(Am 7. Januar 1843 von 4 – 7 3/4 Uhr abends.)
[1.32.1] Seht, die Gesellschaft wird dieser zwei Boten auch schon ansichtig. Unser Hauptredner geht ihnen, wie ihr seht, freundlich entgegen, um sie ebenso freundlich aufzunehmen. Wie ihr es beinahe selbst hören könnt, so spricht er zu ihnen:
[1.32.2] Seid mir und uns allen tausendmal willkommen! Ich kenne euch zwar nicht; so viel aber sehe ich, dass ihr, gleich uns, ein Paar Menschen und sicher entweder erst soeben von der Erde hier angekommen seid, oder ihr müsst irgendwo einen besseren Weideplatz gefunden haben als wir, indem ihr ums Unvergleichliche besser ausschaut als ich mit dieser meiner lieben Gesellschaft zusammengenommen. Seid ihr erst von der Erde angekommen, so mache ich euch sogleich darauf aufmerksam, dass auf der Erde die sogenannten Robinsone ums Unvergleichliche besser daran sind als wir; denn für diese Behauptung braucht ihr keinen anderen Beweis, als uns bloß vom Kopf bis zum Fuß anzublicken, und unser unmenschlich gutes Aussehen wird euch auf diesen ersten Augenblick selbst in dieser noch sehr bedeutenden Finsternis überaus hell und klar dartun, um welche Zeit es hier mit dem Wohlleben ist. Dabei aber kann ich euch doch versichern, dass es hier durchaus keine Krankheiten gibt; denn was sollte bei unsereinem auch krank werden? Wir können höchstens nur jenen Krankheiten unterliegen, denen allenfalls die Steine unterliegen. Denn wenn man so gänzlich beinahe aller Lebenssäfte flott wird, so bin ich der Meinung, wird man auch aller Krankheiten flott. Das einzige Übel, welches einen wenigstens im Anfang heimzusuchen anfängt, ist der Hunger, also ein Magenübel. Wie aber gewöhnlich eben dieser Hunger der beste Koch ist, so gibt es dann für ihn auch bald eine Kost, bei welcher er erst seine außerordentliche Probe stellen kann. Seht, da zu unseren Füßen über dem Sand ist so ein kleiner Probierstein für unseren Magen zu erblicken. Es ist Moos; man könnte sagen, echtes isländisches und sibirisches Moos. Die sparsamen Tautropfen, welche da zwischen den Blättchen sitzen, sind dazu das einzige durstlöschende Mittel, das sich in dieser ungeheuren Sandwüste ausfindig machen lässt. Macht euch daher nichts daraus, wenn dieses Verhältnis auch etwa ewig dauern sollte, denn Geduld und Gewohnheit macht einem am Ende alles erträglich. Uns alle wird es sehr freuen, wenn ihr mit euren etwas phosphoreszierenden Gewändern bei uns verbleiben wollt; denn ich kann euch versichern, an alles kann man sich eher gewöhnen als an diese Finsternis. Und somit könnt ihr es euch wohl vorstellen, dass uns allen euer phosphorischer Schimmer wie eine Sonne vorkommt! Nun aber, meine lieben Freunde, möchtet ihr mir denn nicht auch gefälligst kundgeben einen Grund, der euch von der Erde hierher versetzt hat, oder, so ihr von einer besseren Trift kommt, mir auch kundgeben, was euch veranlasst hat, dieselbe zu verlassen und euch hierher zu begeben?
[1.32.3] Der eine spricht: Armer Freund, du irrst dich an uns sehr; denn wir sind weder von der Erde noch von irgendeiner besseren Trift dieser Gegend zu euch gekommen, sondern wir kommen vom Herrn, der da Christus heißt, und den du nur als einen kreuzehrlichen Mann betrachtest, da Er doch der alleinige Herr Himmels und der Erde ist, – zu euch gesandt, um euch zu zeigen, was des Grundes es sei, demzufolge ihr schon so lange gänzlich unbehilflich in dieser Gegend herumirrt.
[1.32.4] Wenn ihr euch fragt: Wie haben wir auf der Erde gelebt, so wird eure helle und klare Erinnerung sagen: Wir alle zusammen haben allzeit ehrlich und redlich gehandelt und gelebt. Fragt euch aber hinzu: Warum haben wir so gelebt und gehandelt? So werdet ihr ebenfalls nichts anderes herausbringen können als: Wir haben hauptsächlich nur zu unserm Besten gelebt. Weltliche Ehre, weltliches Lob und das darauf begründete Ansehen vor anderen Menschen waren der Hauptbeweggrund aller unserer Edeltaten. Wir waren stets getreue Staats- und Kirchenbürger; warum denn? Etwa aus Liebe zu Gott? Wie könnte solches sein, da wir Gott doch nicht im Geringsten kannten und somit auch gar nicht wussten, was da wäre Sein heiliger Wille, sondern unsere getreue Staats- und Kirchenbürgerschaft gründete sich nur vorerst darauf, dass wir eben dadurch gar leichtlich uns vieler Vorteile vor anderen bemächtigen konnten, die von Seiten des Staates und der Kirche nicht in dem günstigen Ansehen standen als wir. Und ferner hatte diese getreue Staats- und Kirchenbürgerschaft in gewisserart blindgeistiger Hinsicht den Grund, dass wir uns dachten: Gibt es jenseits nach der Lehre der Pfaffen und noch anderer Unsterblichkeitsritter irgendein Leben nach dem Tod, so können wir bei einer solchen Handlungsweise offenbar nicht zugrunde gehen. Und gibt es kein solches Leben, so wird sich unser Tatenruhm wenigstens auf der Erde in unseren Kindern und Kindeskindern gleichsam unsterblich fortpflanzen, und man wird vielleicht noch in hundert und hundert Jahren von uns sprechen und sagen: Das waren Männer und das waren Zeiten, in denen solche Männer gelebt haben!
[1.32.5] Seht, solches muss euch auch, wie gesagt, euer Inneres sagen; sonach seid ihr ja offenbar ohne alle innere Vorstellung aus dem Leibesleben in dieses geistige Leben übergegangen und wusstet nicht im Geringsten, was fürs Erste zum geistigen Leben erforderlich, und noch weniger, wie dieses beschaffen ist und worin es besteht. Was war demnach natürlicher, als dass ihr in diesem geistigen Leben nichts anderes antreffen konntet als das nur, was ihr vom Leibesleben hierher mitgebracht habt, nämlich eine höchst klägliche, magere Gestalt eurer Wesenheit und die vollkommenste Finsternis in dem Leben des Geistes. Mit anderen Worten gesagt: Ihr kamt nahe geradeso hierher, als bei der naturmäßigen Zeugung des Menschen ein Embryo kommt in den Mutterleib, allda auch allenthalben vollkommene Finsternis herrscht. Der Embryo ernährt sich gewisserart nur vom Unrat des Blutes der Mutter, bis er bei solcher freilich wohl äußerst mageren und unschmackhaften Kost zu jener Naturkraft gelangt, sich aus diesem finsteren Werdungsort zu entfernen. Also habt ihr euch hier gewisserart in einem Mutterleib befunden und habt euch müssen von dem stets gleichmäßigen Unflat desselben nähren.
[1.32.6] Da aber in euch noch ein lebendiger Funke zum ewigen Leben sich vorfand, nämlich die kleine Liebe und Hochachtung Christi, so hat dieser Funke euch geistige Embryonen ausgezeitigt zu einer Ausgeburt aus dieser eurer eigenen finsteren Sphäre. Und es soll euch werden, was du am Schluss deiner Rede zu deiner Gesellschaft gesprochen hast, da du sagtest: Wenn uns mit Christus nirgends ein Licht wird, so können wir versichert sein, dass diese Finsternis uns zum ewigen Eigentum verbleiben wird.
[1.32.7] Also ist euch auch in Christo Licht geworden; und so sollt ihr denn auch das erfahren, was der Herr zu einem Seiner Jünger gesagt hat, dass da niemand das ewige Leben und somit das Reich Gottes überkommen könne, wer da nicht wiedergeboren wird. Zur Nachtzeit sprach solches der Herr zu Seinem Jünger, um ihm dadurch anzuzeigen, dass sich ein jeder unwiedergeborene Geist in der Nacht befindet gleich dem Embryo im Mutterleib und dass der Herr auch in der Nacht zu dem unwiedergeborenen Geist kommt, um ihn wiederzugebären aus dieser Nacht in das Licht des ewigen Lebens.
[1.32.8] Da nun für euch zufolge eurer erwachten, wenn schon geringen Liebe zum Herrn diese Zeit der neuen Ausgeburt herangekommen ist, so sind wir hierher gesandt worden, um euch zu führen aus dieser eurer geistigen Geburtsstätte und euch zu bringen an eine solche Stelle, da ihr unter eine Wartung gleich den Kindern kommen werdet, wodurch ihr euch wieder werdet neue Lebenskräfte sammeln können, um mit diesen Kräften, je nachdem sie mehr oder weniger ausgebildet sein werden, zu gelangen in eine solche Sphäre, die euren Kräften vom Herrn aus bestens angemessen sein wird.
[1.32.9] Denkt aber ja nie an irgendeinen Himmel als einen Belohnungsort für die guten Werke, die der Mensch auf der Erde vollzogen hat; sondern denkt, dass dieser Himmel in nichts anderem besteht als in eurer eigenen Liebe zum Herrn!
[1.32.10] Je mehr ihr den Herrn mit Liebe erfassen werdet, und je demütiger ihr sein werdet vor Ihm und vor all euren Brüdern, desto mehr des wahren Himmels werdet ihr auch in euch tragen; und so denn sammelt euch und folgt uns!
[1.32.11] Nun seht, wie diese ganze Gesellschaft sich erfreut und nun diesen zwei Boten folgt.
[1.32.12] Ihr fragt, wohin sie diese Gesellschaft doch etwa führen werden? Kehrt euch nur um und seht dort, freilich wohl in schon bedeutender Ferne hinter uns, die euch schon bekannte geöffnete hohe Wand; merkt ihr nichts? Hat das nicht beinahe das Aussehen, als wenn sich bei der Geburt eines Kindes die Mutterscheide öffnet?
[1.32.13] Ihr sagt: Solches verstehen wir nun wahrhaftig wie durch einen Zauberschlag wunderbar entsprechend! Aber wenn diese Gesellschaft über diese Kluft hinaus wird gelangen, wohin kommt sie dann? – Wohin kommt das Kind gleich nach der Geburt? Ihr sagt: In leichte Windeln und dann in eine Wiege; also in noch immer sehr beschränkte Lebensverhältnisse. Habt ihr doch gesehen die vielen Täler links und rechts, als wir uns auf der anderen Seite vom Morgen her dieser Wand näherten. Seht, das sind die Windeln und das ist die Wiege. Also in diese Täler werden diese Menschen gestellt. In diesen Tälern geht es ungefähr so zu, wie ihr gleich anfangs links und rechts ein paar solcher Täler habt kennengelernt.
[1.32.14] Denn wie es bei einem neugeborenen Kind ist, dass es nicht von heute bis auf morgen schon zu einem Mann wird, so geht es auch bei einem neugeborenen Geist, besonders im Reich der Geister, nur langsam vorwärts. Nun wisst ihr auch ganz eigentlich, in welcher Gegend ihr euch befindet; daher darf es euch auch nicht wundernehmen, wenn ihr hier so wenig oder beinahe gar keine höheren Lehrer unter den vielen hier Wandelnden erschaut; denn solche wären ja hier ebenso fruchtlos, als auf der Erde jemand schon möchte einem Kind im Mutterleib irgendeinen Unterricht erteilen.
[1.32.15] Wann aber bei einem Kind die Zeit des Unterrichtes als tauglich kommt, wisst ihr ohnehin; darum sind diese Boten hier auch nicht als Lehrer, sondern als wahrhafte geistige Geburtshelfer zu betrachten. Da wir nun solches wissen, so können wir uns schon wieder ein wenig weiter vorwärtsbewegen, allda sich uns wieder eine ganz neue Szene darbieten wird; und somit gut für heute!
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