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47. Der römisch-katholische Probehimmel

(Am 30. Januar 1843 von 4 1/2 – 6 Uhr abends.)

[1.47.1] Nun seht, unsere Gegend hat sich schon wieder vor unseren Augen verloren; nichts mehr von den Hügeln und nichts mehr von den Gebäuden auf den Hügeln ist zu sehen, und wir sind im reinen Mittag. Solches könnt ihr aus der uns im Zenit stehenden Sonne und aus der großen Pracht dieser Gegend wie auch aus dem uns schon bekannten, von hier aus dort gegen Morgen hin fließenden Strom entnehmen. Ihr fragt und sagt: Aber, lieber Freund, wie ist denn solches möglich, dass jetzt diese endlos allerseligste Morgengegend so gänzlich vor unseren Augen verschwunden ist?

[1.47.2] Liebe Freunde, versteht ihr solches denn noch nicht, dass der Morgen die tätige Liebe, aber der Mittag die forschende Weisheit bezeichnet? Wir aber sind nun wieder im Forschen also auf dem Wege der Weisheit und somit im Mittag, und dieser ist außerhalb der Liebe.

[1.47.3] Ihr sagt aber freilich: Wir befanden uns ja ehedem auch im Mittag und konnten von selbem aus denn doch die Morgengegend erschauen; warum geht solches denn jetzt nicht? Waren wir damals nicht außer der tätigen Liebe?

[1.47.4] Meine lieben Freunde, wir waren damals wohl auch im Mittag; aber wir befanden uns am Ufer des Stromes, und dieser zeigt an, wie sich Liebe und Weisheit ergreifen und ins ewige Leben übergehen. Also waren wir damals im Zentrum zwischen Liebe und Weisheit; somit konnten wir auch beide Gegenden auf einmal übersehen. Da wir dann wirklich in den Morgen übergegangen sind, so konnten wir auch von selbem die mittägige Gegend endlos weit herum überschauen; warum denn? Weil die Weisheit aus der Liebe hervorgeht, und es verhält sich da geradeso wie bei jemandem, der die Grundursache kennt und darum auch gar sicher die Wirkung dieser Ursache erschauen und erkennen wird. Wer aber nur die Wirkung allein sieht, der kann von dieser aus nicht leichtlich die Ursache erschauen, außer er kann sich auf den Punkt stellen, allda die Ursache in die Wirkung übergeht. Da ihr nun solches sicher einseht, so wollen wir uns denn auch ungehindert hinaus in den äußersten Mittag begeben, allda ihr euch sehr nahe angehende Dinge erschauen sollt.

[1.47.5] Nun seht, wir sind schon am Ort und an rechter Stelle; aber ihr sagt: Lieber Freund, da sehen wir vor uns ja schon wieder ein endlos weit ausgedehntes Meer und am äußersten Horizont erblicken wir zum ersten Mal in dieser geistigen Welt also Wolken, wie wir sie gar oft auf der Erde an schönen reinen Tagen über dem Horizont haben heraufsteigen gesehen. Auch kommt es uns vor, dass hier die Sonne nicht mehr gerade im Zenit steht, sondern sich mehr hinter uns befindet, so dass wir schon einen Schatten vor uns erblicken. Werden wir etwa hier auch müssen über die Meeresfläche wandeln?

[1.47.6] Meine lieben Freunde, was dieses Meer selbst betrifft, so ist es in Verbindung mit demjenigen Meer, auf das wir schon in der abendlichen Gegend gestoßen sind, und dehnt sich auch also fort in der Richtung vom Abend zwischen Mittag und Morgen endlos weit aus. Aber gerade gegenüber, da ihr das Gewölk erblickt, ist es uferbegrenzt, und jenseits gibt es dann wieder eine für eure Begriffe endlos große Landschaft. Diese wird der äußerste Mittag genannt, – und dahin wollen wir uns denn auch begeben.

[1.47.7] Ihr fragt zwar schon wieder, wie wir hier über das Meer kommen werden. Hier werden wir unsere gewöhnliche Schnellreise machen, werden sagen: Hier und dort, und wir werden dort sein, wo wir sein wollen! Und nun seht euch um, wir sind ja schon dort, wo wir sein wollen! Seht, die ganze Meeresfläche ist schon hinter uns, und seht in die Höhe, wir sind schon unter dem weißen Gewölk. Ihr sagt hier freilich: Lieber Freund, das Gewölk leuchtet hier recht herrlich, aber die Sonne ist nicht mehr zu entdecken; wo ist denn diese hingekommen?

[1.47.8] Meine lieben Freunde, die Sonne scheint hier wohl auch; aber ihre Wesenheit wird von den Wolken stets so bedeckt, dass man ihr Licht nur im gebrochenen Zustand, aber die Sonne selbst nur zu seltenen Malen durch das Gewölk erblickt. Ihr fragt: Was ist denn das für eine Gegend; was besagt denn diese?

[1.47.9] Seht, das ist der sogenannte römisch-katholische Himmel, in welchen die meisten frommen Römisch-Katholischen kommen, wenn sie ihrem Glauben liebtätig und gewissenstreu gelebt haben. Also ist dieser Himmel vielmehr ein Probehimmel als ein an und für sich bleibender. Wie aber solches alles sich näher verhält, werden wir im Verfolge der näheren Anschauung dieses Himmels noch gar klärlich erkennen.

[1.47.10] Sendet ihr nur eure Blicke etwas landeinwärts, und ihr werdet sobald die euch wohlbekannten römischen Kirchen und Klöster in großer Menge erschauen. Seht, da nicht fern vor uns steht in einer ebenen Gegend schon eine recht stattliche Kirche; wir wollen da sehen, was in derselben vorgeht. Hört ihr das Glockengeläut? Ihr sagt: Fürwahr, lieber Freund, das klingt ja geradeso, wie wir es zu öfteren Malen auf der Erde vernommen haben. – Nun horcht aber genauer, ihr werdet auch sogar Orgeltöne vernehmen. Ihr fragt, was wohl etwa jetzt in der Kirche gehalten wird.

[1.47.11] Ich sage euch: Wir werden gerade recht zum ersten Segen kommen. Nun seht, wir sind da schon am Eingang der Kirche. Seht ihr den Hochaltar, darauf eine Menge Kerzen brennen? Nun seht auch, wie der Geistliche die Monstranz angreift und auf dieselbe Art wie auf der Erde den vielen Anwesenden den Segen gibt. Da wir somit diesen Segen empfangen haben, so wollen wir auch der Messe beiwohnen.

[1.47.12] Nun seht, es geht die ganze Zeremonie ja gerade so vor sich wie bei euch auf der Erde, und wie ihr seht, geht die ganze Messzeremonie unter der Begleitung der gewöhnlichen Orgelgesänge auch ihrem Ende zu und soeben beginnt auch der zweite Segen. Ihr fragt und sagt: Lieber Freund, was für ein Heiliger wird denn da auf dem Hochaltar verehrt? Wir können nicht ausnehmen, was die Tafel darstellt.

[1.47.13] Gehen wir nur etwas näher; seht, es ist ja recht deutlich und zugleich recht schön gemalt die heilige Dreifaltigkeit. Darin besteht auch der einzige Unterschied, dass hier in diesem Probehimmel am Hochaltar kein anderes Bild vorkommen darf. Die beiden Seitenaltäre aber, wie ihr seht, stellen, und zwar der zur rechten Hand den gekreuzigten Heiland, und der zur linken Hand den hl. Geist in der Gestalt einer Taube dar. Auch auf diesen Seitenaltären darf nichts anderes vorkommen. Denn solches geschieht aus dem Grunde, damit die Hierhergekommenen nicht zu irgendeiner Abgötterei dadurch geleitet werden möchten, dass sie einem sogenannten Heiligen eine gleiche Ehre gäben, wie sie nur Gott gebühre nach ihren Begriffen.

[1.47.14] Aus dem Grunde werden die sogenannten Heiligen samt den Päpsten auch von dieser Gegend allzeit ferngehalten; und wenn auch Päpste schon hier ankommen, so dürfen sie jedoch nicht als solche angesehen werden, sondern als ganz gemeine und ordinäre Priester. Aber ihr sagt: Lieber Freund, wie sieht es denn hernach mit dem sogenannten Himmel aus, in dem die drei göttlichen Personen auf einer lichten Wolke beisammensitzen, und alle die Seligen samt den Engeln ebenfalls auf lichten Wolken um diese Dreieinigkeit herumknieen und sonach Gott von Angesicht zu Angesicht anschauen und anbeten?

[1.47.15] Wartet nur ein wenig, bis dieser Gottesdienst aus ist; sodann werden wir sogleich die förmliche Himmelsbesteigung von Seiten dieser Geister, welche jetzt diesem Gottesdienst beiwohnen, in den Augenschein nehmen. Seht, der Priester verkündigt nun soeben seinen Kirchkindern die nach dem Gottesdienst sogleich bevorstehende Himmelfahrt. Somit machen wir uns auch nur sogleich aus dieser Kirche und warten draußen die Geschichte ab.

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