Hier ist Dein Kapitel

5. Der Allerleibaum, der Feuerbaum und der Ölstrauch. Leibesgröße und Grundbesitz der Saturnusmenschen

[5.1] Ahaharke, so heißt der Baum, den wir als Nummer neun aufführen wollen. Auf Deutsch oder vielmehr nach eurer euch eigentümlichen Erbsprache übersetzt oder verdolmetscht würde dieser Baum sehr schwer zu benennen sein, dieweil auf der ganzen Erde nicht ein Ähnliches sich leichtlich vorfindet, damit danach für diesen Baum möchte ein passender Name zusammengesetzt werden. Am besten noch würde man ihn also bestimmen, wenn man ihm den Namen Allerlei-Baum gäbe.

[5.2] Dieser Baum wächst (zu einem) von der Erde ungefähr sechzehn Klafter im Umfang habenden Fundamental-Stamm. Nun aber breiten sich von da eine Menge nach allen Richtungen auslaufender Äste aus, von denen die längsten bei zehn Klafter weit vom Stamm hinausziehen. Von der Stelle, von da die Äste sich hier ausbreiten, erheben sich regelmäßig drei Stämme kerzengerade in die Höhe, welche Höhe nicht selten zwölf, dreizehn, vierzehn bis fünfzehn Klafter erreicht. Am Ende dieser Stämme breiten sich wieder nach allen Richtungen verhältnismäßig Äste und Zweige aus. Unter den vielen Ästen und Zweigen, welche von jeglichem dieser drei Stämme auslaufen, erheben sich von jeglichem wieder drei neue bis zu einer Höhe von zehn Klaftern, allda sie dann wieder sich in eine Menge Äste und Zweige im guten Verhältnis verteilen. Über diese dritte Krone erheben sich nun wieder gerade in die Höhe schießende Zweige, welche zuoberst sich in verhältnismäßig kleinere Äste und Zweige ausbreiten, und so macht dieser Baum, wenn er vollkommen ausgewachsen ist, auch sieben bis zehn solche Absätze, und zwar immer in der Ordnung, dass aus einem früheren Stamm immer drei neue in die Höhe gehen und ein solcher Baum dann in seiner letzten Abstufung einen förmlichen Wald von Bäumen darstellt.

[5.3] Jetzt, warum heißt denn dieser Baum, euch zum Verständnis, ein Allerleibaum? Die Ursache ist sehr leicht anzugeben, aber eben auch nicht so leicht zu begreifen. Denn jede Abstufung bringt andere Früchte zum Vorschein und natürlich somit auch anderes Laub und andere Blüten. Und was eigentlich aber das Merkwürdige und für euch zugleich Unglaublichste bei diesem Baum ist, dass dieser Baum nur in zehn Jahren wieder dieselben Früchte zum Vorschein bringt. Denn von einem Jahr zum anderen wechselt er beständig, und zwar so, dass von einem Jahr bis zum nächstfolgenden niemand schließen kann, welche Früchte er zum Vorschein bringen wird. Und wie aber die Früchte verschieden sind, so steht es auch mit dem Laub und mit der Blüte, und wenn mehrere solcher Bäume vorhanden sind, so gleicht keine Frucht der nächststehenden. Damit aber die Bewohner dessen ungeachtet im beständigen Besitz aller Produkte dieses Baumes sind, so pflanzen sie diesen Baum immer so zehnfach an, dass sie in jedem Jahr einen neuen setzen. Und wer da zehn solcher Bäume auf seinem Grund hat, der hat alle Produkte des Baumes. Denn ein jeder Baum trägt dann andere Früchte und wechselt so fort bis ins zehnte Jahr, und im elften erst kommt er wieder in seine frühere Ordnung.

[5.4] Da aber ein jeder Baum ein Jahr von dem anderen verschieden ist, so geschieht es, dass der erste Baum im zweiten Jahr zwar ganz neue Früchte bringt, aber der ihm nachfolgende bringt dieselben zum Vorschein, welche der erste Baum im ersten Jahr [brachte], und wenn der erste Baum im dritten Jahr wieder neue Früchte zum Vorschein bringt, so bringt der zweite Baum im dritten Jahre dieselben Früchte zum Vorschein, welche der erste Baum im zweiten Jahr brachte, und der dritte Baum aber bringt dieselben Früchte, welche der erste Baum im ersten und der zweite Baum im zweiten Jahre trug, zum Vorschein. Und so geht diese Ordnung immer fort und fort. Stirbt irgendein solcher Baum inzwischen aus, da werden über die Quere an die Stelle des einen, oder vielmehr für den einen, zehn andere gesetzt, damit da nie eine Frucht mehrere Jahre gänzlich ausbleibe. Was aber die Früchte dieses Baumes anbelangt, so sind sie so geordnet, dass die größten und schwersten natürlicherweise immer in der untersten Abteilung zum Vorschein kommen und so nach und nach immer kleinere und leichtere.

[5.5] Die Art und Weise, wie die Frucht dieses Baumes im Gesamtumfang beschaffen ist und wie sie von den dortigen Bewohnern gebraucht wird, kann hier aus dem Grund nicht ganz umständlich mitgeteilt werden, weil eine umständliche Mitteilung alles dessen ihr auf hundert Bogen nicht niederschreiben möchtet. Nur im Allgemeinen sei euch so viel darüber gesagt, dass dieser Baum gewisserart ein Repräsentant aller jener Baumfrüchte auf eurer Erde im edelsten Sinne ist, welche bei euch in eurem gemäßigten Klima vorkommen und in ihrer Mitte entweder einen oder mehrere wohlausgebildete Kerne besitzen. So wäre z. B. die unterste Stufe jene aller Äpfel in einem Jahr, im anderen aller Birnen, im dritten aller Pflaumen, im vierten aller Pfirsiche, im fünften aller Aprikosen und so fort. Was die anderen, höheren Stufen betrifft, so bringen diese ebenfalls ähnliche Früchte hervor, aber alles in einem viel veredelteren Maßstab, und auch unter einer ganz anderen Form und unter einem auch ganz feineren und besseren Geschmack, so dass die Früchte in der höchsten Etage eigentlich schon ganz ätherischer Art sind; daher auch ihre Gestalt und ihr Geschmack von einer unteren so ganz verschieden, als wie verschieden bei euch eine wohlreife Weintraube ist gegen einen gröberen Apfel, und im Geschmack aber also sich unterscheidet von einer unteren Frucht, wie sich unterscheidet der edelste Wein von dem neuen ungegorenen Saft, der da gepresst wird aus halbreifen Äpfeln.

[5.6] Seht, so geht das fort und fort. Und so ihr eure Phantasie ein wenig erweckt, so mögt ihr euch das wohl ziemlich ergänzen, was hier der Zeit wegen nur berührt, aber nicht erschöpfend dargestellt werden kann. Und somit wollen wir von diesem Baum nur noch das sagen, dass seine Früchte von den Bewohnern dieses Planeten auch genossen werden, und zwar die von den höheren Stufen zumeist, während die untersten häufig zur Fütterung ihrer Haustiere verwendet werden. Es versteht sich aber von selbst, dass die Früchte alldort ums Zehnfache größer sind als die ähnlichen bei euch. Dieses Baumes Rinde gleicht am meisten der eines Apfelbaumes bei euch und ist ebenfalls rifflig. Nur die Farbe der Rinde ist nicht grau wie bei euch, sondern dunkelrot und in jeder höheren Stammabstufung lichter.

[5.7] Und somit wollen wir uns von diesem Baum zu unserer letzten Ordnung wenden und allda gewisserart den merkwürdigsten Baum dieses Landes in den Augenschein nehmen.

[5.8] Dieser Baum wird alldort Fehura genannt, was nach eurer Sprache so viel besagt als ein Feuerbaum. Dieser Baum hat in seinem Wachstum eine Ähnlichkeit mit der sogenannten bei euch vorkommenden Eisenblüte und ist gewisserart ganz mineralisch. Der Stamm gleicht einer bei sechs Klafter im Umfang habenden weißen Marmorsäule, welche sich bei fünfzehn bis zwanzig Klafter in gleicher Dicke vom Boden erhebt, von da weg aber sich dann teilt gleich einem Korallenbäumchen in verschiedene Äste und Zweige, welche an ihren Enden in lauter kleine Röhrchen auslaufen. Die Zweiglein biegen sich ebenso vielfach übereinander wie die schon so früher benannte Eisenblüte. Dieser Baum hat weder Blätter noch Blüte noch irgendeine Frucht; sondern seine Bestimmung ist rein nur die des Feuers. Das Feuer ist somit seine Frucht, welches er gewöhnlich zu jener Zeit, wenn irgendein Teil des Landes unter dem Schatten des Ringes sich befindet, von sich gibt. Denn auf diesem Planeten wird die Zeit nicht bestimmt wie bei euch, nach dem Sommer und nach dem Winter, sondern nach der Zeit des Schattens, dem Mangel des Sonnenlichtes; darum denn auch seine Wurzeln, die eigentlich lauter Röhrchen sind, das alleinige Vermögen haben, aus der Erde dieses Planeten das allerfeinste Erdölgas an sich zu ziehen und durch die Röhrchen in die äußersten Zweige zu treiben, allwo sich dann dasselbe, wenn es mit der dortigen atmosphärischen Luft in Berührung kommt, welche zu der Zeit des Schattens sehr viel Sauerstoff mit sich führt, alsbald entzündet und so lange fortbrennt, bis nicht wieder das Licht der Sonne kommt, die atmosphärische Luft mehr ausdehnt und den Sauerstoff niederschlägt, wodurch dann dieser Feuerbaum nach und nach erlischt und so lange wieder ruht, und auch nicht weiter wächst, als bis die Schattenzeit wieder eingetreten ist. Es dauert die Schattenzeit alldort aber auch ein halbes Jahr, wie bei euch der Winter, der Temperatur nach gerechnet.

[5.9] Und so aber fängt dieser Baum an zu wachsen wie bei euch die Schwämme – ohne Samen; aber nicht wie diese, wo das Erdreich am magersten ist; sondern wo das Saturnus-Erdreich am naphtahaltigsten ist, da kommt dieser Baum am häufigsten vor. Die Einwohner pflegen ihn auch so zu verpflanzen, dass sie zur Schattenzeit ein Zweiglein vom Stamm herunterschlagen und es dann irgendwo in ein naphtafettes Erdreich stecken, da dann dieses Zweiglein also fortbrennt und dadurch auch wächst, sowohl in der Erde wurzelnd als sich über derselben auszweigend.

[5.10] Das Feuer dieses Baumes ist an und für sich nicht brennend, jedoch ist es durch die Wirkung seines sehr intensiv weißen Strahles in eine gewisse Ferne hin erwärmend oder vielmehr den Wärmestoff entbindend, aus welchem Grund dadurch auch für diesen Planeten in seiner Schattenzeit gesorgt ist, dass es alsdann nicht viel kälter wird als zur Zeit des eigentlichen Sonnenlichtes. Denn dergleichen Bäume sucht sich eine jede Familie in gehöriger Anzahl um ihre Wohnungen und ihre Gründe aufzupflanzen, aus welchem Grund sie dann zur Schattenzeit weder Kälte leidet noch irgendeinen Lichtmangel hat.

[5.11] Auch bei diesem Baum ruft ein wenig eure Phantasie zu Hilfe, und ihr werdet es sicher finden, dass, abgerechnet der großen Pracht dieses Baumes, sein Licht eine größere Wirkung hat als alle eure Gasbeleuchtung, wenn ihr sie auch auf einen Platz zusammenbringen möchtet auf einem dazu eigens erbauten Leuchtturm. Fürwahr, wenn ihr einen solchen Baum auf einem der euch benachbarten Berge aufgepflanzt hättet, so würde er nicht nur eure Stadt so gut beleuchten wie zehn Vollmonde, sondern der ganze Landkreis würde davon noch einen hinreichenden Schimmer genießen. Nun denkt euch erst viele Tausende von solchen Bäumen in einem Land zerstreut, wie sich da deren Licht machen könnte. Wenn euch schon euer rotes, bösartiges Feuerlicht in der finsteren Nacht erquickt, um wie viel mehr müsste euch ein solch sanftes, weißes Licht erquicken! Allein für die Erde sind dergleichen Bäume nicht bestimmt, obschon im Morgenland, und zwar in manchen Gegenden des Kaukasus ähnliche Fälle vorkommen, da man auch nichts nötig hat, als ein Schilfrohr oder ein anderes sehr poröses Stück Holz in die Erde zu stecken und oben mit einem Licht anzuzünden, allwo es dann auch gleich einer Fackel fortbrennt, ohne dass darum das Holz oder das Rohr verzehrt wird – nur mit dem Unterschied, dass diese Flammen auch rötlich und äußerst hitzbrennend sind.

[5.12] Und somit hätten wir für dieses Land die Baumschule durchgemacht und können daher noch einen allgemeinen Blick auf die Gesträuche machen.

[5.13] Alle Gesträuche haben da das Eigentümliche, dass sie nicht wie bei euch so niedrig sind, sondern sie bilden nur eine kleinere, aber dafür in der Art und Gattung sehr verschiedene Baumgattung. Und bei allem dem ist das niedrigste Gesträuch noch höher und ansehnlicher wachsend als eure ansehnlichsten Bäume. Auf diesem Land gibt es allein über 12.000 Gattungen, welche alle voneinander wohl unterschieden sind. Jede Gattung hat ihre eigentümliche Frucht, welche jedoch außer von den vielen Bewohnern der Luft wenig benützt wird. Aus diesen sehr vielen Gesträuchen dürfte euch eines, welches am häufigsten vorkommt und von den dortigen Bewohnern auch sorgfältig gepflegt wird, darum zu bemerken nicht ohne Interesse sein, da es vollkommen eurem Ölbaum auf Erden gleicht, nur mit dem Unterschied, dass dieses Gesträuch auch hier um vieles größer ist in jeder Hinsicht als euer Ölbaum. Die Beeren sind im reifen Zustand so groß, dass eine jede nach eurem Maße eine gute Maß reinen Öles abgibt. Wenn dann ein solches Gesträuch nicht selten zwanzig- bis dreißigtausend Beeren auf seinen Zweigen zur Reife bringt, so könnt ihr euch schon einen Begriff von der reichlichen Ölernte dadurch machen, wenn ihr noch dazu bedenkt, dass auf dem Grund einer einzigen Familie nicht selten mehrere Tausende von solchen Ölsträuchern oder vielmehr Ölbäumlein vorkommen.

[5.14] Freilich müsst ihr euch dabei einen Familiengrund nicht ebenso klein vorstellen, wie etwa bei euch einen größeren Bauerngrund, sondern wohl so groß, wo manchesmal nicht noch etwas größer als euer ganzes Kaisertum. Dagegen müsst ihr euch auch die überaus schön gebildeten Menschen in körperlicher Hinsicht nicht so klein vorstellen wie ihr seid; denn alldort misst die Größe des Weibes schon von achtzig bis neunzig Fuß, und die Größe des Mannes von fünfundneunzig bis hundertfünfunddreißig Fuß. Und in diesem Verhältnis sind auch ihre vielen Haustiere bestellt vorhanden.

[5.15] Wenn ihr nun dieses im Voraus einseht und kennt, so wird euch dann, was noch alles von der fruchtbaren Vegetation gesagt wird, desto einleuchtender werden, welches, wie schon mehrmals bemeldet, in der gehörigen Ordnung folgen wird. Und daher für heute Amen.

TAGS

CATEGORIES

Der Saturn

Kein Kommentar bisher

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Letzte Kommentare