[31.1] Was ist unsere schon vorbestimmte Blaue Ziege für ein Tier? Fürs Erste ist sie besonders für den wenig bemittelten Teil der Menschen dieses Planeten ein überaus nützliches und unentbehrliches Tier; besonders bei denjenigen Bewohnern der Gebirge dieses Planeten, auf denen unsere große Kuh durchaus nicht gut fortkommt, nachdem alldort zu wenig Futter für sie wächst, und vorzüglich aber viel zu wenig Wasser vorhanden ist, womit diese Kuh sich nach Bedarf ihren großen Durst löschen könnte.
[31.2] Wie sieht dieses Tier denn aus? Ebenso wie irgendeine Ziege auf dieser Erde? O nein, das mitnichten! Wohl aber fast so wie ein Elentier, welches da bei euch die nördlichsten Teile der Kontinente bewohnt; nur ist es natürlicherweise wohl ums Hundertfache größer, das heißt kubischen Maßes, als da ist ein Elentier auf der Erde. Diese Blaue Ziege hat zwischen ihren beiden Hinterbeinen ein ihrer Größe nach verhältnismäßig sehr starkes Euter, welches mit sechs Zitzen versehen ist, aus welchen bei guter Melkzeit die Saturnusbewohner sehr leicht zehn bis zwanzig Eimer Milch, nach eurem Maß genommen, bekommen.
[31.3] Diese Milch ist zwar nicht so süß wie die der großen Kuh, aber sie ist dafür desto wohlriechender, oder wie ihr zu sagen pflegt, substanziöser. Daher geschieht es auch häufig, dass die Gebirgsbewohner nicht selten ihre guten Milchprodukte in die Täler und Ebenen bringen, um manche andere für sie unentbehrliche Sachen einzutauschen. Denn in diesem Planeten gibt es durchaus keinen anderen als nur den Tauschhandel. Und es kommt eben dieser Tauschhandel den Gebirgsbewohnern sehr gut zustatten, dass eben diese Ziege in den Tälern und Ebenen durchaus nicht fortkommt, aber desto üppiger auf den Höhen, allda sie sich nicht selten ihr Futter unter dem Schnee mit ihren schaufelartigen, nach vorwärts gebogenen Hörnern sucht. Denn solches müsst ihr wohl verstehen, dass auch in dem Planeten Saturnus, so wie auf der Erde, die höchsten Gebirgsspitzen, besonders zur Zeit des Ringschattens, mit Schnee und Eis bedeckt sind.
[31.4] Dieses Tier ist an und für sich zwar etwas scheuer Natur; wenn es aber von dem Menschen gut behandelt wird, wird es so zahm und einheimisch, dass es ihnen beinahe überall gleich den treuen Hunden bei euch nachläuft; darum sie es auch zur Zeit, wann sie sich von ihrer Heimat begeben wollen, anbinden müssen an irgendeinen Baum mittels eines langen und starken Grasstrickes, damit es dadurch daheimgehalten wird. Bei den Saturnusbewohnern, namentlich bei demjenigen Teil derselben, welche die Gebirge bewohnen, gibt es sogar im Jahr ein Fest, welches sie zur Danksagung für dieses nützliche Tier dem Großen Geist darbringen.
[31.5] Zu diesem Fest werden eine Menge der schönsten solcher Ziegen hinzugeführt, und zwar mit vollem Euter. Allda auf der bestimmten Stelle werden sie erst in einen Kreis gestellt und sodann in die schönsten und reinsten Geschirre gemolken. Ist diese Arbeit nach kurzer Zeitfrist verrichtet, sodann werden die Tiere zu einem allzeit in der Nähe befindlichen Regenbaum-Teich geführt und werden da gewisserart zur schuldigen Danksagung mit dem äußerst wohlschmeckenden und reinen Wasser getränkt. Sodann aber werden sie freigelassen, damit sie sich weiden können an den allzeit sehr üppigen Grastriften, welche da um einen solchen Regenbaumteich liegen. Die Menschen aber gehen dann zu jener Stelle zurück, allda in den schönen Gefäßen die frisch gemolkene Milch ihrer harrt.
[31.6] Ein jeder nimmt da sein Gefäß und trägt dasselbe in einen zu diesem Fest schon eigens dazu errichteten Tempel, welcher gewöhnlich entweder aus den Strahlenbäumen oder, wenn der Spiegelbaum fortkommt, auch aus den Spiegelbäumen angepflanzt ist. Ich sage darum „angepflanzt“, weil in diesem Planeten alle gottesdienstlichen Tempel aus den schönsten Bäumen bestehen, welche aber nicht etwa übereinander, wie bei euch, gezimmert sind, sondern lebendig aus dem Erdboden wachsen, nur werden sie nahe auf die Art wie bei euch in den Gärten die sogenannten Spalieralleen, fürs Erste ordnungsmäßig gesetzt und dann künstlich und regelmäßig beschnitten, dass dann ein solcher vollkommen fertig ausgewachsener Tempel so wunderherrlich und schön aussieht, besonders zur Zeit, wann solche Bäume blühen, dass ihr euch davon auf der Erde unmöglich einen Begriff machen könnt. Ein solcher Tempel ist aber auch gewöhnlich so groß, dass ihr vom Eingang bis zum entgegengesetzten heiligen Ausgang nahe eine kleine Tagreise brauchen würdet, um diese Strecke durchzuwandern.
[31.7] Wenn sonach die Menschen ihre mit Milch gefüllten Gefäße samt und sämtlich in einen solchen Tempel gebracht haben, so danken sie zuerst daselbst dem Großen Geist für die Gabe dieses nützlichen Haustieres und sodann auch für die von diesem Tier genommene Milch. Nach dieser Handlung erhebt sich dann der Älteste aus ihrer Mitte und heißt die also andächtig Versammelten sich auf den Boden niederlegen, und zwar mit dem Gesicht zur Erde gekehrt.
[31.8] Er aber blickt auf und fleht den Großen Geist an, dass Er es nun zulassen möchte, auf dass da über ihn käme ein Geist des Lichtes und ihm kundgebe, was da wohlgefällig wäre dem Großen Geist, das sie tun möchten in dem Heiligtum. Und weil die Saturnusbewohner, vorzugsweise aber die Höhenbewohner, im fast ununterbrochenen Verband mit den Geistern ihres Himmels stehen, so geschieht es auch allzeit, dass nach einer solchen Bitte eines Ältesten ein leuchtender Geist in menschlicher Gestalt zu ihm kommt und ihm kundgibt, wie sich das Volk zu betragen habe.
[31.9] Ist solche Kundgebung geschehen, alsdann stehen die Menschen wieder auf und der Älteste gibt ihnen kund, was er vernommen hatte. Nach einer solchen Predigt wird dem Großen Geist wieder ein Dank dargebracht. Ist auch dieses mit wirklich allzeit großer Andacht geschehen, so begeben sich dann die Menschen beiderlei Geschlechts wieder zu ihren Milchgefäßen, tragen sie zum Ältesten, damit er darüber spreche den Segen des Großen Geistes. Dann gehen sie wieder in den Tempel mit ihren Gefäßen zurück, umarmen ihn dann, und einer ladet den anderen zu seinem Milchgefäß ein, neben welchem Gefäß auch noch ein jeder eine gehörige Menge anderer essbarer Dinge gestellt hat. Nach solcher Einladung wird sodann in dem Tempel gespeist und sich mit allerlei gegenseitigen Belehrungen unterhalten.
[31.10] Ist bei dieser Gelegenheit den Tag hindurch fast alles vom Butz bis zum Stängel aufgezehrt worden, so wird wieder dem Großen Geist ein Dank dargebracht, welchen die Saturnusbewohner nicht selten durch den Gesang der euch schon bekannten Vögel, wo dieselben zu haben sind, zu erhöhen suchen – aber nicht durch die Hauptsänger, sondern durch die euch schon bekannten Sänger der zweiten Art.
[31.11] Nach dieser Danksagung geht dann wieder alles aus dem Tempel; aber wohlgemerkt, nie beim vorderen heiligen Ausgang, sondern beim rückwärtigen, der da bestimmt ist für das Volk, während der heilige nur für den Ältesten und für die Geister des Lichts bestimmt ist. Wenn die Menschen nun wieder außer dem Tempel sind, so rufen sie wieder ihre sich noch behaglich um den Regenbaumteich weidenden Ziegen, welche dann auch alsbald dem Ruf ihrer Herren und Inhaber folgen.
[31.12] Seht, das ist das gemeinste Fest, das diese Saturnusmenschen begehen. Was aber die Hauptfeste und den Hauptgottesdienst betrifft, das wird euch erst bei der Gelegenheit der Darstellung der Saturnusmenschen bekanntgegeben werden.
[31.13] Wenn dann die Saturnusbewohner mit ihren Tieren nach Hause kommen, so werden sie wieder gemolken und dann wieder freigelassen. Denn für diese Tiere errichten die Saturnusbewohner durchaus keinen Stall, und es eignet sich auch nie einer dieses oder dasjenige Tier vollkommen an; sondern wenn das Tier mit einem vollen Euter allzeit zur Wohnung des Menschen kommt, so wird es gemolken und sodann wieder freigelassen. Es braucht sich auch da nie einer für die Fütterung dieser Tiere zu sorgen und braucht ihnen auch nie einen Wächter zu halten; denn fürs Erste versorgen sich diese Tiere selbst, fürs Zweite sind sie so zahm, gutmütig und einheimisch, dass sie allzeit zur rechten Zeit zu den Wohnungen der Menschen kommen, und fürs Dritte brauchen sie auch darum keinen Wächter und Wärter, weil es im Saturnus, besonders auf den Bergen, überhaupt schon gar keine sogenannten reißenden Tiere gibt.
[31.14] Was aber die euch schon bekanntgegebenen, etwas feindselig gesinnten wilden, unzahmen Tiere betrifft, so leben sie gewöhnlich nur in solchen Gegenden, die entweder von den von Menschen bewohnten großen Kontinentländern ganz entfernt und durch das Wasser isoliert sind, oder sie bewohnen auf den Kontinentländern nur jene Teile, welche von den Menschen entweder gar nicht oder bei gewissen Gelegenheiten entweder bewohnt oder aber nur dann und wann aus Wissbegierde, Fürwitz und nicht selten auch aus einer Art Habsucht betreten werden. Auf den Höhen aber lebt, wie ihr wisst, nur höchst selten ein wildes oder anderes unzahmes Tier als allein unser schon bekannter scheuer, medizinischer Spitzfuß.
[31.15] Aus diesem nun Gesagten könnt ihr gar leicht von selbst entnehmen, wie leicht es demnach ist einem Saturnusbewohner, dieses Tier zu halten, und wie nützlich es dem Menschen dieses Planeten ist. Und so hätten wir alles Denkwürdige dieses Tieres auch damit erfahren.
[31.16] Es wird wohl nicht notwendig sein, euch noch einmal zu sagen warum dieses Tier die Blaue Ziege heißt. Denn wie der Name, so ist auch die Farbe des Tieres. Wohl aber könnt ihr euch noch hinzumerken, dass dieses Tier eine überaus feine und reichliche Wolle gleich euren Schafen gibt, aus welcher Wolle sich die Saturnusbewohner, namentlich der Berge, allerlei nützliche und für die kältere Schattenzeit warmhaltende Kleider verfertigen, nachdem sie zuvor die Wolle reinigen und in schöne, gleichförmig dicke Fäden spinnen und aus diesen Fäden dann auch mit ganz eigentümlich geschickt bereiteten Werkzeugen allerlei geformte Zeuge weben.
[31.17] Was geschieht denn aber mit dem Tier, so es stirbt? Da wird demselben das Fell abgezogen. Das Fleisch aber wird in eine tiefe Grube versenkt, denn die Saturnusbewohner essen fast durchaus kein Fleisch.
[31.18] Das ist nun alles von diesem Tier, und so wollen wir für ein nächstes Mal zu noch einem anderen, sehr beachtenswerten Haustier übergehen.
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