(Am 1. Januar 1848)
[71.1] Bischof Martin sieht nun wieder in das Hinterhaupt des vor ihm stehenden Jesuiten und ersieht, wie die dreißig gegenseitig sich ganz bedenkliche Mienen zuzuwerfen anfangen und einer aus ihnen folgende Bemerkung macht:
[71.2] [Ein Jesuit:] „Brüder, der Sieg ist uns wohl gelungen zwar, aber so ich der Sache auf den Grund blicke, da kommt es mir vor, als so wir denn doch sehr ungerecht und vollends unbefugt mit der nun in der Hölle brennenden Karawane verfahren hätten; denn, ob sie uns wohl stark verlästert hat, so haben wir aber nach dem Evangelium dennoch kein Recht, sie zu richten und zu verdammen.
[71.3] Dazu kommt mir nun noch die Lehre wie ganz frisch in den Sinn, die der Himmelsbote uns allen gegeben hat, bevor wir in diesen unseren ganz freien Zustand unseres Seins gelangt sind. Nach dessen weiser Lehre sollen wir allen Anreizungen allein nur mit Liebe, Sanftmut und Demut begegnen. Hier aber hat keins von diesen drei Stücken etwas zu tun bekommen, sondern, wie figura miserabilissima [das erbärmlichste Beispiel] gezeigt hat, so haben uns buchstäblich die drei allerärgsten Teufel an der Sanftmut und Gerechtigkeit nun übertroffen und uns dadurch gezeigt, dass wir noch um vieles ärger sind als sie!
[71.4] Brüder, wie kommt euch die Sache vor? Ich gestehe, mir fängt sie an, ganz verdammt seltsam vorzukommen! Überhaupt kommt mir hier in dieser Geisterwelt alles so verfänglich vor, und das eigenmächtige Handeln, zu dem man von den Boten Gottes keinen Auftrag hat, scheint mir schon gar wider alle Ordnung der Dinge in dieser höchst mysteriösen Welt zu sein. Mir kommt es auch so vor, als so mir jemand ganz geheim also zuflüstern möchte: ‚Diese eure allergrausamste Tat werdet ihr ewig zu bereuen haben!‘ – Ei, ei, ei, wenn ich doch nur bei dieser Begebenheit nicht zugegen gewesen wäre!“
[71.5] Auf diese gute Bemerkung stutzen wohl die andern neunundzwanzig. Aber sie sagen nach einer Weile wie aus einem Munde: „Ja, ja, du hast im Grunde wohl recht. Aber denke dir selbst, ob wir anders sein können, als wir sind! Wir sind einmal so, wie wir sind, und können nicht anders handeln, als wie wir zu handeln genötigt werden – und damit ist Punktum! Wer den Zorn in uns gelegt hat, der muss sich ihn auch gefallen lassen und ebenso die anderen widrigsten Eigenschaften, mit denen unsere Seele so reichlich ausgestattet ist.
[71.6] Wer der Klapperschlange das tötende Gift gab, dem muss es doch also wohlgefallen haben, ansonsten er diesen Wurm nicht so böse eingerichtet hätte! Also mussten auch wir Jesuiten werden und in unserem Orden lernen, wie man dem Zorn und der Rache den freiesten Weg bahnen kann und die größte Bosheit zur größten Ehre Gottes mit dem freiesten Gewissen vollführen; wir aber sind nun das vollkommen, wozu wir berufen sind! Was willst du, ja was will Gott von uns noch mehr?“
[71.7] Spricht der eine Jesuit: „Ja, ihr habt recht! Wir sind sonach zu barsten Teufeln berufen und sind es auch mehr als vollkommen. Was wollt ihr mehr? Uns alle erwartet sonach sicher nicht der Himmel, sondern die reinste Hölle. Was wollen wir mehr? Also fahren wir in unserer Bosheit und Tücke nur fort, damit wir desto eher in die segensvolle ewige Verdammnis gelangen mögen! Wünsche euch den besten Appetit dazu! Ich aber werde von nun an nicht mehr mit euch halten, um nicht mit euch die hohe Ehre zu haben, etwa auch schon im nächsten Augenblick mit euch auch mich auf der schwefeldampfenden, sehr warmen Flut zu befinden. Wahrlich, um diese hohe Ehre werde ich euch in Ewigkeit nicht im Geringsten beneiden!“
[71.8] Sprechen wieder die andern neunundzwanzig wie aus einem Munde: „Was, du willst deinem Orden ungetreu werden! Den erhabenen Stifter Ignatius willst du verlassen und seiner heiligsten Lehre ungetreu werden? Was fällt dir ein? Bedenke, dass uns alle noch ein Jüngstes Gericht erwartet; wie wirst du in diesem bestehen? Wir sagen dir, wenn du das tust, so soll’s dir noch tausendmal ärger ergehen als es der früheren Karawane ergangen ist!“
[71.9] Spricht wieder der eine Jesuit: „Nur zu! Ich bleibe meiner Vornahme – Gott stärke mich dazu! – getreu. Ihr aber könnt tun, was ihr wollt! Wegen dem Jüngsten Tage lasse ich mir gerade kein graues Haar wachsen, aber wegen dem sicheren Empfang der ewigen Verdammnis in eurer Gesellschaft wohl! Ignatius hin, Ignatius her, ich folge von nun an den Worten des Boten Gottes, und der Ignatius samt euch allen kann mich – hätte bald was gesagt! – sowie auch der ganze Orden, wohlverstanden!
[71.10] Denn wie ich’s nun einsehe, so ist dem Herrn sicher der After eines Türken lieber als unser ganzes lumpigstes Kollegium samt seinem erhabenen Stifter! Verstanden?! Alle Lutheraner, Calvinisten und alle Altgläuber sind Engel, während wir nach unseren Regeln und Institutionen Teufel in optima forma sind.
[71.11] Tut mit mir, was ihr wollt, ich werde mich nimmer rächen! Mich reut es ungemein, dass ich mich an der armen Chinesin so arg vergriffen habe; aber dafür, Gott sei Dank, bin ich samt euch doch gehörig gezüchtigt worden! Aber die zweite Teilnahme an der Verdammung der armen Karawane brennt mich schon jetzt wie die Hölle. Was würde aus mir erst werden, so ich länger euer Spießgeselle bliebe? Daher lebt wohl, ich verlasse euch!“
[71.12] Als dieser eine Jesuit das ausspricht, so fangen ihn alle zu verdammen und zu verfluchen an, umringen ihn, zerfleischen ihn und teilen seine Haut untereinander aus. Den Hautlosen aber werfen sie aus ihrer Rotte und werfen Steine nach ihm und rufen alle Teufel, dass sie ihn holen sollen.
[71.13] Die Teufel kommen richtig, aber den Enthäuteten holen sie nicht, sondern die nur, die sie gerufen haben. Diese aber sträuben sich entsetzlichst und schreien um Hilfe. Da richtet sich der Enthäutete auf und gebeut [gebietet] den Teufeln, dass sie der Blinden schonen sollen. Und siehe, die Teufel gehorchen ihm und verlassen die Rasenden!
[71.14] Diese Szene machte auf den Bischof Martin auch einen guten Eindruck und er schaut nun begierigst, was da weiter geschehen wird.
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