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29. Die hänselnde Frage des Oberpriesters und die abweisende Antwort des Jesusknaben. Erklärung von Jesaja 54,4-9. Die dummen Reden des Barnabe und dessen Zurechtweisung durch den Jesusknaben

[29.1] Sagte nun einmal wieder der Oberpriester darauf: „Sage mir denn nun, du Halbgott und Halbmensch von einem Knaben aus Galiläa, wohin wirst denn du ziehen, dass wir dich hinfür lange nicht mehr zu sehen bekommen sollen? Ich aber meine, indem du ein Nazaräer und zwar ein Sohn des mir nur zu wohlbekannten Zimmermanns Joseph und dessen Weibes Maria bist, und ich oder jemand von uns jährlich sicher ein, zwei, auch drei Mal jene galiläischen Orte besuchen werden, so solle es denn etwa ja doch nicht so besonders schwer werden, dich dort als sicher eine sehr bekannte Persönlichkeit zu Gesicht zu bekommen und sich mit dir weiter über eine Reorganisation des Tempels zu besprechen?! Was meinst du, junger Prophet aus Galiläa, in dieser Hinsicht?“

[29.2] Sagte Ich: „So dein Herz auch bei deinen Mich nur hänseln wollenden Worten dabeigewesen wäre, so hätte Ich dir allerdings noch eine Antwort gegeben; aber so bist du keiner anderen wert als der allein, die du nun erhalten hast.

[29.3] Du kannst ein- oder tausendmal nach Nazareth kommen, so wirst du Mich doch nie wieder zu sehen und noch weniger zu reden bekommen. Denn wann du kommen wirst, werde Ich es schon lange voraus wissen, wo aber dann Ich hinziehen werde unterdessen, das wirst du nicht wissen und keiner deiner Templer!

[29.4] Ich sage es dir, dass es ein sehr Schweres ist, den zu suchen und zu finden, der allwissend ist! Ja, wann die Zeit der Zulassung kommen wird von dem Geist, der in Mir ist, dann werdet ihr Mich wiederfinden! Oder ihr alle befolgt Meinen Rat, dann werde Ich auf Mich nicht lange warten lassen und selbst kommen zu euch; aber sonst nur dann, wie Ich schon bemerkt habe.“

[29.5] Auf diese Meine Äußerung sagte der Oberpriester nichts mehr, denn es ärgerte ihn heimlich sehr, dass Ich ihm als Stellvertreter des Hohenpriesters gar keine Achtung zollte. Aber die anderen sahen das gerade nicht ungerne, weil er für sie ein starker Haustyrann war.

[29.6] Hierauf trat wieder einmal Barnabe zu Mir und sagte: „Sage mir, du weisester Knabe, wie verstehst du denn folgende Texte des 54. Kapitels des Propheten Jesajas? Sie besagen den Trost auf Zion und lauten:

[29.7] ‚Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zuschanden werden; werde nicht blöde, denn du sollst nicht zum Spott werden, sondern du wirst der Schande deiner Jungfrauschaft vergessen und der Schmach deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken,

[29.8] denn der dich gemacht, ist dein Mann, Herr Zebaoth ist Sein Name, und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der aller Welt Gott genannt wird.

[29.9] Denn der Herr hat dich lassen im Geschrei sein, dass du seist wie ein verlassenes Weib, das verstoßen ist, spricht dein Gott.

[29.10] Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen; aber mit großer Barmherzigkeit will Ich dich sammeln.

[29.11] Ich habe Mein Angesicht im Augenblick des Zornes ein wenig vor dir verborgen; aber mit ewiger Gnade will Ich Mich deiner erbarmen, spricht der Herr dein Erlöser.

[29.12] Denn solches soll mir sein wie das Wasser Noahs, da Ich schwur, dass die Wasser Noahs nicht mehr sollten über den Erdboden gehen. Also habe Ich denn auch geschworen, dass Ich nicht über dich zürnen, noch dich schelten will.‘

[29.13] Siehe, diese sehr gewichtigen Verse Jesajas scheinen mir trotz deiner Drohungen für Jerusalem und für den Tempel wieder sehr günstig und trostvoll zu lauten! Kannst du diese Texte auch auf dich beziehen, dann wollen wir dir ganz glauben, dass du vollernstlich der verheißene Messias bist, und der ganze Tempel wird niedergerissen und auf dem reinen Berg Libanon ein neuer erbaut werden für alle Zeiten der Zeiten!“

[29.14] Sagte Ich: „Was bis jetzt von Mir geschrieben stand, das war auch möglich, es euch begreiflich zu machen; was aber Mich betrifft und Mein Wirken von nun an weiter hinaus, das wird euch schwerst und schon eigentlich gar nicht begreiflich zu machen sein!

[29.15] Denn diejenige ‚Jungfrau‘, die sich nicht fürchten soll, zuschanden zu werden, sondern die der Schande der Jungfrauschaft nicht mehr gedenken soll und vergessen der Schmach der Witwenschaft, ist ja nicht etwa Jerusalem und sein Tempel, denn wahrlich, da passten die bildlich entsprechenden Bezeichnungen ‚Jungfrau‘ sowenig wie die ‚Witwe‘ schon ewig nimmer!

[29.16] Die ‚Jungfrau‘, von der da die Rede ist, die wird von Mir erst gemacht werden; es wird dies sein Meine neue Lehre an die Menschen aus den Himmeln, und sie wird darum eine ‚Jungfrau‘ genannt, weil zuvor noch nicht irgendeine selbstsüchtige und hurerisch freche Priesterschaft sie missbraucht hatte zu ihren schnöden weltlichen Zwecken.

[29.17] Diese Meine künftige Lehre wird aber auch auf eine kurze Zeit Witwe genannt, weil Ich ihr da genommen werde durch euren Zorn und durch eure Rache, aber nur durch die Zulassung dessen, der in Mir ist und nirgends außer Mir. Dieser Jungfrau und Witwe Mann aber werde eben auch Ich sein, weil sie von Mir gemacht wird! Wer aber eben der Mann ist, der die Jungfrau und die Witwe gemacht, das lest nur im Propheten, wie auch die ihr gemachten Verheißungen; denn Ich bin der Mann, und die Verheißungen gehen nur die geheimnisvolle Jungfrau an.

[29.18] Es werden viel später auch Zeiten, wie sie Daniel beschrieben hat, kommen, in denen auch mit dieser reinsten Lehre großer Missbrauch getrieben wird, aber mit der Jungfrau selbst nimmer, sondern mit den Kindern und Kindestöchtern der reinen Jungfrau und kurzsichtigen Witwe. Natürlich, die werden keine Teilhaber Meiner Verheißungen werden, allein wohl aber die gewisse ‚Jungfrau‘, entsprossen aus Meinem Munde, und ihre vielen reinen Kinder!

[29.19] Siehe, so wird die Sache ausfallen und sich verhalten und ewig nimmer anders werden! Denn mit euch und eurem Tempel werde Ich hinfort ewig in gar keiner Gemeinschaft mehr stehen. Ich kam zu euch wohl, um euch zu erretten; ihr habt Mich nicht erkannt und aufgenommen. Für fernerhin werdet ihr zu Mir kommen, wann euch der böse Schuh zu drücken anfangen wird, dann werde Ich euch nimmer erkennen und nimmer aufnehmen! Habt ihr Mich wohl verstanden?“

[29.20] Sagte Barnabe: „Wahrlich, um dich mit leichtem Gemüt zu vertragen, gehört sehr viel Geduld dazu; denn du wirst stets dichter und eigentlich gröber! Aber sei ihm nun schon, wie ihm wolle, wir werden diese Sache denn doch noch ein wenig abwarten! Die Sache kommt mir immer so vor mit dir wie mit einem Blitz, der bei seinem Entstehen plötzlich ein mörderisch starkes Licht erzeugt und durch seinen ihn stets begleitenden Donner die Erde sogar erbeben macht; aber es ist dann gleich gar mit ihm, und nach ihm wird es finsterer als es früher war.

[29.21] Weißt du, du bist in deiner Art offenbar ein Phänomen, das seinesgleichen sucht, und du hast uns bei all deinem Trotztum dennoch recht viel Vergnügen gemacht! Deine Talente, Junge, wären zu brauchen, aber du solltest da in eine ganz andere und freiere Erziehung kommen und mit deinen wahrlich großartigen und nie dagewesenen Eigenschaften ein bisschen mehr Humanität vereinen, so wärst du für späterhin ein Mensch in der Welt, wie es noch kaum je einen zweiten gegeben hatte. Aber mit solcher deiner stets gleichen Schroffheit wirst du unter den Menschen auf der Welt dir sehr wenig Freunde machen. Wenn du in deiner sonderbaren Naturmacht noch zunimmst und du keinen Feind zwar zu fürchten hast, so wirst du wohl von jedermann gefürchtet, aber nie geliebt und geachtet werden. Mir aber ist es lieber, von allen Menschen geliebt als gefürchtet zu werden! Welcher Meinung bist da du selbst oder jemand anderer?“

[29.22] Sagte Ich: „O ja, du hättest ganz recht, so alle Menschen rein und gut wären! Aber da es ganz verschiedenartige Menschen auf der Erde gibt, davon einige gut und viele andere schlecht, meineidig und böse sind, da wäre es wahrlich eine sehr schwere Aufgabe für einen Gerechten und Wahrhaftigen, sich also zu stellen, um von allen gleich geliebt zu werden! Man müsste mit dem Bösen böse und mit dem Guten wiederum gut sein, und siehe, das ist ebenso wenig möglich, als eine Art Licht sein, das zugleich die größte Helle und auf demselben Fleck aber auch die allerdickste Finsternis verbreitet.

[29.23] Ich sage es dir: Die wahren Freunde aus Gott, die werden Mich schon lieben, und das über alle die Maßen; aber Menschen, die die göttlichen Gesetze und Wahrheiten mit Füßen treten und leben, als gäbe es gar keinen Gott mehr, die sollen Mich immerhin fürchten! Denn dergleichen Menschen und weltsüchtige Gottesleugner sollen Mich dann kennenlernen, dass Ich durchaus keinen Scherz verstehe und jedem vergelte nach seinen Werken! Denn Ich allein habe die ewig allervollkommenste Macht dazu.“

[29.24] Sagte Barnabe lächelnd: „Aber Knabe, was sprichst du von ‚ewig‘ und zählst noch kaum zwölf Jahre!? Wohin versteigt sich dein Messiaseifer?! Bleibe schön bei der Natürlichkeit, und wir werden dich recht gerne anhören!“

[29.25] Sagte Ich: „Gehe, du wirst Mir nun schon widrig! Meine Ich denn etwa damit diesen Leib, der freilich erst zwölf Jahre auf dieser Erde besteht?! Habe Ich denn euch allen nicht schon gestern von der Ewigkeit desjenigen Geistes eine hinreichende Erklärung gegeben, der in Mir ist und wirkt? Was wirfst du Mir da Meinen sich versteigenden Messiaseifer vor?! Verstehe etwas zuvor, dann erst sehe, ob du mit Mir Reden führen magst, und das offenbar über Dinge, die dir noch ferner und unbekannter sind als der entfernteste Pol der Erde!“

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