(Am 6. Februar 1843 von 4 1/4 – 6 Uhr abends.)
[1.52.1] Nun seht auch ihr! Die Tafeldiener entfernen sich, und unsere Gesellschaft steckt die Köpfe zusammen. Solches besagt im Geistigen, eines Sinnes werden. Was deliberieren sie wohl jetzt? Nur eine kleine Geduld, wir werden es alsbald vernehmen. Derjenige, der früher mit dem Tafeldiener zumeist gesprochen hat und einst auf der Welt ein Landmann war, dieser wird sich auch jetzt bald hervortun und wird diese ganze Gesellschaft seinen Vorschlag vernehmen lassen. Ihr möchtet ihn wohl schon vernehmen. Ich aber sage euch: Solches kann im Geiste nicht so plötzlich geschehen. Das Innewerden des Geistes in seinem reinsten und vollkommensten Zustand ist zwar für eure Begriffe unglaublich schnell; aber das Innewerden eines unvollkommeneren Geistes ist dafür um desto mühevoller und langsamer. Ihr fragt: Warum denn so? – Solches ist doch sehr leicht zu begreifen; weil der Geist nichts hat, nach dem er greifen könnte, sondern all sein Eigentum ist nur sein Inneres.
[1.52.2] Der vollkommene Geist hat auch das vollkommene Gute und Wahre in einer endlos großen Überfülle in sich; daher ist auch sein Innewerden in all dem geistig reell Wahren und Guten ein unglaublich schnelles. Der unvollkommenere Geist aber hat nichts in sich denn Irriges. Wenn er nun im Guten und völlig Wahren einen Fortschritt machen soll, so muss er zuerst nach seinem Irrtümlichen greifen, dasselbe in sich als Irrtümliches erkennen, dann das Irrtümliche aus sich hinausschaffen und dadurch dann in eine große Armut versinken, damit er ein wahrhaftiger Armer im Geiste wird. Durch diese Armut oder völlige geistige Begriffsleere wird dann erst der göttliche Funke, welcher da ist das Liebtätigkeitsgute, frei, fängt sich an stets mehr und mehr auszudehnen und sonach die frühere geistige Leere mit einem neuen Licht auszufülle. In diesem Licht dann erst kommt der Geist zu einem stets vollkommener werdenden Innewerden. Und so seht denn, dass es unserer Gesellschaft eine ziemliche Mühe kostet, dieses geschauten Himmelsbildes flottzuwerden.
[1.52.3] Sie sehen noch immer alles das, was sie im Anfang geschaut haben. Solches aber beurkundet, dass sie ihr Innewerden von rein Wahrem und Gutem noch nicht um vieles geändert haben. Ihr möchtet nun wohl wissen, was davon der Grund sein dürfte, indem der Tafeldiener, wie ihr zu sagen pflegt, dieser ganzen Gesellschaft die Wahrheit doch ganz tüchtig unter die Nase gerieben hat?
[1.52.4] Ich sage euch, da kommt es oft auf einen kleinen Punkt an; denn alle diese katholischen Himmelshelden sind im Grunde nichts als blinde Skeptiker. Der Skeptizismus aber ist bei dem Menschen das, was der Sportenkäfer [Borkenkäfer] den Bäumen ist; es bedarf nicht mehr als eines einzigen nicht völlig stichhaltenden Punktes. Dieser Punkt wird dann zu einem sich außerordentlich reichlich reproduzierenden schädlichen Wahrheitsinsekt, das am Ende ganze große Wälder von Bekennt- und Erkenntnisbäumen verdirbt.
[1.52.5] Ihr fragt hier und sagt: Lieber Freund, worin besteht denn dieser gefährliche Punkt bei dieser Gesellschaft? – Ich sage euch, dieser Punkt ist an und für sich zwar kaum beachtenswert. Aber der Skeptiker, der alle Fasern des Lebens- und Erkenntnisbaumes benagt, setzt diesen unbedeutenden Punkt unter ein überaus vergrößerndes Mikroskop und entdeckt dann in diesem unscheinbaren Punkt ganze Berge von Unebenheiten, welche sich dann mit der natürlich geschauten Oberfläche des lebendigen Holzes freilich wohl nicht vereinbaren lassen.
[1.52.6] Die Ursache aber liegt darin, weil diese Skeptiker mit ihrem Verstandesmikroskop nun beständig auf diesem unbedeutenden Punkt herumreiten; aber keinem fällt es bei, das Mikroskop ihres Verstandes über die Grenzen dieses Punktes zu richten, auf dass sie dadurch erschauten, wie sich dieser ihnen gar so uneben vorkommende Punkt mit dem anderen Lebensholz verbinde.
[1.52.7] Damit ihr aber nun seht, worin dieser Punkt besteht, so mache ich euch darauf aufmerksam, dass nämlich der Tafeldiener dem außen nach die angeführten Schrifttexte etwas durcheinandergeworfen hat. Eine Korrektur habt ihr gleich während der Unterredung vernommen. Der Tafeldiener aber hat scheinbarerweise einen Text aus dem Paulus genommen und ihn vom Johannes ausgesagt. Da aber der Redner dieser Gesellschaft und noch einige in der Schrift so ziemlich bewandert sind, so ist ihnen solches bald aufgefallen, und das ist denn auch zuallermeist der Grund, warum sie ihre Köpfe zusammengesteckt haben.
[1.52.8] Und unser Redner hat ihnen sogleich heimlich bemerkt und gesagt: Meine lieben seligen Freunde! Wenn dieser Tafeldiener so in der göttlichen Wahrheit recht zu Hause wäre, da hätte er doch wohl nicht leichtlich den Paulus mit dem Johannes verwechselt. So aber hat er offenbar etwas von Johannes ausgesagt, was nur der Paulus gesprochen hat, – und dieser Punkt ist mir genug, zu glauben, dass dieser unser Tafeldiener in der eigentlichen göttlichen Wahrheit nicht zu Hause ist; und so dürfte es wohl mit allem, was er gesprochen hat, einen sehr bedeutenden Anstand haben.
[1.52.9] Ich bin daher der Meinung, dass dieser Himmel zwar vollkommen ein wahrer Himmel ist. Nur was es da mit der Tafelgefangenschaft nach der Erzählung und Beweisung ebendieses Tafeldieners für eine Bewandtnis hat, da meine ich, solches sei ebenfalls auch nur eine stark in den blauen Dunst gegriffene Mutmaßung desselben. Wir sind frei und können zur Tafel gehen, wann wir wollen, können uns aber auch in diesem sehr großen Garten herumbewegen wie wir wollen. Und ich bin der Meinung, jener überaus große und herrliche Palast dort hinter der großen und langen Tafel wird uns wohl auch zur Besichtigung und vielleicht gar zur Bewohnung freistehen; denn der Herr hat ja gesagt: „In Meines Vaters Reich sind viele Wohnungen!“ Also kann es ja auch in diesem überaus großen Palast eine Unzahl von Wohnungen geben; oder es kann noch gar wohl eine Unzahl von solchen Palästen weiterhin vorhanden sein. Daher meine ich, wir sollten unseren in der Heiligen Schrift bewanderten Tafeldiener gar nicht mehr abwarten, sondern uns nach unserem freien Gutdünken und Wohlbehagen sogleich gegen den großen Palast hinziehen. Denn hier sind wir ja nicht mehr imstande, zu sündigen, sonach können wir ja auch tun, was wir wollen.
[1.52.10] Denn es ist doch sicher besser, mit klarem Bewusstsein schon im Himmel zu sein, als nach der etwas stark gesuchten Meinung unseres Tafeldieners in einen wahrhaften Bauernhimmel zu kommen. Sollte das nicht der richtige Himmel sein, was könnten wir wohl dafür, wenn uns auf der Welt nie ein anderer gezeigt worden ist. Und wenn es, wie wir es auf der Welt gelernt haben, hier überaus gerecht zugehen soll, was auch unbezweifelt sicher der Fall ist, so möchte ich denn doch wohl einsehen, aus welchem Grunde wir eine Zeit lang mit einem falschen Himmel gefoppt werden sollten. Denn wir haben ja doch allzeit an einen rechten und wahrhaftigen, nicht aber an einen Fopp- und Scheinhimmel geglaubt. Solches wäre ja auch, wahrhaftig, sogar infam von uns, so wir es Gott zumuten sollten, dass Er uns mit diesem Himmel nur foppe und zum Besten habe. Und so denn ziehen wir uns nur ganz mutig vorwärts!
[1.52.11] Seht ihr nun, wie dieser Punkt von einem Sportenkäfer [Borkenkäfer] den ganzen früheren Wald von guten Erkenntnissen angegriffen hat; und unsere Skeptiker sind wieder ganz in ihren früheren Irrtum übergegangen. Ihr fragt hier freilich und sagt: Ja, warum hat denn der Tafeldiener solches getan? – Ich sage euch: Der Tafeldiener hat im geistigen Sinne richtig gesprochen; aber unsere irrtümlichen Skeptiker haben ihr Verstandesmikroskop nicht über den Zweifelspunkt weggerückt, damit sie die guten Nebenverbindungen hätten zu erkennen vermocht.
[1.52.12] Ihr werdet bemerkt haben, dass der Tafeldiener den Text des Apostels Paulus nicht völlig ausgesprochen und den Begriff „wesenhaft“ weggelassen hat. Seht, das ist ein gar wichtiger Verbindungspunkt. Dieser Verbindungspunkt aber ist es ja eben auch, der dieser ganzen Gesellschaft mangelt; und solcher Verbindungspunkt besagt eben die tätige Liebe aus dem reinen Glauben an den alleinigen Herrn.
[1.52.13] Nun seht weiter, der ganze Johannes, welcher besagt das innere lebendige Wort oder die Liebe zum Herrn, fasst sich im himmlischen Sinne in dem vom Tafeldiener ausgesprochenen Text zusammen und gibt das richtige Licht hinsichtlich des Herrn allein.
[1.52.14] Paulus aber fasst dieses Licht lebendig in sich auf, welches ist die Liebe des Herrn im Johannes. Aus dem Grunde spricht dann auch Paulus: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!“ Also ist der vom Tafeldiener angeführte Text vollkommen aus dem ganzen Johannes und kann nicht vom Paulus sein, weil dieser ganzen Gesellschaft noch das Wesenhafte der Liebe zum Herrn mangelt. Was den ferneren Verfolg dieser wichtigen Abhandlung betrifft, wollen wir an der Seite der Gesellschaft nächstens betrachten.
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