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66. Erklärung der Einrichtungen des Augustinerklosters

(Am 25. Februar 1843 von 4 – 6 1/2 Uhr abends.)

[1.66.1] Ihr sagt jetzt und fragt mich: Lieber Freund und Bruder! Siehe, das Kloster ist allenthalben verschlossen; werden wir durch die verschlossenen Türen gehen oder werden wir uns die Türen öffnen lassen?

[1.66.2] Liebe Freunde und Brüder, wir werden hier weder das eine noch das andere tun. Denn das Kloster erscheint nur von einiger Ferne also verschlossen und besagt dadurch, dass die darin Wohnenden schwer zugänglich sind, weil ebendieses verschlossene Kloster eine solche in sich verschlossene Begründung solcher Geister nach außen erscheinlich darstellt.

[1.66.3] Wenn wir uns aber diesem Kloster nähern, in seine Sphäre treten und somit auch erscheinlich eingehen werden in die Begründung seiner Bewohner, so werden wir es sobald eröffnet erschauen. Und so denn treten wir näher, damit ihr euch von allem selbst überzeugt. Nun seht, wir befinden uns schon in der Sphäre des Klosters, und die Pforten desselben sind uns aufgetan.

[1.66.4] Ihr sagt hier zwar: Lieber Freund und Bruder, wir können noch nicht recht einsehen, wie solches vor sich geht. Geschieht das durch den Willen der innewohnenden Geister oder ist zu diesem Zweck irgendeine geisterhafte Maschine angebracht, vermöge welcher durch einen einfachen Druck alle Türen plötzlich geöffnet werden?

[1.66.5] Liebe Freunde und Brüder, solches ist hier mitnichten der Fall. Damit ihr aber den eigentlichen Grund einseht, so will ich euch in solche Erkenntnis durch ein leichtes Beispiel führen. Es befindet sich in einer Gesellschaft ein sogenannter Weltweiser, den ihr mit dem Ausdruck „Philosoph“ bezeichnet. Dieser Mensch ist höchst einsilbig, oder er redet gar nichts; warum denn? Weil er fürs Erste seine Perlen nicht den Säuen vorwerfen will, und fürs Zweite, weil er so manche seiner Ideen selbst für schlüpfrig erkennt und sich daher mit denselben nicht an das Tageslicht getraut. Und das zwar darum, um einerseits nicht etwa von seinem Gelehrtenruhm leichtsinnigerweise etwas zu vergeben, andererseits aber auch aus Furcht vor irgendeinem ihm noch unbekannten polizeilich und politisch lauschenden Ohr, durch welches er sich leichtlich so manchen Unannehmlichkeiten aussetzen könnte. Damit also der Mann weder im einen noch im anderen gefährdet wird, so verschließt er sich, begibt sich in seinen förmlichen Seelenschlaf oder in sein geistiges Weisheitsparadies oder in seinen stoischen Himmel, lauscht aber in diesem Zustand überaus sorgfältig herum, ob sich in der Gesellschaft nicht etwa ein ihm verwandter Geist hören lässt. Hat er einen solchen gefunden, da wird er sobald vertraulich und fängt an, ein Pförtchen ums andere seines Klosters aufzusperren. Findet er aber gar einen oder mehrere, die völlig in seine Ideen eingeweiht und somit auch eingegangen sind, da werden sobald alle Pforten seines Klosters auf einmal aufgetan, und unser Mann wird es nicht ermangeln lassen, der ihm entsprechenden und von seinen Ideen begeisterten Gesellschaft den gebührendsten Beifallstribut zu zollen. Wir sind hier zwar nicht im Ernst als in die Ideen und falschen Begründungen dieses Klosters eingehend zu betrachten; dessen ungeachtet aber werden wir zufolge unserer Annäherung geistig als solche betrachtet, und das zwar von Seiten des Klosters.

[1.66.6] Ihr fragt hier zwar, ob uns diese Klostergeister wohl sehen. Ich aber sage euch: Im Grunde wäre solches einerseits gar nicht nötig, weil es hier sich lediglich nur darum handelt, um euch über diese Verhältnisse eine Kunde zu verschaffen und wir zu dem Behuf überall ungehindert eintreten können, wo wir wollen, und können da im Verborgenen alles Mögliche belauschen. Da es sich aber hier um eine fühlbarere Innewerdung für euch handelt, so ist es auch notwendig, dass wir uns den Einwohnern dieses Klosters sichtbar machen. Aus diesem Grunde hat uns denn das Kloster auch sich annähern gesehen, und die Pforten stehen für uns offen, und wir können somit auch ungehindert eintreten. Wir wollen zuerst in die Kirche gehen und uns in derselben ein wenig umsehen, was alles sich dort Merkwürdiges unseren Blicken darstellen möchte. Nun seht, wir sind schon in der Kirche; was erblickt ihr?

[1.66.7] Ihr sagt: Merkwürdig, das ist ja eine Kirche, die man nur überaus prachtvoll nennen kann! Die herrliche Bauart, die Höhe und die wirklich meisterhaften Gemälde, mit denen die Wände bemalt sind, sind im Ernst staunenerregend. Und der Hochaltar ist, was man sagen kann, ein vollendetes Meisterwerk der Skulptur. Auch das Hauptgemälde der Dreieinigkeit zeichnet sich durch den erhaben sanft gehaltenen Charakter wahrhaft großmeisterlich aus. Denn fürwahr, das freilich wohl irrige Bild der Dreieinigkeit haben wir noch nie meisterlicher gemalt gesehen wie hier. Merkwürdig ist die bildliche Darstellung dadurch, dass der Vater und der Sohn die Köpfe beinahe ganz fest aneinander halten, darum die Köpfe denn auch in dem licht gehaltenen Dreieck sich befinden, und über den zwei Köpfen auf der obersten Ecke die Taubengestalt des hl. Geistes so angebracht ist, dass die Taube auf diesem obersten Dreieck zu sitzen scheint und ihren Kopf hinabneigt zwischen die beiden Köpfe.

[1.66.8] Dann ist noch bemerkenswert, dass unter der Dreieinigkeit Scharen und Scharen, auf Wolken knieend und betend, abgebildet sind. Und wir erblicken unter diesen Seligen beinahe niemanden als die alten Propheten, die Apostel des Herrn, Maria und Joseph gleich unter der Dreieinigkeit, dann eine Menge uns wohlbekannter Märtyrer, nach denen aber lauter Päpste, Kardinäle, Bischöfe und Prälaten, einige berühmte Mönche, Kaiser, Könige, Fürsten, Grafen und Ritter, desgleichen auch weibliche Selige. Aber nicht ein seliger Landmann ist unter diesen zu erblicken.

[1.66.9] Ihr seht gut, aber doch habt ihr noch nicht alles gesehen. Da seht nur ganz hinab ans unterste Ende der Tafel, da werdet ihr den Erdboden gemalt erblicken und eine Menge elender Landleute, welche ihre Hände zu diesen Seligen um Hilfe flehend emporhalten. Und seht noch etwas tiefer, da zeigt sich sogar das Fegefeuer, und eine zahllose Menge armer Landseelen streckt ihre Hände über den leckenden Flammen empor, um die Hilfe zu den Heiligen im Himmel flehend. Und dort zur linken Seite des Bildes, ist gleich ober der Erde eine ziemlich dunkel gehaltene Wolke gemalt und von der Erde ist eine Leiter an dieselbe angelehnt. Zu Ende dieser Leiter werdet ihr ein doppelflügeliges Tor erschauen nach der Form der Mosestafeln, hinter dem Tor unseren Petrus und den Erzengel Michael, und auf der Leiter könnt ihr auch einige wenige im Aufsteigen begriffen erschauen, einige aber auch häuptlings von dieser Wolke vom Ende der Leiter herabstürzend. Im Hintergrund dieser dunkelgehaltenen Wolke erblickt ihr wohl auch einige knieende Selige; das sind die sogenannten Alleheiligen.

[1.66.10] Seht, sonach geht unserem Bild nichts ab als bloß nur die Hölle. Da aber diese außer aller Gemeinschaft und somit auch außer allem Gedächtnis aller dieser Seligen steht, so kann sie auch nicht einen Teil dieses Bildes ausmachen. Also hätten wir das Hauptaltarblatt von oben bis unten genau besehen. Was fällt euch denn sonst noch auf? Ihr sagt: Das schöne Tabernaculum, welches eine Gruppe von lauter künstlich zusammengestellten Seraphköpfen bildet. Dann das Tabernakel-Portalchen, den auferstandenen Christus darstellend, und wenn wir übrigens recht sehen, so ist dieser Christus halb durchsichtig, und man erschaut auf Seiner Herzensseite statt des Herzens eine recht prachtvolle Monstranz mit dem Sanktissimum durchschimmern. – Ja, so ist es auch, wie bildlich also auch werktätig. Die Liebe Christi stellt nun dar die Liebe zum Golde, Silber und Edelsteinen; und das Brot des Lebens hat sich mit diesen Hauptinsignien der Welt umkleidet.

[1.66.11] Wenn du nun, guter Freund und Bruder, uns die Sache nur noch ein wenig deutlicher erklären möchtest, so könnte uns das durchaus nicht schaden.

[1.66.12] O ja, solches kann ich ja tun. Fragt euch: Durch was müsste man denn hier gehen, wenn man zum Brot des Lebens gelangen wollte? – Zuerst durch den edelsteinernen Christus. Dieser bezeichnet aber nichts anderes als das tote Mauerwerk der Kirche oder die gemauerte Kirche. Wer nicht in diese eingetauft und eingefirmt ist, der kann nicht zu dem kirchlichen lebendigen Gnadenschatz gelangen, wer sich aber einmal in der gemauerten Kirche also befindet, der vergesse dann ja des Goldes und des Silbers nicht. Denn aus Silber und Gold sind die Schlüssel Petri. Bringt jemand Silber und Gold, so wird er auch zum Brot des Lebens zugelassen.

[1.66.13] Ihr müsst zwar nicht denken, als müsste man für die Kommunion zahlen; denn die kleine Hostie bekommt ein jeder Kommunizierende, sooft er nur immer beichten will, umsonst. Aber will jemand auch die vollkommene Wirkung der großen Hostie für sich gewinnen, da muss er zahlen, und das eine Segenmesse noch obendrauf, muss zur Abhaltung mehrerer Segenmessen, wenn diese nach seinem Tode regelmäßig sollen fortgehalten werden, eine glänzende Stiftung machen. Und will er die abgehaltenen Segenämter noch kräftiger wirkend haben, so müssen sie noch dazu bei den privilegierten Altären abgelesen werden. Ich meine, aus diesem wenigen werdet ihr ohne viele Mühe leicht ersehen können, wie man zu unserem erschauten Sanktissimum nur durch Silber, Gold und Edelsteine gelangen kann. Auf der Welt bezeichnet zwar dieses, nämlich Gold, Silber und Edelsteine, eine Ehrung Gottes und heißt: Omnia ad majorem Dei gloriam! [Alles zur größeren Ehre Gottes!] Hier aber wird dieses anders verstanden und also übersetzt: Alles zu unserem größeren Ansehen, zu unserer Verherrlichung und zu unserem stets wachsenden priesterlichen, reicher werdenden Vorteil; oder noch verständlicher: Lasst uns Herren sein auf der Welt, und ein jeder Kaiser neige sein Haupt unter unsere Fußsohlen.

[1.66.14] Es ließe sich hier wohl sehr gewaltig fragen, wo denn so ganz eigentlich unter dem Gold, Silber und Edelsteinen die wahre christliche Demut und Verachtung der Welt ruht, wo die Nächstenliebe, wo die Selbstverleugnung und wo: „Nehmt ein Kreuz und folgt Mir nach?“ Denn unter diesen goldenen, silbernen und edelsteinernen Aspekten hätte der Herr ja sagen müssen: Nehme dein Gold, Silber und Edelsteine und folge also glänzend reichbeladen Mir nach. Auch Petrus hätte nicht sagen sollen: „Gold und Silber habe ich nicht“. Und wieder hätte der Herr zum reichen Jüngling nicht also spärlich (bitter) reden sollen und am Ende noch gar dazusagen, dass ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr ginge als ein Reicher in den Himmel. So ist denn alles verkehrt und zerstört; und die Kirche, welche sich die alleinseligmachende nennt, hat vom Christentum kaum noch den Namen.

[1.66.15] Wer sich im Zeugnis oder in einer anderen Urkunde nur „katholisch“ bezeichnet, braucht das Wort „christlich“ gar nicht hinzuzusetzen; setzt aber jemand das „christlich“ allein, so wird er für eine Art Kleinketzer gehalten und kann sich sogar kleinen Unannehmlichkeiten aussetzen. Jedoch lassen wir nun alles dieses beiseite, denn die Folge solcher groben Irrtümlichkeiten liegt ja nun klar und offen vor euren Augen, – und indem ihr den wahren Himmel kennt, so wird es euch hier sicher nicht schwerfallen, den großen Abstand zwischen hier und dort auf den ersten Augenblick zu erkennen.

[1.66.16] Ihr fragt zwar, warum denn der Herr solcher Irrtümlichkeit nicht ein baldiges und völliges Ende mache und warum Er solches schon ursprünglich zugelassen habe. Ich aber sage euch, dass des Herrn Wege allzeit unergründlich und Seine Ratschlüsse ewig unerforschlich sind, und es genüge euch, dass ihr wisst, wie unendlich gut der Herr ist, von welch großer Geduld und Erbarmung, und wie Er als die allerhöchste Liebe und Weisheit gar wohl und alleruntrüglichst versteht, alle Gewächse zu ihrer Reife zu führen. Und wenn sie reif geworden sind, so weiß Er es, sie für Seine ewig liebevollsten und weisesten Zwecke allertauglichst und allerbest zu benutzen.

[1.66.17] Ihr könntet ebenso gut fragen, warum der Herr auch so viel Unkraut und reißende und giftige Tiere auf die Erde gesetzt hat, wovon ihr nirgends einen Nutzen erschaut. Ich aber sage euch: In allem diesem geht der Herr Seine unergründlichen Wege und folgt allzeit Seinem Ratschluss; und uns genügt es, lebendigst zu wissen, dass Er ein unendlich guter Vater ist. Und wissen wir das, da wissen wir auch, dass Er nichts eines argen Zweckes wegen geschaffen hat, sondern dass Er alles zu dem unaussprechlich besten Ziel lenkt und ewig lenken wird! Ihr fragt, ob wir nun auch die übrigen Kirchenteile besuchen und besichtigen sollen. Solches ist nicht vonnöten, daher begeben wir uns in das eigentliche Kloster und machen da unsere Betrachtungen. Seht, da kommt soeben ein recht freundlicher Augustiner aus der sogenannten Sakristei. Er grüßt und winkt uns, zu ihm zu kommen; also folgen wir auch seinem Wink!

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