uns diese Himmelsbewohner denn doch nicht vorgestellt. Wenn sie allenfalls noch eine Petruskirche zu Rom zu einem Himmel maskiert hätten, so wäre solches noch für einen gewissen Grad von Blindheit verzeihlich. Aber diese höchst plumpe und gemeine Darstellung würde auf der Erde kaum die Ehre haben, dass sie den allerdümmsten Bauernkindern einen Beifall abnötigen möchte und würde daher von einem nur etwas besseren Menschenteil über Hals und Kopf ausgepfiffen.

[1.75.15] Wie es sich hier zeigt, so stellen die höchst gemeinen, zusammengesteckten Tische, gewisserart im Parterre des Himmels, den Tisch Abrahams, Isaaks und Jakobs dar; und vorn befindet sich statt einer Plastik nur ein schlecht gemaltes Bild, Abraham, Isaak und Jakob darstellend. Und was auf dem mit Wolken-Kulissen bestellten Podium dieses Himmelstheaters die Dreieinigkeit betrifft, so ist diese ebenfalls wie aus grobem Pappendeckel geschnitten und dann, grob und höchst unkünstlerisch bemalt, mit einem sichtbaren plumpen Nagel an den Hintergrund befestigt. Und diese Patzerei von den die hl. Dreieinigkeit tragenden Cherubimen und Seraphimen! Das Beste ist noch das große, runde, mit gelbem Glas versehene Fenster hinter der Dreieinigkeit. – Ja, meine lieben Freunde, ihr habt ganz recht gesehen und möchtet aber nun auch wissen, warum es hier mit dem Himmel gar so kläglich aussieht?

[1.75.16] Ich sage euch: Solches hat alles seinen guten Grund; und ihr habt schon im Garten vernommen, wie dort für die Möglichkeit des Himmels gehörig Sorge getragen werden muss, damit die Paradieseinwohnerschaft nicht zu einem allfälligen Aufstand gereizt werde, und zwar besonders von Seiten der diensttuenden Engel. Solches ist jedoch hier weniger zu berücksichtigen; denn ein Trug zieht immer den anderen nach sich. Wir werden aber bei der nachfolgenden Betrachtung schon ganz klärlichst dahinterkommen, warum sich dieser Himmel so höchst plump und materiell gestaltet. Daher wollen wir auch solches mit der Gelegenheit uns eigen machen. Denn das könnt ihr schon im Voraus annehmen, dass die Klausur auch einen sehr klausierten Himmel hat.

[1.75.17] Da aber in einem solchen Kloster gewöhnlich zwei Parteien wohnen, nämlich die wirklichen Mönche und die hausknechtischen Laienbrüder, daher wird auch dieser Himmel, nach welchem die Mönche durchaus keinen Appetit haben, zumeist von den Fratribus in Empfang genommen, welche mit ihm, wenn sie nur gehörig zu essen haben, auch völlig zufrieden sind, weil sie sich, zufolge ihrer außerordentlichen Laiheit [Laienhaftigkeit], nie einen besseren haben vorzustellen vermocht. Denn sie gehören zu jener höchst finsteren katholischen Klasse, welche ein ganz schlecht geschnitztes und gemaltes Bild für viel wunderwirkender hält als ein ästhetisch meisterhaftes. Daher werdet ihr auch schon gar sicher beobachtet haben, dass die sogenannten wundertätigen Gnadenbilder zumeist die allerbarsten Karikaturen sind. Also wäre für diese Himmelsbewohner ein solcher Himmel, wie wir jüngst einen geschaut haben, viel zu schön, daher aber auch bei weitem nicht so wahrhaft und allmächtig wirksam.

[1.75.18] Kurz, wir wollen uns hier in keine weitere Zergliederung dieses Himmels vorderhand einlassen, denn er wird uns mit der nachträglichen, sukzessiven Enthüllung dieser Himmelsbewohner ohnedies noch ganz klar und ausführlich auseinandergesetzt werden. Ihr werdet hier noch im buchstäblichen Sinne eine sogenannte himmlische Komödie aufführen sehen. Denn solches werden diese Bewohner bald angehen, um uns aus ihrem Himmel zu treiben, und wir werden bei der nächsten Gelegenheit einer solchen Komödie beiwohnen.

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