[27.1] Zigst, oder nach eurer Erdsprache, die ihr sprecht, Spitz- oder Stechfuß, ist dasjenige Tier, das wir so eben betrachten wollen und das nur diesem Planeten ganz allein eigentümlich ist. Dieses Tier steht in diesem Planeten Saturnus ungefähr auf derjenigen Stufe wie die Antilope auf eurer Erde. Denn es bewohnt auch dieses Zigst im Saturnus nur die höchsten Gebirge.
[27.2] Warum wird es denn eigentlich der Spitzfuß genannt? Ihr müsst euch nicht denken, als hätte dieses Tier etwa gar vier spitzige Spieße an der Stelle der eigentlichen gegliederten Füße; sondern darum wird es der Spitzfuß genannt, weil die Vorderfüße dieses Tieres in der Gegend des gewöhnlichen Gliedes über den Klauen gar kein Glied haben, sondern ein geradeausgehendes Horn, welches nach unten zu ziemlich zugespitzt ist. Dieses geht sogleich als eine ganze feste Klaue von der Kniegegend fort aus, die Hinterbeine aber hat es regelmäßig gleich einem anderen Tier; nur sind die Klauen nicht gespalten und ebenfalls ziemlich spitzig.
[27.3] Das wäre nun die Ursache des Namens dieses Tieres. Wie sieht es denn sonst aus? Auf eurer Erde gibt es unter den größeren Tieren durchaus kein ähnliches Exemplar, wohl aber unter den kleineren. Sonach ist der Mittelleib vollkommen dem Leib einer euch wohlbekannten Fischotter ähnlich; der Schweif dieses Tieres aber wieder dem Schweif des Ochsen. Der Hals und der Kopf haben eine ziemliche Ähnlichkeit mit dem Hals und Kopf eines Tigers; nur ist das Gebiss nicht dem Gebiss eines Tigers, sondern dem der grasfressenden Tiere ähnlich.
[27.4] Auf dem Scheitel des Kopfes aber hat es ein einzelnes, etwas nach rückwärts gebogenes Horn. Und so wäre die Gestalt dieses Tieres bis auf seine Größe und Farbe dargetan.
[27.5] Wie groß ist aber dieses Tier? Wenn ihr dessen Größe nach irdischem Maßstab bemessen würdet, da hätte die Erde wirklich nicht ein Beispiel von einem Tier aufzuweisen, das diesem Spitzfuß an der Größe gleichkäme. Aber auf unserem Planeten, allda alle Verhältnisse ums Hundertfache und manchesmal um sehr vieles darüber gesteigert sind, gehört unser Spitzfuß nur den kleineren Tieren dieses Planeten an; denn es hat in allem kaum ein Drittel der Größe von dem vorgehenden Tier, das wir als den Löwen dieses Planeten haben kennengelernt. Aus dem Grund ist es auch jedem Saturnusbewohner ein Leichtes, ein solches Tier, wenn er es gefangen hat, auf seinem Rücken nach Hause zu tragen.
[27.6] Was hat es denn für eine Farbe? Die Hauptfarbe ist blendend weiß, vom Kopf aber angefangen bis zum Schweif hin zieht sich ein hellblauer, verhältnismäßig breiter Streifen. Gegen den Bauch hin ist dieses Tier goldgelb, die Füße gehen nahe ins Rötliche über – bis auf die Spitzklauen, welche ganz vollkommen schwarz sind, so wie auch das Horn auf dem Kopf. Der Hals, das heißt der untere Teil desselben, aber ist vom Unterkiefer angefangen bis zur Brust hin gestreift, und zwar mit Streifen von dunkelroter Farbe.
[27.7] Jetzt habt ihr die ganze Gestalt dieses Tieres, welches in dieser Art und Form auf keinem Planeten wieder vorkommt. Was ist aber die Tauglichkeit dieses Tieres? Was ist dessen Nahrung? Und wird es auch häufig gefangen von den Saturnusbewohnern?
[27.8] Was die Tauglichkeit betrifft, so ist diese für den Saturnusbewohner ebenso wenig von einem Belang wie die Tauglichkeit einer Gämse oder einer Antilope bei euch Erdbewohnern. Dessen ungeachtet aber hat es dennoch in der Ordnung der Dinge seinen gehörigen Platz, den es unbewusst nutzwirkend ausfüllt. Wer aber sieht die Tauglichkeit einer Gämse bei euch ein; wer kann da einen Grund aufstellen, warum dieses Tier auf den Felsenspitzen herumspringt? Wer es aber glauben will, dem will Ich auch den Grund kundgeben.
[27.9] Ihr wisst, dass auf den hohen Gebirgen eurer Erde zur Auflösung des Gesteins allerlei Moos und Pflanzen wachsen. Ihr wisst auch, dass sowohl die Moos- als die Pflanzengattungen nichts als Produkte geistiger Potenzen und geistiger Intelligenzen sind. Wenn sie aber solche Produkte sind, so ist es ja auch ersichtlich klar, dass sich in ihnen irgendein intelligentes Leben hat zu äußern angefangen. Wenn sich aber ein Leben einmal äußert, so äußert es sich nicht, um wieder in den Tod zurückzusinken, sondern nur darum, dass es sich in einer Form ausbildend kräftige, um dann die Form zu verlassen und in eine höhere Form überzugehen.
[27.10] Welche lebenäußernde Form aber steht da auf einer Alpe über den kleinbelebten Formen des Mooses, des Grases und der sonstigen Alpenpflanzen? Hier seht unsere Alpentiere an! Das sind die höheren lebendigen Formen, in welche das Pflanzenleben solcher Hochgebirge übergeht.
[27.11] Dass dieses eine vollkommene Richtigkeit ist, könnt ihr ja daraus leicht ersehen, dass das Leben von diesen Tieren eben dadurch erhalten wird, so sie das Leben der Pflanzen in sich aufnehmen. Und demnach heißt nähren von einer dem Wesen des Tieres zusagenden Kost nichts anderes, als das zerstreute Leben der kleineren, unteren Potenzen in sich aufnehmen und vereinigen zu einem vollkommeneren Leben. Oder für euch noch verständlicher gesprochen:
[27.12] Sich nähren heißt, das von Mir immerwährend ausgehende Leben als in ein Gefäß ansammelnd aufnehmen, damit es von Stufe zu Stufe intensiver und vollkommener wird auf dem Rückweg zur Urquelle, da es dereinst ausgegangen ist.
[27.13] Wenn ihr nun dieses bereits Gesagte nur einigermaßen begreift, so geht mit diesem Begriff auch ganz ungehindert auf unser Saturnustier über. Übertragt auf diesen Spitzfuß dieselbe Tauglichkeit und ihr habt dann alles, was ihr zu wissen braucht, über diesen Punkt nämlich, was die Tauglichkeit dieses Tieres betrifft.
[27.14] Nun hätten wir noch eine Frage zu beantworten übrig, nämlich ob dieses Tier von den Saturnusbewohnern auch gefangen wird? Darauf sage Ich, dass sehr kühne Saturnusbewohner wohl nicht selten auf die Jagd dieses Tieres ausgehen, aber nur höchst selten eines fangen. Denn dieses Tier ist so geschickt in Erklimmung der höchsten Felsenspitzen dieses Planeten, dass da kein Saturnusbewohner einem solchen Tier nachzukommen mehr imstande ist. Vermöge seiner zugespitzten Klauen kann dieses Tier auf einer eurer flachen Hand gleich großen Fläche vollkommen stehen. Wo aber einmal die Felsen in solche zu schroffe Spitzen zusammenlaufen, da hört für unsere großen Saturnusmenschen auch alle Möglichkeit auf, ihre Jagd auf ein solches Tier weiter fortzusetzen.
[27.15] Wenn sich, was höchst selten der Fall ist, ein solches Tier von einer hohen und steilen Felsenspitze herabstürzt und zufolge dieses Sturzes einen unglücklichen Fall macht, und dazu auf einen solchen Platz fällt, den noch ein Saturnusbewohner erreichen kann, so ist der Fang eines solchen Tieres, aber natürlicherweise nur im toten Zustand, möglich. Lebend aber hat noch nie ein Saturnusbewohner ein solches Tier gefangen.
[27.16] Ihr werdet da wohl auch selbst fragen: Ja, wenn dieses Tier so schwer zu fangen ist, warum geben sich denn die Saturnusbewohner so viele Mühe, um eines solchen habhaft zu werden? Seht, dazu treibt die Saturnusbewohner eine Art Aberglaube. Aber dieser Aberglaube gehört nach euren Begriffen in das sogenannte quacksalberische medizinische Fach. Denn die Saturnusbewohner sind der Meinung: Weil dieses Tier die allerkräftigsten und wohlriechendsten Kräuter genießt, so ist dessen Fleisch so etwas Gesundes, dass derjenige, der davon nur etwas Weniges genossen hat, nimmermehr zu sterben vermöchte. Das also ist der Grund, warum dieses Tier so fleißig gejagt, aber nur höchst selten gefangen wird oder werden kann.
[27.17] Es geht aber den Saturnusbewohnern mit diesem medizinischen Glauben nicht viel besser als so manchen Menschen auf dieser Erde, welche auch allerlei Mittel kennen, wodurch sie das Leben des Leibes zu verewigen glauben; die Erfahrung aber belehrt sie doch tagtäglich, dass der Tod der Materie durchaus nicht abgehalten werden kann.
[27.18] Was tun aber solche Menschen trotz der täglichen Erfahrung, die ihre Mittel fortwährend zuschanden macht? Sie tun ein solches Mittel in ein außerordentlich geheimnisvolles Fach ihrer belebenden Wissenschaft und sagen: Dieses Mittel muss genau um Mitternacht eingenommen werden, und zwar in der höchst genau vorgeschriebenen Portion. Ein tausendstel Gran darunter oder darüber macht das Mittel unwirksam.
[27.19] Reicht dieser medizinisch pfiffige Weisheitskniff nicht aus, so wird, um die Sache noch verwickelter und schwerer zu treffen zu machen, zum Einfluss der Gestirne die Zuflucht genommen. Wo dann ein solcher mystischer Lebensmediziner mit großer, höchst unverständiger Beredsamkeit dartut, wie da der Mond stehen, in welchem Viertel, in welchem Zeichen die Sonne übergehen muss, und das zwar gerade um die Mitternacht. Wenn z. B. die Sonne gerade um Mitternacht nicht in das Zeichen des Löwen und der Mond nicht in das Zeichen des Steinbocks, ein anderer Planet nicht in dieses oder wieder ein anderer Planet nicht in ein anderes Zeichen zur nämlichen Zeit übergeht, so ist das ewige Lebensmittel ohne Kraft und Wirkung.
[27.20] Leichtgläubige Menschen glauben dann solchen mystischen Weisheitspredigern und kaufen sich stets zu einem hohen Preis ein solches ewiges Lebensmittel, und schauen sich hernach im Besitz dieses Mittels in den Kalendern fast zu Tode, wann der Mond, die Sonne und alle übrigen Planeten gerade um die Mitternacht in die vorbestimmten Zeichen übergehen würden. Da aber, was ihr auch ohne tiefe mathematische Kenntnisse leicht einseht, diese astronomischen und astrologischen Zeichenstands- und Übergangsverhältnisse wohl entweder gar nie oder vielleicht höchstens nur in einer oder mehreren Millionen von Jahren einmal annähernd eintreffen können, so hebt sich nach der mystisch-klugen Spekulation eines solchen ewigen Lebensbringers die Wirkung solcher außerordentlicher Mittel so gut wie von selbst auf; er aber bleibt unverantwortlich, weil er immer sagen kann, es sind ja nicht alle Umstände eingetroffen.
[27.21] Seht, gerade so wird in unserem Saturnus das Fleisch dieses Tieres benützt. Nur sagen da die Saturnus-Lebensärzte, wenn ein solches Mittel nicht die bedungene Wirkung hervorgebracht hat, dass von dem Menschen, der ein solches Mittel gebraucht hat, eine große Unvorsichtigkeit dadurch begangen wurde, wenn er das Mittel etwa nicht in der Schattenzeit des Ringes, sondern im Sonnenlicht eingenommen habe, bei welcher Gelegenheit es dann ohne Wirkung sein muss.
[27.22] Sagt aber ein Verwandter des Verstorbenen einem solchen Lebensbringer, dass der Verstorbene das Mittel wohl unter dem Schatten des Ringes eingenommen habe, so fragt ihn der Mediziner gleich, wie bei dieser Gelegenheit die Monde gestanden sind. Kann der Befragte darüber die Auskunft erteilen, so wird natürlich der Stand der Monde vom Lebensbringer allzeit als seinem Mittel höchst nachteilig mit großer Beredsamkeit erklärt. Weiß aber der Befragte darüber keinen Bescheid zu geben, so ist das ohnehin das beste Wasser auf die Mühle unseres „Ewiges Leben“ Bringers.
[27.23] Manchmal geschieht es aber auch, dass ein Verwandter eines solchen an einem ewigen Lebensmittel verstorbenen Menschen zu einem anderen ewigen Lebensbringer fragen geht, warum dieses Mittel schon wieder fehlgeschlagen habe. Da könnt ihr euch schon von selbst denken, welche Auskunft ihm dieser andere Lebensbringer über das verunglückte Heilmittel seines Kollegen erteilen wird; nämlich keine andere, als dass er sagt: „Warum seid ihr nicht zu mir gekommen? Denn es ist ja bekannt, dass sich dieser Mensch mit falschen Mitteln abgibt!“ Und um den anderen zu überzeugen, dass das Mittel sicher muss falsch gewesen sein, zeigt er ihm sogleich ein anderes gefärbtes Mittel, und das ist für den Fragesteller genug, um einzusehen, warum das Mittel des anderen nichts gefruchtet habe.
[27.24] Bei solchen Gelegenheiten geht dann ein solcher Verwandter des Verstorbenen nicht selten auch wieder zu demjenigen Lebensbringer zurück, den er als einen Betrüger ansieht. Wie zieht sich aber dann dieser aus der Schlinge? Der führt unseren Rechenschaftsforderer sogleich zu einem gleichgesinnten und gleichunterrichteten Nachbarn und sagt dann zu ihm, nämlich zu dem Rechenschaftsforderer: „Siehe, dieser und dieser und dieser haben mein Mittel gerecht gebraucht, frage sie, wie alt sie schon sind!“ Wenn nun der so Aufgeforderte einen oder den anderen um sein Alter fragt, so bekommt er gewöhnlich eine so „hochalterliche“ Antwort, dass ihm darob das Hören und Sehen vergeht. Gewöhnlich aber sagen solche nach dem Alter Gefragte nie die Zahl der Jahre an, sondern sie führen gewöhnlich außerordentliche Fakta, die sie alle schon erlebt hatten, als Beweis ihres Alters an. So sagt z. B. einer, er wisse noch gar gut, dass dieser oder jener hohe Berg noch gar nicht bestanden ist. Ein anderer zeigt wieder auf den lichten weißen Streifen über dem Himmel und sagt, er habe gesehen, wie dieser Ring von dem Großen Geist ist über das Firmament gespannt worden. Ein Dritter weiß noch die Zeit gar gut, wo noch kein Mond am Firmamente sich befand. Und so weiß einer um den anderen einen besseren Grund seines Alters als sein Vorgänger anzugeben. Wenn dann unser Rechenschaftsforderer mehrere solche Aussagen vernommen hatte, dann gibt er sich gewöhnlich zufrieden und kauft noch obendrauf vom Doktor, der nicht jünger ist als seine Nachbarn, ein solches Mittel und geht damit vergnügt nach Hause.
[27.25] Seht, das ist nun alles, was sich bei der Gelegenheit der Betrachtung dieses Tieres kundgeben lässt. Daher wollen wir uns auch von diesem Tier zu noch einem nicht zahmen Tier dieses Weltkörpers wenden und sodann auf einige zahme Haustiere übergehen.
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