(Am 24. Januar 1843 von 4 1/4 – 6 1/2 Uhr abends.)
[1.43.1] Wenn ihr euch auf diesem herrlichen Platz so ein wenig umseht, was bemerkt ihr da wohl und zwar was fällt euch vor allem am meisten auf? Ihr sagt: Lieber Freund, es wäre hier freilich wohl gut reden, wenn man nur Worte hätte, um all diese Gegenstände, die sich hier unseren Augen zahllosfältig vorstellen, zu bezeichnen. Allein, wenn man die Worte dazu nicht hat, so bleibt einem nichts anderes übrig, als höchstens mit dem Finger hinzuzeigen auf dasjenige, was einem am meisten auffällt.
[1.43.2] Denn was sich da dem Auge darstellt, kann weder ein Gebäude, noch ein Baum, noch ein Berg an und für sich sein; es ist ein gewisserart zusammengeflossenes Ganzes, aber aus den verschiedenartigsten, in sich eben auch vollkommenen Bestandteilen aller Art. – Ja, ja, ihr könnt einesteils wohl recht haben; wenn ihr aber die Sache ein wenig schärfer anblickt, so dürfte sich die Sache der Gegenstände wohl auch deutlicher darstellen.
[1.43.3] Wir wollen einen kleinen Versuch machen. Was seht ihr da gerade vor uns auf der rechten Seite des Stromes? Ihr sagt: Wir sehen einen sanft kegelförmigen Hügel, welcher zuunterst mit einer Art Ringmauer umfangen ist. Diese Ringmauer sieht aber mehr einem lebendigen Gartenspalier als einer eigentlichen Mauer ähnlich; das Blätterwerk aber scheint dennoch wieder aus einer Art Mauer zu wachsen.
[1.43.4] Die Mauer an und für sich aber ist stellenweise gefärbt durchsichtig, fast nach der Ordnung eines Regenbogens; ihre Höhe möchte kaum eine Klafter betragen. Über der Mauer sind Bögen angebracht wie etwa von Glas; über den Bögen läuft eine Art Rinne wie aus Gold, und in dieser Rinne bewegen sich fortwährend allerlei gefärbte, strahlende Kugeln, eine jede im Durchmesser von etwa zwei Spannen und eine jede von der anderen eine halbe Klafter abstehend. Die letzte Spitze dieses sanft kegelförmigen Hügels ist mit einer Art Tempel geziert. Die Säulen sehen aus wie schlanke Pappelbäume bei uns auf der Erde; das Dach aber sieht dennoch so aus, als wäre es von poliertem Gold und scheint mehr über denselben frei zu schweben als mit selben in irgendeiner Verbindung zu sein. Am Dach zuoberst aber befindet sich wieder eine durchsichtige strahlende Kugel.
[1.43.5] Siehe, lieber Freund, das ist nun dasjenige, was wir zuallernächst hier erblicken, und zwar am rechten Ufer des herrlichen Stromes. Dieses alles aber scheint ein Ganzes auszumachen. Unser Auge hat so etwas nie gesehen wie auch nicht leichtlich je eines Menschen Sinn sich solches vorgestellt. Daher wissen wir auch nicht, was es ist, wozu es ist und was für einen Namen es hat. Es gewährt dem Auge zwar ein außerordentlich merkwürdig prachtvollstes Schauspiel. Das ist aber auch alles, was wir bis jetzt davon Reelles entnehmen können.
[1.43.6] Nun, meine lieben Freunde, ihr habt die Sache gut angesehen, und somit kann ich euch schon sagen, dass solches hier eben auch eine Wohnung der seligeren Geister ist. Ihr sagt zwar: Solches mag wohl sein, aber wir können bis jetzt noch nichts von der Bewohnerschaft eines solch sonderbaren Wohnhauses entnehmen. Ich aber sage euch: Begeben wir uns nur näher an diese sonderbare Wohnung und ihr werdet dergleichen sogleich gewahr werden. Nun seht, wir sind schon knapp an der Mauer, und hier ist auch eine Eingangstür. Begeben wir uns nur sobald durch diese Tür, und wir werden sogleich zu den Bewohnern dieses Gebäudes kommen.
[1.43.7] Wir sind nun innerhalb; seht umher und sagt mir, wie es euch nun vorkommt. Ihr macht große Augen und sagt: Ja, aber was ist denn das schon wieder für eine Fopperei? Wir sind kaum durch die früher geschaute sonderbare Ringmauer gekommen, und siehe, die Ringmauer ist nicht mehr, der Hügel nicht mehr, also auch das sonderbare Tempelgebäude auf demselben nicht mehr, und das ganze Land, so weit nur unsere Augen reichten, sieht nun ganz anders aus als zuvor. Ehedem erblickten wir über die Ebenen eine Menge solch sonderbarer Wohngebäude auf ähnlichen größeren oder kleineren Hügeln; jetzt sehen wir dafür eine große Menge der großartigsten Paläste von wunderbar schönster Bauart, und am Ufer des Stromes, der allein uns noch geblieben ist, sogar bedeutend große Städte. Lieber Freund, was soll’s denn da mit solch einer Metamorphose? Hätten wir denn nicht ebenso gut können die frühere, von außen her erschaute sonderbare Wohnung auch von innen aus als solche erschauen?
[1.43.8] Ja, meine lieben Freunde, nach irdischem Maßstab wäre solches freilich wohl naturmäßig richtig zu nehmen; aber nach dem geistigen Maßstab geht solches durchgehends nicht an. Ihr sagt zwar: Hat denn der Geist seine Augen nicht, zu schauen die Dinge, wie sie sind? Warum muss er denn ein Ding nur von einer Seite erschauen, wie es ist, und will er eben dasselbe Ding auch von der anderen Seite beschauen, so ist es für ihn verschwunden und so gut als gar nicht mehr da?
[1.43.9] Ja, ja, meine Lieben, wenn ihr auf der Erde mit den fleischlichen Augen einen Gegenstand betrachtet, so wird derselbe Gegenstand wohl auch stätig bleiben und sich nicht verändern, und ihr werdet ihn als solchen seiner äußeren Verfassung nach immer erkennen. Ich setze aber den Fall, es genügte einem oder dem anderen nicht nur die stets gleiche äußere Formbeschauung, sondern er möchte die Wesenheit des ganzen Gegenstandes kennenlernen, und zwar zuerst auf dem mechanischen Teilungsweg. Und hat er den Gegenstand in hinreichend viele Teile geteilt und dieselben einzeln besichtigt, so wird er fürs Zweite noch zu der Chemie seine Zuflucht nehmen und den ganzen geteilten Gegenstand in allerlei Ursubstanzen auflösen und bekommt hernach anstatt des früheren formellen Gegenstandes lauter Grundstoffe, aus denen der frühere Gegenstand in seiner Form bestanden ist.
[1.43.10] Könnte ich euch nun nicht auch fragen: Warum lässt sich denn bei solch einer chemischen Untersuchung die frühere Form des untersuchten Gegenstandes nicht mehr erschauen? Ihr sagt: Lieber Freund, das ist ja ganz natürlich, denn durch die Teilauflösung des Gegenstandes musste ja doch notwendig die frühere grobe Außenform verlorengehen. – Gut, sage ich, was war aber die Veranlassung oder die Ursache, dass die früheren, eine ganz bestimmte Form bildenden Teile also mussten aufgelöst werden? Ihr zuckt mit den Achseln und seid um eine gültige Antwort verlegen. Nun gut, so will ich euch denn eine Antwort darauf geben. Die Ursache war Geist, der da tiefer eindringen wollte in das Inwendigere der Materie. Er hat die Wege betreten, ist in das Inwendige der Materie gedrungen; dadurch aber ist doch offenbar die erst angeschaute Form wie gänzlich aus dem Dasein verschwunden.
[1.43.11] Nun seht, was auf der Erde noch immer mehr mechanisch vorgenommen wird zum sättigenden Bedürfnis des Geistes, das stellt sich hier im Geiste in der schönsten, harmonischen Wirklichkeit dar. Denn wenn ihr hier in irgendein Ding, das ihr ehedem von außen geschaut habt, eingeht, so will das so viel sagen als: ihr geht in die innere Bedeutung und sonach auch gänzliche Zerlegung und Auflösung desselben ein, oder ihr geht dem geschauten Ding auf seinen Grund. Darum mag man denn auch hier von innen aus nicht mehr die von außen her geschaute Form entdecken, sondern die innere, dieser äußeren Form noch tiefer geistig entsprechende Bedeutung.
[1.43.12] Damit ihr aber solches noch deutlicher erschaut, so will ich euch die früher von außen her erschaute Form mit dem nun inwendig Erschauten entsprechend erklären. Der Strom bedeutet hier durchgehends und somit allzeit sichtbar das geistige Leben für sich genommen, wie dieses ist bestehend aus der Liebe und Weisheit oder, was identisch ist, aus dem Glaubenswahren und Liebeguten. Der zuerst erschaute Hügel am rechten Ufer dieses Stromes bezeichnet an und für sich das Emporstreben der Weisheit; die sanfte Erhöhung bezeichnet, dass die Weisheit der Liebe entstammt. Die den Hügel einschließende Ringmauer bezeichnet, dass sich die Weisheit noch immer innerhalb einer gewissen Form bewegt. Weil aber die Ringmauer vollkommen rund um den Hügel geht, so bezeichnet solches, dass die Weisheitsform durch die Liebe gesänftet ist. Solches besagen auch die aus der Mauer hervorwachsenden Blätter, dass der Weisheitskreis mit Leben durchweht ist, welches ebenfalls die Liebe ist. Dass diese Mauer hier und da farbig durchsichtig ist, solches bezeichnet die Einung der Liebe mit der Weisheit. Die Bögen über dieser Ringmauer bezeichnen die Ordnung der Weisheit, wenn sie mit der Liebe vereinigt ist. Die fortlaufende Rinne über den Bögen bedeutet ein offenes Aufnahmegefäß, welches ist ein Weg des Lichtes. Die in dieser Rinne fortrollenden strahlenden Kugeln bezeichnen das wirkliche Leben, welches aus der Weisheit hervorgeht, wenn diese mit der Liebe vereinigt ist.
[1.43.13] Der Tempel auf dem Hügel, dessen Säulen gleich sind lebendigen Pappelbäumen, über welchen ein goldenes Dach, zuoberst mit einer Strahlenkugel versehen, sich schwebend befindet, bezeugt, dass solche Weisheit mit der Liebe zum Herrn belebt ist; daher die lebendigen Säulen. Das schwebende Dach aus Gold bezeichnet den Reichtum der göttlichen Gnade aus solcher Liebe heraus; die Strahlenkugel über dem Dach bezeichnet dann die lebendige hohe Weisheit in den göttlichen Dingen. Seht, das ist einmal unser Bild.
[1.43.14] Wenn wir nun in dasselbe hineingehen, so hat es mit demselben auch ein Ende; aber an dessen Stelle erschaut ihr dann die dargestellte erhabene Wirklichkeit, welche in solcher Sphäre hervorgeht aus der mit Liebe zum Herrn verbundenen Weisheit. Alle diese Paläste, Gebäude und Städte entsprechen dann ihrer Zweckdienlichkeit nach dem Liebeguten und die herrliche Form allerorts der strahlenden Weisheit.
[1.43.15] Also hätten wir uns dieses Wichtige wieder eigen gemacht und können uns daher auch in dieser Gegend fürbass bewegen und die Herrlichkeiten durchmustern, jedoch werden wir uns nirgends in ein solches Gebäude hineinbegeben. Denn im Inwendigen eines solchen Gebäudes würdet ihr wieder ganz andere Dinge erschauen, und es würde da dann vieles zu erörtern und zu besprechen geben, und wir würden am Ende wirklich zu keinem Ende gelangen. Werdet ihr aber einmal selbst reiner geistig und im ganz geistigen Zustand sein, so werdet ihr die endlosen Verschiedenheiten und Wundermannigfaltigkeiten ja ohnehin ewig hin zu beschauen und zu betrachten bekommen. Unsere Sache aber ist nur, hier durchzuschauen, wie alles Geistige sich artet. Und so denn könnt ihr nun euren Augen den freien Lauf geben und nach allen Seiten herum die großen Wunderherrlichkeiten zur Genüge betrachten, und wir wollen fürs nächste Mal dann all das Geschaute reassumieren und uns sodann wieder weiterbegeben. Und somit gut für heute!
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