[26.1] Horud, so heißt dasjenige Tier, welches wir nun wieder flüchtig betrachten wollen. Welchen Rang nimmt denn dieses Horud im Saturnus ein? Blickt auf euren Löwen; was dieser ist auf der Erde, dasselbe auch ist der Horud im Saturnus. Sieht er aber auch so aus wie euer Erdlöwe? Auf diese Frage kann weder eine gänzlich bejahende noch ebenso wenig verneinende Antwort gegeben werden. Denn dieses Tier hat so manches Ähnliche mit dem Löwen der Erde, so manches aber auch wieder gar nicht. Die nähere Darstellung aber wird es schon ohnehin zeigen, inwieweit er verschieden ist bezüglich seiner Gestalt von der des Erdlöwen.
[26.2] Wie sieht denn dieses Tier demnach aus? Was fürs Erste seine Größe betrifft, so ist es ebenso groß wie der euch schon bekannte Blaue Bär. Was aber die Farbe betrifft, da ist dieses Tier von mehrfacher Farbe, je nach der Verschiedenheit seiner Leibesteile. So ist sein Rücken hochrot bis nahe in die Mitte des Bauches. Die Schulterblätter und die Füße, sowohl die vorderen als hinteren, sind blassgrün. Der Bauch aber ist mehr dunkelgrün oder, wie ihr zu sagen pflegt, üppig grasgrün. Sein Schweif ist weiß, zu Ende desselben aber prangt ein hellroter Mähnenbusch. Die weiße Farbe des Schwanzes ist auf der oberen Seite durch regelmäßige rote Flecken verziert. Die Krallen an seinen Füßen sind ebenfalls weiß, an ihren Rücken aber mit einem roten Streifchen verbrämt.
[26.3] Insoweit wir die Farbe des Tieres jetzt beschrieben haben, sieht es der übrigen Form nach völlig ähnlich einem Löwen eurer Erde. Aber was den Hals und den Kopf dieses Tieres betrifft, so ist es sehr verschieden der Form nach von eurem Löwen. Es gibt aber schon wieder auf der Erde kein Tier, das da hätte einen diesem Tier ähnlichen Kopf. Wie sieht denn hernach der Kopf dieses Tieres aus? Dieses Tier hat einen nahe viereckigen Kopf, ungefähr so wie da viereckig ist ein an den Kanten etwas abgerundeter Würfel. Dieser Kopfwürfel sitzt mit der einen Fläche am Hals, so zwar, dass der Hals die hintere Fläche aufnimmt, aber nicht also ganz die vordere, welche gleich einer Kinnlade über den Hals um ein Drittel ihres Durchmessers hervorragt. An den beiden Seitenflächen dieses Kopfwürfels sind zwei halbkreisförmige Ohrtrichter angebracht, welche von der Fläche aus auf jeder Seite des Kopfes über eine Klafter hintanstehen und so gefärbt sind wie ein Regenbogen in sehr hellen Farben.
[26.4] Auf der oberen Fläche dieses Kopfwürfels befindet sich ein nahe eine halbe Klafter langes, kegelartiges, ganz schwarzes Horn; d. h. in der Grundfarbe ganz vollkommen schwarz; auf welcher schwarzen Fläche aber sich dennoch in einer schneckenartigen Windung regelmäßig runde Scheibchen befinden, welche aber einen sehr starken metallischen Glanz haben. Um den Fuß dieses Horns ist ein längerer Haar- oder Mähnenkranz von hellblauer Farbe so angebracht, dass dieses Horn gewisserart wie eine Säule aus selbigem hervorragt. Am Hinterhaupt und gegen den hinteren Teil, der sich an den Hals anschließt, werden diese Haare stets länger und dichter, vorwärts gegen die Stirn aber werden sie kürzer und gekrauster.
[26.5] An der Vorderfläche des Kopfes sind in einer verhältnismäßigen Vertiefung zwei im Verhältnis zum Tier sehr große Augen sitzend, wovon jedes einen Durchmesser von einer halben Klafter nach eurem Maß hat, d. h. bloß nur das eigentliche Auge gerechnet; denn mit der Höhlung und mit den Augenwinkeln dürfte jedes Auge wohl nahe eine ganze Klafter Durchmesser haben. Die Augendeckel sind von sehr dunkelroter Farbe, über den Augendeckeln aber sind ebenfalls, so wie bei einem Menschen, verhältnismäßig große und starke Brauen angebracht, die auch so gekraust sind wie die Haare um das schon beschriebene Horn, namentlich auf der vorderen Stirnseite.
[26.6] Jetzt aber kommt das eigentlich Merkwürdigste von diesem Tier, und das ist sein Mund. Ihr werdet schon sicher öfter von einem sogenannten Vogel Greif gehört haben. Seht, das ist unser Tier (bis auf den Abgang der Flügel) fast so ziemlich. Denn statt einen gewöhnlichen Rachen hat es einen ungemein starken Habichtschnabel, welcher von ähnlicher Farbe ist wie das Horn auf dem Haupt; nur sind die runden Flecken nicht schneckenartig, sondern reihenförmig von der Schnabelwurzel bis zur Spitze desselben in abnehmender Größe angebracht. Der obere Teil des Schnabels ist so wie bei jedem Vogel, den ihr kennt auf eurer Erde, unbeweglich. Der untere Teil des Schnabels aber ist samt der unteren Würfelfläche bis über die Gegend des Halses beweglich. Allda, wo der Schnabel aufhört, hat auch dieses Tier sehr mächtige Quetschzähne in seinem Rachen. Statt der Hau- und Schneidezähne aber bedient es sich überaus vorteilhaft seines mächtig starken Schnabels, welcher nahe anderthalb Klafter über die vordere Hauptfläche hervorragt, an der Wurzel aber nahe so breit ist wie die Hauptfläche selbst.
[26.7] Dieses Tier hat auch eine überaus ins Lange dehnbare Zunge, welche ungefähr die Eigenschaft eines Rüssels hat, und daher kann das Tier mit dieser seiner Zunge verschiedene Sachen mächtig ergreifen und hineinziehen in seinen Rachen. Die Wurzel des Schnabels ist ebenfalls mit gekrausten lichtblauen Haaren verbrämt, welche gegen den Hals zu mehr ins Grünliche übergehen.
[26.8] Was ist aber die gewöhnliche Farbe des Kopfes? Die gewöhnliche Farbe des Kopfes ist licht-aschfarben und unter den Augen wie auch auf der Stirn mit drei übereinanderstehenden Kreisen von hochroter Farbe geziert. Was die anderen Hauptflächen betrifft, so sind nur die beiden mit den Ohren versehenen Seitenflächen sichtbar und sind ebenfalls von aschgrauer Farbe, aber ohne weitere Verzierung. Die hintere Fläche aber ist schon, wie ihr wisst, von der oberen Fläche angefangen, mit langen Haaren verziert, deren blaue Farbe immer lebhafter wird, je mehr sie sich dem Hals nähert. Der Hals ist verhältnismäßig stark und bis zum Kopf gerade so lang wie der hintere Leib, d. h. von den Schultern der Vorderfüße angefangen bis zum Schweif hin, und ist durchaus mit reichlichen Mähnen von leuchtendblauer Farbe bedeckt. So sieht unser Tier aus.
[26.9] Was ist denn seine Tauglichkeit, und was hat es für einen Charakter; wo ist es zu Hause, und in welchem Verhältnis steht es zu den Saturnusbewohnern? Diese viergliedrige Frage wollen wir ganz kurz beantworten. Dieses Tier, da es gemeiniglich sonst ganz sanfter Natur ist, wird von den Saturnusbewohnern häufig zahm gehalten und dient ihnen durch seine Pracht und seine Arbeitsamkeit, wenn es dazu gehörig abgerichtet worden ist.
[26.10] Zu welchen Arbeiten wird es denn verwendet? Gewöhnlich zur Jagd verschiedener anderer Tiere, welche kleiner und manchmal sehr schädlicher Art sind. Auch wird dieses Tier zur Schattenzeit zum Holzfällen verwendet; denn mit seinem Schnabel beißt es so dicke Äste, namentlich von dem Pyramidenbaum, den es mit großer Leichtigkeit bis zum Gipfel erklettert, mit einem Biss wurz ab. Ja ihr müsst euch die Äste nicht selten in einer Dicke vorstellen, dass sie bei euch fünf Männer kaum umfassen dürften; und ein solcher Ast ist diesem Tier geradeso, als wann ihr in einen mürben Apfel beißen würdet.
[26.11] Wenn es von einem Baum der Äste in hinreichender Menge herabgerissen hat, dann zieht es auf ein gegebenes Zeichen, dieselben mit seinem Schnabel erfassend, auch zu den Wohnungen der Menschen und zerbeißt sie da in angegebene Stücke, welche dann unsere Saturnusbewohner alsbald zur Feuerung benützen können. Und so wird dieses Tier noch zu allerlei anderen zerbeißenden und tragenden Arbeiten verwendet.
[26.12] Nur muss aber dieses Tier jung gefangen werden, wenn es so abgerichtet werden soll. Denn wenn das Alte sich fangen ließe, so würde es nicht sich also an solche Arbeiten gewöhnen. Allein es ist da mit dem Fangen eines alten Tieres so viel wie nichts zu machen; denn fürs Erste flieht es im ungereizten Zustand jede menschliche Annäherung, wird es aber irgend umzingelt, so ist ihm eben nicht für die Länge der Zeit gar zu viel zu trauen. Denn sobald es einmal anfängt mit seinen starken Krallen in den Boden zu graben, so ist das ein Zeichen, dass die Jäger die höchste Zeit haben, sich zu entfernen. Tun sie solches nicht, so macht dieses Tier gar bald einen mächtigen Sprung um den anderen, brüllt dabei, und auf wen es da stößt, dem macht es die Kraft seines Schnabels also fühlen wie einem Baumast. Daher ziehen sich die Jäger auch alsbald zurück, wann sie das Tier in einem solchen bedenklichen Zustand erblicken.
[26.13] Wie werden aber bei dieser Bedenklichkeit des Tieres seine Jungen gefangen? Das geschieht durch eine List. Denn die Saturnusbewohner derjenigen Gegenden, wo dieses Tier zu Hause ist, wissen gar wohl, dass dasselbe ein großer Freund von berauschenden geistigen Getränken ist, aber nur zu der Zeit, wenn es Junge hat, und da sowohl das Männlein als das Weiblein, die sich nur durch die Geschlechtsteile unterscheiden. Bei dieser Gelegenheit bringen dann die Saturnusjäger in ziemlich viel innehaltenden Gefäßen solche Getränke in die Nähe, da sie wissen, wo sich ein solches Tier aufhält. Da braucht es dann nicht lange zu warten und das Tier ist schon mit vollem Appetit bei dem Köder. Wann es die Gefäße geleert hat, kehrt es sich ganz sanft wieder um und geht zur Stelle, da seine Jungen sind, deren dieses Tier gewöhnlich zwei, drei bis vier zur Welt bringt. Hat es nun diese Stelle erreicht, dann legt es sich alsbald nieder und schläft so fest ein, dass es vom Raub seiner Kinder nichts merkt. Die Kinder werden da in die Wohnungen der Menschen gebracht und für ihre Tauglichkeit abgerichtet. Die alten aber werden zur ferneren Fortpflanzung am Leben erhalten.
[26.14] Seht, das ist das Ganze unseres nun bekanntgegebenen Tieres, nur wisst ihr noch nicht, wo es zu Hause ist. Es wohnt nur allein in den südlichen Gegenden des Saturnus und daselbst nur in denjenigen Kontinentländern, welche sich nicht über den 45. Grad der südlichen Breite ausdehnen. Denn da dieses Tier nur die Meeresgegenden liebt, so ist es auch nur daselbst zu Hause, wo das Land nicht den besagten Grad übersteigt, wo es dann auch die diesem Tier zusagende hinreichende Wärme hat. Übersteigt aber das Land bedeutend besagten Grad, so wird es natürlicherweise auch kälter daselbst, wo es mit dem Meer zusammenstößt, aus welchem Grund es dann für dieses Tier durchaus nicht mehr taugt.
[26.15] Denn dieses Tier hat den eigenen Instinkt, dass es weder westlich noch östlich ein Land bewohnen will, sondern nur allein die südliche Mitte. Befindet sich diese im gerechten Verhältnis, so lebt auch dieses Tier in einem solchen Land. Ist aber dieses Verhältnis nicht da, so kommt es auch in einem solchen Land ganz und gar nicht fort und lässt sich auch nicht erhalten; daher dieses Tier auch nie im Innern eines Landes gesehen wird, und wird es manchmal aus Seltenheit dahin gebracht, so geht es auch in kurzer Zeit sicher zugrunde.
[26.16] Nun habt ihr ganz vollkommen alles Denkwürdige von diesem Tier. Und somit auch wollen wir uns wieder zu einem anderen, nur diesem Planeten allein eigentümlichen Tier wenden.
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