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88. Die glückliche Gesellschaft begrüßt Martin. Martins Hinweis auf den Herrn als alleinigen Wohltäter. Das eine, was noch fehlt

[88.1] Bischof Martin geht nun mit Borem hinter der Schutzwand, die ziemlich gedehnt ist, hervor, und bei 1.500 kommen ihm jubelnd entgegen und begrüßen und danken ihm für seine erste Versorgung, die er ihnen hat angedeihen lassen und fürder für die weisen Lehren, die er ihnen auf die vergangene wahrhaftigste Prüfungsreise mitgegeben habe.

[88.2] Alle bezeugen ihm nun eine große Freude und eine noch größere Liebe und Achtung, worüber sich unser Bischof Martin nun recht sehr erfreut, und das darum umso mehr, weil er nun aus ihrem schon sehr wohlgestalteten Aussehen (welches davon zeugt, das sie alle auf dem besten Weg sich befinden) den geläuterten inneren Zustand ersieht.

[88.3] Mit großem Wohlbehagen betrachtet er eine Zeit lange die große Gesellschaft und kann sich über ihr gutes Aussehen nicht sattsam und genug verwundern. Nach einer geraumen Weile erst spricht er:

[88.4] [Bischof Martin:] „O ihr alle, meine liebsten Freunde, Brüder und Schwestern, wie sehr freue ich mich nun euretwegen, wie auch, dass ihr mir alle nun so liebreich entgegenkommt. Aber mich müsst ihr weder ehren, noch danken und loben darum, dass ihr alle nun gerettet seid und euch alle im hehrsten Vorhof zum wahrsten Himmelreich befindet – sondern alle Ehre, aller Dank und alles Lob gebührt dem Herrn, dessen endlose Gnade euch ganz allein so herrlichst umgestaltet hat! Mich aber liebt als euren Bruder, der mit euch allen einen und denselben Gott und Herrn zum Vater hat!

[88.5] Diesen einzigen, wahrsten, heiligsten Vater aber lasst uns lieben ewig ohne Maß und ohne Ziel! Denn Er allein tut alles und ist allein alles in allem! Ihm allein sei daher auch alle Ehre, aller Ruhm und Dank und alles Lob!

[88.6] Ich und dieser mein lieber Freund und Bruder waren Zeugen, wie euch der Herr ganz allein geführt hat, und hinausgeschafft allen Unrat aus eurem Herzen, und hat um euch gegen die Hölle einen heißen Kampf gekämpft und gestritten wie der alte Löwe Israels!

[88.7] Daher tut nun alle eure Herzen weit auf, damit der Herr aller Ehre und Glorie bald zu uns allen den vollsten Einzug halten möchte, und sodann verbleiben in uns und bei uns allen ewig!“

[88.8] Als die Gesellschaft solche gute Anrede von ihrem Hausherrn vernommen hatte, da ward sie wie verklärt und lobte in ihm den Herrn, der dem Menschen eine so große Macht und Weisheit gegeben hat. Und darauf gingen alle die ersten der Gesellschaft zu ihm und baten ihn, dass sie bei ihm als seine geringsten Diener verbleiben dürften.

[88.9] Spricht darauf der Bischof Martin: „O Freunde, Brüder und Schwestern, nicht als meine Diener, sondern als meine liebsten Brüder und Schwestern ewig mit dem gleichen Besitzrecht alles dessen, was mir der Herr so überschwänglich reichlichst gegeben hat! Denn ohne euch wäre mir lästig diese endlose Pracht und Herrlichkeit; aber an eurer Seite macht mir alles umso mehr Freude, je mehr ich dadurch Gelegenheit überkomme, euch die größtmöglichste Freude zu machen!

[88.10] O bleibt alle hier und freut euch mit mir des Herrn, der uns hier in Seinem Reich eine so übergroß-herrliche Wohnung bereitet hat und, wie ich’s nun gerade bemerke, diese Wohnung auch mit einem Tisch versah, der für uns alle zur ewigen Übergenüge mit dem herrlichsten Brot und Wein besetzt ist. Und das alles, alles, alles, ohne dass es auch einer aus uns je im Geringsten verdient hätte durch einen gerechten Lebenswandel nach Seinem Wort! Daher also loben, lieben und preisen wir Ihn aber auch ewig umso mehr, da Er uns in der Fülle gegeben hat solche Herrlichkeit, deren wir nicht im Geringsten wert waren, wert sind und wert sein werden!

[88.11] Ihr seht nun alle, wie Seine Liebe zu uns kein Maß und kein Ziel hat; darum aber sei auch die unsrige ewig ohne Maß und ohne Ziel! Alles haben wir nun als vollkommen Selige; nur eines geht uns zu diesem allem noch ab, und dieses eine, meine lieben Brüder und Schwestern, dieses eine ist der Herr, sichtbar in unser aller Mitte! Bitten wir Ihn daher in unserem Herzen, dass Er uns auch diese allerhöchste Gnade erweisen möchte!“

[88.12] Die ersten der Gesellschaft stimmen dem Bischof Martin bei, jedoch mit dem Bemerken: „Dieses wohl ist auch unser aller höchster Wunsch; aber wir sind der Verwirklichung desselben noch viel zu unwürdig. Daher danken wir für das, was uns der Herr beschied, dessen wir wohl auch vollends unwert sind. Der Wunsch, den Herrn zu sehen, aber sei stets unser aller höchstes und ewigstes Bestreben!“

[88.13] Spricht Bischof Martin: „Habt recht, habt recht, liebe Brüder, also gebeut es uns die rechte Weisheit; aber die Liebe überschreitet oft die Weisheit und tut, was sie will! Und in diesem Punkt halte ich’s nun mit der Liebe. Tut auch ihr also und ich glaube, es wird durchaus nicht gefehlt sein!“

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