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72. Die große Gnade des Herrn mit den dreißig Jesuiten. Durchforschung der Herz-Jesu-Damen. Eindringlinge im Klostergarten

[72.1] Borem aber spricht: „Freund und Bruder, danken wir der endlosen Weisheit des Herrn und Seiner unbegreiflichen Liebe und Erbarmung, dass Er gegen unser beiderseitiges Erwarten mit dieser Gesellschaft so sanft und kurz verfahren hat wollen. Denn derlei Prüfungen dauern bei manchen oft besser Bestellten gar viele irdische Jahre, während sie bei dieser Gesellschaft nur drei Tage nach irdischer Rechnung gedauert haben. Freilich, das Gefühl dieser Geprüften wird wohl mit einigen Dezennien belastet worden sein. Allein was tut das zur Wirklichkeit oder was zu einer solchen Gefühlsgestaltung, unter der der Geprüfte oft mit tausend-, ja oft sogar mit millionenjähriger Dauer belastet wird?

[72.2] Kurz und gut, ich sage dir, der Herr war diesen dreißig Jesuiten überaus gnädig! Sie haben nun das Schlimmste überstanden. Sie sind wirklich bis an den Rand des Abgrundes gekommen und waren also der Hölle endlos näher als dem Himmel, der wohl noch sehr weit von ihnen absteht. Aber sie sind gerettet und kommen nun in die Rekonvaleszenz, und damit ist schon endlos viel gewonnen, wofür dem Herrn allein alle endlose Ehre gebührt ewig. Denn was dem höchsten Engel nicht mehr möglich ist, das ist dem Herrn noch gar wohl möglich!

[72.3] Du möchtest in diesem dritten Akt wohl noch mehrere Szenen beschauen, darum du noch so aufmerksam hineinblickst in das Hinterhaupt. Aber ich sage dir, da wirst du nun nichts mehr erschauen. Denn diese Gesellschaft geht nun in sich und dann zu ihren besseren Brüdern über und harrt dann der Losschälung von dieser materieartigen Umgebung, die sogleich erfolgen wird, als [wenn] wir noch die Herz-Jesu-Damen durchschauen werden.

[72.4] Damit diese aber darauf nicht gar zu lange warten sollen, so wollen wir uns sogleich zu den besagten Damen hinbegeben und wollen sie auf die gleiche Weise beobachten, wie wir diese dreißig Jesuiten beobachtet haben. Siehe, da sind sie schon! Du kannst dir eine wählen, die du willst; überall wirst du ganz dasselbe sehen!“

[72.5] Bischof Martin: „Gut, wenn so, da ist ja gleich diese Nächste gut genug; also nur in das Hinterhaupt geschaut. Richtig, richtig, wie bei den dreißig. Da sehe ich ja alle, wie sie hier sind, auf einem Schock beisammenstehen, und zwar in einem Garten, der mit einer starken Mauer umfangen ist, an deren nördlich gelegener Ecke ein ganz finster aussehendes Klostergebäude angebracht ist.

[72.6] Sie scheinen gar emsig miteinander Worte zu wechseln, kann aber noch nichts vernehmen, was sie so ganz eigentlich miteinander beraten. Nur bemerke ich, dass sie bald dunkler, bald wieder ums Kennen heller werden, gerade wie ich oft auf der Erde gesehen habe, wenn die Winde Wolken über die beschneiten Bergspitzen trieben, da diese dann auch unter den Schatten der Wolke grau wurden, und wann die Wolke den Strahlen der Sonne wieder den Weg geräumt hatte, diese dann die Bergspitzen gar lieblich schimmern machten! Woher wohl bei diesen Herz-Jesu-Damen diese Erscheinlichkeit rühren mag?“

[72.7] Spricht Borem: „Lieber Bruder, du hast ein recht gutes Bild für diese Erscheinlichkeit aufgestellt und du kannst in diesem deinem naturmäßigen Bild ganz wohl die Erklärung dieser Erscheinlichkeit finden. Siehe, auch hier ziehen über die Bergspitzen der verschiedenen Erkenntnisse dieser Damen Wolken der Nichterkenntnisse, getrieben von den Winden ihrer weltlichen verschiedenartigen Leidenschaften. Du weißt aber, dass, so auf der Welt die Winde mit den Wolken ein von dir vorbeschriebenes Spiel zu treiben anfangen, es dann bald zu einem schlechten Wetter kommt. Siehe, so wird es auch hier der Fall sein geistig erscheinlich.

[72.8] Merkst du nicht, wie diese Verdunklungen sich stets anhaltender wiederholen? Siehe, das deutet schon ganz zuverlässig dahin, dass da der so ganz eigentliche Tanz sogleich angehen wird. Wenn die Verdunklung nimmer aufhören wird, dann wird des bösen Wetters Vorakt gleich beginnen. Gebe nur genau auf alles Acht; hier wirst du noch interessantere Dinge ersehen als wie bei den dreißig Jesuiten!“

[72.9] Spricht Bischof Martin: „Ja, ja, richtig, richtig, du hast recht! Ich merke schon bei einigen, dass sie sich nimmer erhellen wollen, also, wie du gesagt hast, dunkel bleiben und auch richtig stets dunkler werden. Es will sich nun auch bei den übrigen das liebe Licht nicht mehr in seiner Stärke zeigen, sondern es geht, wie ich’s merke, so nach und nach ins Grau über.

[72.10] Wahrlich, eine ganz sonderbare Mischung nun von Dunkel und Grau, die schon sehr dunkler wird, nun so von unten herauf wie mattglühendes Eisen gefärbt. Das scheint entweder von einem in ihnen erwachten Grimm oder am Ende gar von der Hölle herzurühren. Höre, du mein liebster Bruder, das sind ganz verzweifelt verdächtige Prämissen zu nachkommenden bösen Erscheinungen!

[72.11] Nun entdecke ich, dass durch die Tür des Klosters sich zwei männliche Wesen in den Garten begeben, inmitten dessen sich unsere Herz-Jesu-Damen nun schon ganz verzweifelt stark verdunkelt befinden, aber nun noch nicht zu merken scheinen, wie sich diese zwei männlichen Eindringlinge nun schon ganz in ihrer Nähe befinden.

[72.12] Aha, aha, aha; jetzt wohl, jetzt! Nun wird die Hetz’ etwa wohl bald angehen! Denn unsere Damen haben nun schon wie einen Wind bekommen, dass sich jemand in ihrer Nähe befindet, der sich wahrscheinlich nicht in ihrer Nähe befinden sollte. Denn ich sehe glühende Dolche in ihren Händen, die sie nun nach auswärts richten, um die zwei Ankommenden auf eine eben nicht zu liebreiche Art zu empfangen.

[72.13] Nun richtet sich die Oberin auf und gebietet mit Handzeichen allgemeines Schweigen. Was wohl wird da herauswachsen? Vielleicht wird da eine ganz löbliche Anrede gehalten werden? Ja, ja, wird wohl so etwas werden; denn siehe, sie räuspert sich schon ganz großartig dazu. Wahrlich, da bin ich doch sehr neugierig, was da diese Priordame den übrigen Unterdamen voreseln wird. Richtig, nun also nur aufgepasst, sie spricht:

[72.14] [Die Priordame:] „Hört mich an, ihr alle meine ehrwürdigsten und hoch zu respektierenden Damen! Unserem höchsten, würdigsten und heiligsten Orden droht eine große Gefahr! Es haben sich zwei freche Männer, die ich lieber ‚Buben‘ nennen möchte, durch unser heiliges Kloster in diesen unseren Gottesgarten hereingeschlichen. Wahrscheinlich, um mit uns Unzucht und Fidelei zu treiben oder wenigstens hier unseren heiligen Besitz auszuspionieren, wie er uns, falls wir ihn nicht mit Ruhe übergeben, mit Gewalt entrissen werden könnte! Aber diese Buben sollen ihren Vorwitz teuer büßen!

[72.15] Hört, wir sind unser bei neunzig an der Zahl, wie ich euch hier nur flüchtig übersehe! Wenn diese zwei frechen Buben sich uns nahen sollten, oder auf unseren Zuruf: ‚Hinaus mit euch, ihr gottesvergessensten ehrlosesten Buben!‘ sich nicht sogleich eiligst entfernen sollten, da fallen wir sie alle zugleich an! Und jede von uns stoße ihnen den glühenden Dolch in die Brust bis ans Heft! Sind sie also getötet, dann erst lassen wir sie durch unseren Hausknecht extra hier in diesem Garten in Stücke zerhauen und dann auf einem verfluchten Scheiterhaufen verbrennen, auf dass dieses Gottesheiligtum wieder gereinigt werde!“

[72.16] Spricht Bischof Martin: „Schau, schau; diese lieben Dämchen des Herzens Jesu, was sie für liebevolle Blutgedanken haben! Ah, das ist ja allerliebst! O ihr gottlosesten Kanaillen! Nein, das hätte ich von diesen wahren Furien der Hölle nicht erwartet! No, wenn da schon das Vorspiel einen so löblichen Anfang nimmt, wie wird es dann erst mit den nachfolgenden Prüfungsakten aussehen? Da sieh nur hin, die zwei Männer sehen dir sehr liebevoll aus, und ich könnte von ihnen sagen: ‚Siehe hier zwei Menschen, in deren Seelen kein Falsch zu entdecken ist!‘ Und diese bösen Kanaillen verdammten sie schon, ohne sie noch recht gesehen und noch weniger gesprochen zu haben!“

[72.17] Spricht Borem: „Sei nur ruhig, du weißt ja, wie sich diese Sachen verhalten; lasse sie ganz ruhig handeln! Wenn es an der Zeit sein wird, sich hier ins Mittel zu legen, werden wir schon von der Tafel erinnert werden. Vor dem aber seien wir nichts als bloß nur ruhige Beobachter des hier Vorsichgehenden. Betrachte nun nur wieder weiter!“

[72.18] Bischof Martin betrachtet nun sehr aufmerksam wieder die vor sich habende Szene und spricht nach einer Weile: „Du, Bruder, jetzt gehen die zwei Männer wieder zur Tür des Klosters und machen Mienen, als wollten sie sich wieder auf- und davonmachen aus diesem gottesheiligtümlichen Garten.

[72.19] Aber die Damen bemerken das und schreien nun ganz wider ihre frühere Vornahme: ‚Halt, keinen Schritt weiter, ihr gottlosen Buben!‘

[72.20] Die zwei Männer scheinen gar nicht darauf zu achten und nähern sich der Ausgangstür stets mehr und mehr. Aber die Damen merken nun das, wie diese beiden auf ihren Zuruf nicht merken wollen, und werden höchstwahrscheinlich darum nun vollends glühend und stürzen mit einem furchtbaren Geschrei nun den zwei Männern nach und vertreten ihnen die Tür.

[72.21] Ein Teil aber umringt die zwei Männer mit gezückten Dolchen und fragt sie mit der drohendsten Miene wie aus einem Munde: ‚Was suchtet ihr hier, ihr verruchtesten Buben? Gesteht euren bösesten Vorsatz, gesteht uns euren verräterischen Plan, auf dass wir euch dann ohne Gnade und Erbarmen desto ärger quälen können! Denn ihr habt durch euer frechstes und allerunverschämtestes Eintreten in diesen Gottesgarten Gottes Heiligtum entheiligt und habt sogestaltig den Geist Gottes mit den Füßen getreten! Solch eine allerfrevelhafteste größte Todsünde aber sühnt nur der Tod, und nur eure ewige Verdammnis kann der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung verschaffen! Redet daher, ihr schon im Voraus Allerverfluchtesten!‘

[72.22] Die zwei Männer reden nun und sagen: ‚Hört uns geduldig an! Wir sind von Gott an euch abgesandt, um euch aus eurer großen Torheit zu befreien. Aber da wir an euch ersehen nichts als Zorn- und Racheglut, so seid ihr für solch große Gnade noch lange nicht reif und werdet von nun an überlang zu warten haben, bis ihr dieser Gnade würdig werdet. Habt ihr nicht gehört, dass wer da richtet und flucht, selbst gerichtet und verflucht wird?! Wir aber wollen es euch nicht vergelten, nicht Böses für Böses geben. Daher besinnt euch und lasst uns im Frieden ziehen, sonst wird es euch arg ergehen!‘

[72.23] Die Damen fallen nun ganz ergrimmt mit ihren Dolchen über die zwei; aber diese verschwinden und die Damen bedolchen sich nun selbst in ihrer blinden Wut.“

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