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41. Behandlung und Aufnahme der Tieflandbewohner bei den Gebirgsbewohnern. Warnung vor den Quacksalbern. Halbheiden und ihre Bekehrung. Brautwerbung

[41.1] Es geschieht dann und wann, dass sich eine oder die andere Familie aus den Tälern und Ebenen, leiblicher Gesundheit halber, auf die Berge begibt. Ist solches der Fall, so besteht bei den Bewohnern der Höhen die Regel, solche Gesundheitssucher liebfreundlichst aufzunehmen und ihnen auch alles darzureichen oder zu verschaffen, was dieselben ihrer Gesundheit für dienlich erachten.

[41.2] Wollen aber die Gesundheitssucher für beständig auf der Höhe Wohnung nehmen, so wird sobald vom Ältesten einer Gebirgsfamilie ein Leiter aus der Gebirgsfamilie berufen, damit er den aus der Tiefe auf den Bergen Ansiedelnwollenden behilflich sein solle. Und wann sie ihn fernerhin zu ihrem Leiter wünschen, so hat er die Verpflichtung über sich, ihrem Wunsch bereitwilligst zu willfahren.

[41.3] Ist er schon verehelicht, so trennt er sich von dieser neu angesiedelten Familie nur so lange, als er eben Zeit braucht, sein Weib und allenfalls ein oder mehrere Kinder von seiner früheren Wohnung zu holen, zugleich aber auch bei solcher Gelegenheit den Segen von seinem Ältesten für dieses neue Amt zu empfangen. Hat er solches alles in die gehörige Ordnung gestellt, sodann begibt er sich mit Weib und Kind und noch sonstiger Ausstattung zu der neu angesiedelten Familie.

[41.4] Allda unterrichtet er dieselbe in allen den Gesetzen und Gebräuchen der Gebirgsbewohner und eifert sie an zur Erbauung des Tempels und sodann auch, nach Zahl und Bedarf, zur Erbauung der Vorratskammern und der lebendigen Wohnhäuser. Seht, solches ist auch eine Regel, welche die Gebirgsbewohner zu beachten haben.

[41.5] Manches Mal geschieht es aber, dass die Tal- und Ebenenbewohner bloß der schönen Aussicht halber hohe Gebirge bereisen. Wenn dann solche Gebirgs-Lustwandler an eine oder die andere Gebirgsfamilie stoßen, so werden sie zwar von derselben angehalten und liebernstlich befragt, welche Absicht sie auf die Höhe geführt hatte. Wenn sie dann gewöhnlich in sehr höflicher Weise kundgeben, dass sie willens seien, diese oder jene höchste Gebirgskuppe der schönen Aussicht halber zu besteigen, so wird ihnen vom Ältesten fürs Erste kundgegeben, welche Gefahren sie zu bestehen haben würden, ob eine oder die andere Gebirgskuppe wohl geheuer zu besteigen ist. Ist eine solche Gebirgskuppe unersteigbar, so werden die Lustwandelnwollenden davon liebreichst abgehalten und es wird ihnen alles auf ein Haar kundgegeben, welche Gefahren sie zu bestehen haben würden, so sie nicht abständen von ihrem Vorhaben, worauf denn auch solche Gebirgsbesteiger sobald abstehen von ihrem Vorhaben und kehren somit unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurück.

[41.6] Ist eine oder die andere Gebirgskuppe aber gefahrlos besteigbar, so wird solchen Gebirgswanderern sogleich ein Führer mitgegeben. Dieser Führer hat dann eine dreifache Verpflichtung über sich. Fürs Erste muss er eine solche Wandergesellschaft des besten und sichersten Weges geleiten. Dann muss er sie versehen mit Speise und Trank, welches gewöhnlich unsere bekannten Hausknechte nachschleppen. Und fürs Dritte muss er ihnen über alles Aufschluss geben, sie aber auch zugleich bei allem und jedem auf den Großen Geist hinlenken.

[41.7] Für alle diese seine Mühe aber darf er etwa ja nichts verlangen, außer nur das, dass eine solche Gesellschaft ihm die teuerste Versicherung geben muss, nachdem sie sich so wohl erquickt hatte an den großen Herrlichkeiten des Großen Geistes, demselben allzeit in allem anzuhängen und ohne dessen ausdrücklichen Willen nie etwas zu unternehmen.

[41.8] Ist solche Versicherung geschehen, alsdann erinnert sie der Führer, dass sie für alles das dem Großen Geist danken sollen, Ihn aber auch zugleich bitten, dass Er sie alle wohlbehalten wieder möchte ihre Heimat erreichen lassen. Ist auch dieses geschehen, sodann wird wieder der Rückweg angetreten.

[41.9] Die Gesellschaft wird dann von dem Führer wieder zu seiner Wohnung geleitet. Allda wird ihnen Speise und Trank gereicht, und haben sie sich auf diese Art gestärkt, so werden sie liebesanft zur Dankbarkeit an den großen, heiligen Geber erinnert, sodann von dem Ältesten begrüßt und gesegnet und können nach dem sogleich ihren Rückweg in die Tiefe antreten.

[41.10] Hier und da in so manchen Winkeln der Berge wohnen die euch schon bekannten Spitzfußfleisch-Ärzte. Vor diesen werden die Ebenenbewohner von den eigentlichen Gebirgsbewohnern bei solchen Gelegenheiten gewarnt, und es wird ihnen angezeigt, wie diese Menschen nicht anders denn als unbefugte Ausreißer aus der Tiefe sich aus eitler Gewinnsucht auf solche Bergwinkel gesiedelt haben, darum sie dann die Bewohner der Tiefe mit unwirksamem Zeug zu hintergehen vermöchten. Auf diese Weise warnen sie denn solche leichtgläubige Talbewohner und sagen ihnen:

[41.11] „Der Große Geist hat für die Erhaltung unserer Leibesgesundheit tausenderlei wohlheilsame Kräuter und Früchte in den Boden der Erde gelegt, damit sie da wachsen sollen zu unserer Stärkung, und hat erschaffen ein reines Wasser über die ganze Welt und hat gemacht allenthalben den überaus wohltätigen Regenbaum und hat gesetzt riesengroße Bäume auf den Boden der Erde, damit sie an sich ziehen sollen alle verderblichen Dünste und sollen sie umgestalten in eine wohlduftende, allerreinste Luft. So hat der Herr, der da ist überaus wohltätig in aller Seiner unendlichen Macht, am Firmament gestellt eine herrliche Sonne, deren Strahlen die heilsamste Kraft in der Steinlilie erwecken – die so heilsam ist, dass ihre Kraft so weit reicht wie der Strahl der Sonne. Und so hat der große Meister das Firmament geteilt mit jenem lichten, weißen Band, welches uns, wann die Sonne untergegangen, die Nacht so lieblich erhellt, dass sie uns nahe so angenehm ist wie der Tag und wir von den kräftigen Strahlen dieses Bandes auch zur Nachtzeit gestärkt werden. Also hat auch der große Werkmeister neben diesem Band gesetzt sieben große Leuchten, davon stets mehrere uns zur Nachtzeit, ja selbst zur vollen Schattenzeit, abwechselnd ergötzen.

[41.12] Da also der Große Geist so überaus wohltätig und gnädigst gesorgt hat für uns alle, und wir es hier auf den Bergen allzeit erfahren, dass es so ist, nachdem wir nie von einer Krankheit heimgesucht wurden, so aber jemand stirbt, niemals an einer oder der anderen Krankheit stirbt, sondern allzeit nur zufolge seines vollkommen reif gewordenen Geistes, der da ewig nimmerdar stirbt, sondern lebt fort und fort, von dessen Fortleben wir Zeugen sind und zu jeder Stunde vor eurem Angesicht es sein können [und Zeugnis ablegen], dass es so ist, wie ich es euch kundgebe.

[41.13] So ist es ja eine übergroße Torheit, sich allda ein ewiges Lebensmittel verschaffen zu wollen von einem Menschen, dessen Augen voll Truges sind, darum er selbst ferne ist vom Leben des ewigen Geistes – die Mittel aber, die uns der Große Geist allenthalben darbietet, als unzugänglich zu betrachten und sie daher auch nicht zu gebrauchen nach Seinem Willen.

[41.14] Ich sage euch aber, liebe Brüder aus der Tiefe, sucht fürder nicht mehr bei den Quacksalbern das Heil, sondern sucht dasselbe ernstlich allzeit in dem Willen des Großen Geistes, so werdet ihr gesund verbleiben bis zur Vollreife des Geistes!

[41.15] Wann aber dieser also vollreif wird, vollkommen ein Herr des Lebens aus dem Willen des Großen Geistes, sodann werdet ihr nimmerdar einen Tod schmecken, sondern ihr werdet mit dem klarsten und vollsten Bewusstsein frei aus eurem Fleisch und Blut treten können ohne Schmerzen und werdet unter großer Dankbarkeit gegen den Großen Geist dieses schwere Gewand von Fleisch, Blut und Knochen ablegen.“

[41.16] Nach solcher Belehrung werden solche Lebenswandler auch wieder gesegnet entlassen und kehren mit der viel besseren Lebensarznei in ihre Heimat zurück.

[41.17] In manchen Orten der Ebenen und Täler, besonders an den Seen und Flüssen, gibt es auch eine Art Heiden, die da den weißen Ring am Firmament für die Gottheit halten; einige aber für den Weg des Großen Geistes, auf welchem dieser herumgehe und schaue über denselben hinab zur Welt, was da die Menschen machen. Solche Halbheiden ziehen auch öfter auf die Berge, in der Meinung, dass sie dadurch diesem weißen Ring ganz nahe oder vielleicht gar wohl bis zum Ring selbst kommen würden.

[41.18] Gegen solche Wanderer haben die Gebirgsbewohner auch die Liebepflicht, sie auf den rechten Weg zu führen und ihnen zu zeigen, was der Ring und was die Monde sind und welche Bestimmung alles dieses hat; welches sie dadurch bewirken, dass sie durch ihren festen Willen solche Verirrte in eine Art hellsehenden Zustand versetzen, in welchem Zustand sie dann den Ring und die Monde, wie ihr zu sagen pflegt, von A bis Z zu beschauen vermögen.

[41.19] Haben sie solches verrichtet, alsdann erkennen sie zumeist an sich selbst, wie irrig sie daran waren. Sodann aber werden sie erst liebevoll, dabei aber auch weise-ernstlich in der wahren Erkenntnis des Großen Geistes und dessen Willens unterrichtet und wird ihnen freigestellt, ob sie ihr ferneres Leben auf der Höhe oder in den Tälern und Ebenen wie zuvor zubringen wollen.

[41.20] Entschließen sie sich für die Berge, so wird für sie um eine Wohnung gesorgt. Haben sie aber Vorliebe für die Tiefen, sodann werden sie gesegnet, mit Speise und Trank versehen und im Namen des Großen Geistes entlassen.

[41.21] Jedoch solange jemand seinen Irrtum nicht fahren lässt, darf er sich durchaus keine Hoffnung machen, dass er aus den kräftigen Händen der Gebirgsbewohner kommt. Wenn mancher da ist widerspenstigen Geistes und will eigenmächtig entweichen oder gar jemandem ein Leid zufügen, alsdann ist auch alsbald ein anfangs drohender – hilft das nichts, dann aber auch ein wirklich strafender Engelsgeist bei der Hand, der einem solchen Widerspenstler mit den einfachsten Mitteln begreiflich macht, wie wenig er, nämlich der Widerspenstler, mit seinem Trotz ausrichten wird. Nach einer solchen Erscheinung bessert sich ein solcher Widerspenstler fast allzeit unbedingt. Beharrt er aber noch in seinem Eigensinn, so geschieht es wohl auch, dass er von einem solchen Strafengel entweder mit großen Leibesschmerzen, bei einem außerordentlichen Fall aber auch mit der plötzlichen Vernichtung bestraft wird, durch welche Strafe sich ein solcher Geist zuzieht, dass er gar lange wird ein Wächter aller Nacht und aller Kälte verbleiben müssen.

[41.22] Das ist eine der wichtigsten Hausregeln für die Gebirgsbewohner: Wenn es bei einer Familie entweder mehr weibliche denn männliche Personen gibt, oder umgekehrt, so steht es der männlichen Überzahl frei, entweder bei einem oder dem anderen Nachbarn ein Weib zu suchen. Findet er da keines, so kann er darum in die Tiefe gehen. Findet er auch da nichts, so kann er sich auf weitere Reisen verlegen. Und so geschieht es manchmal, dass ein Bräutigam von einem zweiten, dritten oder vierten Kontinentland ein Weib sucht.

[41.23] Hat er dort das Weib bekommen, was gewöhnlich allzeit ohne Widerrede geschieht, sobald irgend die Weiberzahl die Männerzahl überragt – so steht es ihm frei, alldort zu verbleiben, wo er das Weib genommen hatte, was zuallermeist zu geschehen pflegt. Oder er kann auch mit dem Weib in seine Heimat zurückziehen, jedoch mit der Verpflichtung, alle drei Jahre das Stammhaus seines Weibes zu besuchen, und das so lange fort, wie ihre Eltern leben. Sterben aber diese einmal, so hört auch diese Verpflichtung auf.

[41.24] Ist aber bei einer Familie die Weiberzahl größer als die männliche, sodann wird solches durch einen, zwei oder drei Boten mehreren nachbarlichen Familien angezeigt; bei welcher Gelegenheit dann gewöhnlich ein oder mehrere Brautwerber zusammenkommen.

[41.25] Der Älteste beruft da den Geist, dass er ihm anzeigen möchte den Willen des Großen Geistes, welcher da der Würdigste unter ihnen ist. Solches geschieht dann auch augenblicklich. Und der Bezeichnete führt dann auch nach der euch schon bekannten Verehelichung die Braut nach Hause.

[41.26] Sind mehrere heiratsmäßige Weiber bei einer Familie überzählig vorhanden und kommt nur ein Brautwerber, so wird vom Ältesten der Geist berufen, um anzuzeigen diejenige, welche des Mannes am würdigsten ist. Darauf erfolgt wieder die schon bekannte Verehelichung, und der Bräutigam führt seine ihm angetraute Braut nach Hause.

[41.27] Sind aber eine gleiche Anzahl heiratbarer Weiber gleich der Anzahl der Brautwerber vorhanden, sodann steht jedem Werber das Werbrecht zu. Wann er gewählt hat und haben auch die anderen desgleichen getan, so muss solches sogleich dem Ältesten angezeigt werden. Dieser berät sich dann mit dem gerufenen Geist darüber, ob die Wahlen billig sind vor dem Großen Geist und Ihm wohlgefällig. Wird solches bestätigt, so wird alsbald die Verehelichung ohne Anstand vorgenommen. Wird aber vom Geist solche Wahl nicht gebilligt, sodann wird vom Ältesten der Geist im Namen des Großen Geistes gebeten, anzuzeigen die rechte Wahl, welches auch augenblicklich geschieht und in welche neue Wahl auch die Brautleute sogleich mit großer Dankbarkeit ihrer Herzen einwilligen. Die Folge davon ist die sogleich erfolgte Verehelichung, auf welche dann jeder Bräutigam seine Braut nach Hause führen kann. Es versteht sich von selbst, nach und mit allen den Regeln, die bei der Verehelichung bekannt gegeben worden sind.

[41.28] Nebst diesen Hausregeln gibt es zwar noch einige unbedeutende hauswirtschaftliche, welche wir aber übergehen wollen, nachdem sie für euch von keinem nützlichen und denkwürdigen Belang sind, und wollen uns daher fürs nächste Mal sogleich zur Religion wenden.

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