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65. Ein Mönchskloster. Augustinus und die Augustiner. Das Gottesauge. Die verborgen gebliebene bessere Erkenntnis der Dreieinigkeit Gottes

(Am 24. Februar 1843 von 4 – 7 1/4 Uhr abends.)

[1.65.1] Zu dem Behuf wollen wir denn dieses weibliche Kloster verlassen und uns etwas vorwärts bewegen. Seht, dort mehr zwischen Mittag und Abend befindet sich schon ein solches Kloster, welches auf den ersten Augenblick als solches zu erkennen ist. Seht eine pomphafte Kirche mit zwei gewaltigen Glockentürmen und zu beiden Seiten der Kirche das Klostergebäude mit etwas kleinen Fenstern. Und wie ihr noch seht, so ist das ganze Klostergebäude samt der Kirche mit einer tüchtigen Mauer umfangen. Ihr möchtet wohl wissen, was für ein Orden sich da innen befindet? Ich sage euch, einer der strengsten, und zwar namentlich der Orden der sogenannten barfüßigen Augustiner.

[1.65.2] Dieser Orden war einmal ein recht angesehener Büßerorden, und zwar nach der Ordnung des Kirchenlehrers Augustinus, welcher bekanntermaßen sich sehr angelegen sein ließ, das Wesen der Dreieinigkeit unter einem konfirmierten Begriff darzustellen. Dieser einesteils sehr emsige Christ ist im Ernst sogar vom Herrn Selbst gewarnt worden, seiner Dreieinigkeitsforschung nicht weiter nachzuhängen. Aber dessen ungeachtet verband er sich fest mit dem römischen Bischof und stimmte mit der zu Nizäa ausgeheckten dreipersönlichen Dreieinigkeit vollkommen fest überein, und suchte dann eben dieses Dreieinigkeitsbild durch seine sonst tüchtige Weltweisheit so viel als möglich kirchlich rechtskräftig zu machen und wurde daher auch zu der Ehre eines Kirchenvaters und eines Kirchenlehrers erhoben.

[1.65.3] Es war freilich wohl etwas sonderbar, dass sich solche Kirchenlehrer auch Kirchenväter nennen ließen, indem sie doch das Evangelium hatten, in welchem von Christo der alleinige rechte und wahre Vater aller Menschen und somit auch so mehr Seiner Kirche bestimmt ward. Allein, da der Augustinus seine Forschungen nicht aus Eigennutz, sondern redlicheren Sinnes tat, so ward ihm solches auch nicht angerechnet. Und er fand in der geistigen Welt, zum Teil aber schon für sich auch in der naturmäßigen, seinen Irrtum und wurde daher vom Herrn auch alsbald aufgenommen und besseren Weges geleitet. Zufolge seiner irdischen besseren Erkenntnis aber hat er schon bei Lebzeiten eine kleine Schule ganz im Geheimen um sich gehalten, welche sich einer besseren und daher auch lebendigeren Erkenntnis des dreieinigen Gottes zuwandte. Augustinus hatte zu dem Behuf auch die Bekanntschaft mit dem inneren lebendigen Wort gemacht und hat den Weg kennengelernt, auf welchem man sich diesem nahen kann.

[1.65.4] Dieser Weg war die entschiedenste Demut, die völlige Hintansetzung der Welt und dafür die Ergreifung des Herrn in der Liebe. Solche Schule hat sehr bedeutenden Zuspruch bekommen, trotzdem sie so geheim als möglich gehalten ward. Sogar der römische Bischof selbst erhielt Kenntnis davon, war öffentlich nicht dawider und schloss sich selbst dieser Schule an. Er sah bald ein, dass die öffentliche Lehre nicht mit dieser übereinstimmt, konnte aber nun auch nicht mehr wider den Strom schwimmen. Damit aber solche Schule nicht zugrunde ginge, welche für dieselbe Zeit ein gar wichtiger Fund war, so gestattete er dieser Schule aber dennoch eine freiere Ausübung und nannte sie die Schule der wahren Priester, welche mit der Zeit den Namen Scholastiker bekamen. Freilich waren diese Scholastiker nicht identisch zu halten mit jenen altägyptischen Scholastikern, welche sich mit dem zauberhaften Mystizismus befassten, sondern sie waren vielmehr Scholastiker nach dem inneren Sinn des Wortes.

[1.65.5] Sie machten sich daher auch ein anderes Bild von der Dreieinigkeit, und dieses bestand aus einem Auge in einem Dreieck, welches sich in einem sonnenartigen Strahlenkranz befand. Wennschon diese Darstellung eben auch nicht vollkommen entsprechend richtig war, so wurde aber dadurch Gott dennoch in einer Einheit dargestellt.

[1.65.6] Und das Auge stellte die Sonne des Herrn dar, in welcher Er Sich befinde in Seiner ewigen Liebe und Weisheit, und solches darum, weil auch das menschliche Auge beides in sich begreife; denn aus dem Auge schaue die Liebe und aus dem Auge geht auch das Licht hervor. Die drei Ecken der Figur, in deren Mitte sich das Auge befand, stellten die drei Grade vor, innerhalb welcher sich das Göttliche als Inwendigstes ausspricht. Und diese drei Grade waren entsprechend den drei Ecken also eingeteilt, dass die zwei unteren bezeichneten Naturmäßiges zur Linken und entsprechend Geistiges zur Rechten, die obere Ecke aber bezeichnete Himmlisches. Was dann die Ausstrahlung vom Auge in all diese drei Ecken betrifft, so ward dadurch angedeutet das Einfließen des Herrn durch und in allen diesen drei Graden. Das Überströmen der Strahlen über diese Figur hinaus bezeichnete die unendliche Macht und Unerforschlichkeit des göttlichen Wesens. Und sonach war diese Darstellung als eine ziemlich gelungene Hieroglyphe des dreieinigen Gottwesens zu betrachten. Nach solcher Regel war denn auch der Orden der barfüßigen Augustiner gestellt.

[1.65.7] Ihr fragt zwar, warum denn diese sogenannten Neu-Scholastiker das Wesen des dreieinigen Gottes sich nicht noch vollkommener darstellten und warum ihnen solches der Herr nicht angezeigt hat? Solches rührt daher, weil alle diese daneben dennoch in etwas Falschem zufolge der früheren persönlichen göttlichen Dreieinigkeit waren. Ein Teil dieser Scholastiker ging dann ohnehin in eine bessere Erkenntnis über und hat sich darum auch unter den Schutz der griechischen Kirche begeben, allwo er dann sich als eine förmliche Sekte unter dem Namen der Unitarier ausbildete. Aber unter dem römischen Bischof blieb es immer bei der ersten Regel, und das zwar unter der strengen Klausurverschwiegenheit, welche Verschwiegenheit mit der Zeit so weit ging, dass selbst die Eingeweihten miteinander nur sehr wenig Worte wechseln durften. Ein jeder für sich durfte wohl mit dem inneren Wort sprechen; aber dasselbe einem anderen mitzuteilen, war nicht gestattet. Und so verkümmerte sich mit der Zeit auch dieser gute Orden und stand bei so manchen nachfolgenden Hierarchen in keinem bedeutenden Ansehen.

[1.65.8] Es entstanden diesem Orden zufolge dann auch noch andere ähnliche Orden, die sich aus solchem guten Grunde von der Welt streng absperrten. Sie konnten aber alle zusammen nichts ausrichten, fürs Erste, weil sie dabei dennoch von der äußerlichen kirchlichen Ordnung befangen waren, und fürs Zweite, weil sie solches wohl unter sich unter der strengen Klausur treiben, aber in der ihnen zugewiesenen pfarrlichen Seelsorge dennoch keinen nützlichen Gebrauch davon machen durften.

[1.65.9] Also bildeten sich noch gar viele Orden und waren anfänglich alle im guten Grunde und nahe samt und sämtlich mehr oder weniger Anhänger des inneren Scholastizismus. Aber mit der Zeit ging dieser fast gänzlich verloren, und es blieb nichts übrig als bloß nur die äußere Form. Und da mit der Zeit auch einige Orden sehr zugunsten des römischen Episkopats zu handeln angefangen haben, so wurde ihnen dadurch von Seiten desselben auch so manche sehr bedeutende äußere Begünstigung zugeteilt. Daraus entstanden dann gar bald Herrnstifte und Herrnorden. Und da sich alle diese Orden dann besser befanden als diejenigen, welche noch mehr bei ihrer Grundregel verblieben sind, so machte das auch die kleinen Orden stutzen, und sie begannen dann ebenfalls, mehr zugunsten Roms zu handeln und wurden dann auch stets mehr und mehr begünstigt. Auf diese Weise verlor sich bis auf diese Zeit alles Innere aus den Orden, und an dessen Stelle trat eine fälschliche Begründung.

[1.65.10] Und in einer eben solchen Begründung erschauen wir hier dieses Kloster, welches nichts als allein nur noch den Namen seines ursprünglichen Gründers führt, welches ihr gar leicht aus dem erkennt, dass gleich ober dem Hauptkirchenportal sich die dreipersönliche Dreieinigkeit befindet, und unter dieser erscheint, wie von den Wolken gedrückt, das sogenannte Auge Gottes, welches so viel besagt als, dass das Irrtümliche über das Wahre gesiegt hat.

[1.65.11] Die Mönche gehen zwar wohl noch barfuß einher und sind noch mit derselben Kleidung bedeckt. Wenn ihr aber die innere Scholastik sehen wollt, so besteht diese in nichts anderem, als bloß nur in dem, dass sie, nämlich die Mönche, sich dem außen nach so tragen und gebärden, wie sich dereinst die wirklichen Augustiner getragen und gebärdet haben. Fragt ihr aber einen, warum er solches tue, so werdet ihr entweder gar keine Antwort bekommen, oder wenn ihr schon eine Antwort bekommt, so wird solche also lauten: Solches tun wir als beständige Büßer des Himmels willen; denn das Himmelreich leidet allzeit Gewalt, und die es nicht mit Gewalt an sich reißen, werden es nicht bekommen. Aus diesem aber könnt ihr gar leicht erkennen, was das eigentliche Motiv des strengen Lebens, wenn es noch gut geht, ist. Sie tun alles des Himmels willen; sie lieben auch und fürchten den Herrn, aber nicht Seiner Selbst, sondern nur des Himmels und der Hölle wegen. Würde der Herr ihnen die Hölle wegnehmen und ihren geträumten Müßigkeits-, Wohllebens- und Gaffhimmel in einen Arbeitshimmel verwandeln, so würden sie über ihr strenges Büßerleben gar bald ein gutes Kreuz machen.

[1.65.12] Also geht es, wie gesagt, noch in besserem Maßstabe genommen. Aber bei gar vielen ist die strenge Ordenshaltung nichts als ein politischer Weg, um auf demselben sich bedeutender zeitlicher Vorteile zu versichern und derselben gar wohl habhaft zu werden. Und das ist sogar eine Handlungsweise höllischer Art und dem Herrn ein Gräuel. Diese Art werden wir nicht hier antreffen, denn diese sind entweder im tiefen Abend, oder, wenn es gar schlecht geht, auch wohl gar in der Hölle zu Hause.

[1.65.13] Hier aber werden wir demnach nur die strengen Himmelsbewerber antreffen, welche sich den Himmel durch die strenge Beobachtung ihrer Ordensregel wie Tagwerker verdienen wollen. Dass das Kloster auch hier als solches erscheint, das bringt ebenfalls der materielle Glaube an das Jüngste Gericht zuwege. Und ihr werdet solchem Glauben zufolge auch alle Abarten in diesem Kloster antreffen, welche aus der Begründung herrühren; wie nämlich die Seele nach dem Tode, zufolge einiger unverstandener altscholastisch-mystischer Begriffe fortlebe, nämlich entweder in der sogenannten Psychopanechia, d. i. allgemeiner Seelenschlaf, oder in einem untätigen Paradiesleben, mitunter wohl auch in einem sobald nach dem Tode erfolgten Himmel. Wie sich alles solches artet, werden wir nächstens zur Beschauung bekommen. Und somit gut für heute!

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