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6. Angenehme, aber gefährliche Überraschung im neuen Dienst. Die Schafherde – eine Menge schöner Mädchen

[6.1] Seht nun, unser Mann geht in seiner Bauernkleidung mit einem ziemlich voluminösen Buch unter dem Arm hinaus, allwo ihm die Herde gezeigt wurde, die sich in der (geistigen) Entfernung der Erscheinlichkeit nach wirklich als Schafe und Lämmer ausnahm; in der geistigen Nähe aber nur aus lauter frommen und sanftmütigen Menschen bestand, und zwar zumeist aus weiblichen Seelen, die auf der Welt so recht kreuzfromm gelebt haben; aber dabei auf die römische Geistlichkeit doch bei weitem größere Stücke hielten denn auf Mich, den Herrn, da sie Mich nicht kannten und jetzt auch noch nicht erkennen – daher sie denn in einiger geistigen Ferne sich noch jetzt als Tiere sanftester Art ausnehmen.

[6.2] Als nun unser Mann hinauskam, so recht wohlgemut wie einer, der nach langer Praxis zum ersten Mal in ein besoldetes Amt gesetzt wird, da setzte er sich auf einen bemoosten Stein nieder und sah um sich herum, wo die Schafe und die Lämmer wären. Aber er entdeckte nun nichts mehr von diesen nützlichen Haustieren, sondern eine große Menge allerschönster und zartester Mädchen nur, die auf einem weitgedehnten Wiesenteppich Blumen sammelten und daraus die schönsten Kränze und Kränzchen flochten und dabei recht munter umherhüpften.

[6.3] Als unser Mann solches merkte, da sagte er zu sich selbst: „Hm, hm, das ist doch sonderbar! Es ist doch derselbe Platz, dieselbe Wiese, auf der ich ehedem eine nahe zahllose Menge von Schafen und Lämmern entdeckte, und nun ist die Herde wie weggeblasen und an ihrer statt tausend der allerliebsten Mädchen, von denen aber schon die eine schöner ist als die andere! Aufrichtig gesagt, wenn diese ganze Geschichte nicht irgendeine sehr verfängliche Lumperei ist, so wäre mir diese Herde freilich wohl ums Unglaubliche lieber; aber man darf hier im Ernst seinen Sinnen nicht trauen, denn – kehr’ die Hand um, und es ist alles ganz anders!

[6.4] O weh, o weh, jetzt kommen sie, ohne dass ich sie verlesen habe, alle auf mich zu! No, no – ’s ist auch recht; da werde ich diese lieben Kinder doch in der Nähe so recht nach Herzenslust betrachten können, und – oh, oh! – vielleicht kann ich hier etwa gar eine oder die andere umarmen?! Wenn das, da wäre es wahrlich gar nicht übel, so in alle Ewigkeit hier ein Hirte einer so herrlich metamorphosierten (verwandelten) Schafherde zu sein! Wirklich nicht übel, nicht übel!

[6.5] Sie kommen näher; und je näher, desto herrlicher sehen sie aus! Die eine dort in der Mitte voran – oh, oh, oooooh – sapperment! – ist aber die schön! O Kraft meiner Moral, jetzt verlass mich nicht, sonst bin ich verlesen! Es ist nur gut, dass hier das dumme Zölibat keine Geltung mehr hat, sonst könnte unsereiner hier auf die leichteste Art zu einem Todsünder werden!

[6.6] Ich soll sie aus dem Buch wohl beim Namen rufen, aber das werde ich nun fein bleiben lassen; denn dann würden sie offenbar davonrennen und sich nimmer blicken lassen! Daher nur schön ruhig nun, du mein hübsch dickes Namensbüchlein; vor dieser Herde sollst du so hübsch verschlossen bleiben!

[6.7] Sie kommen näher und näher, und – nur still jetzt, noch zehn Schritte und sie sind da; ja, da ganz bei mir werden die lieben Engerl sein! O ihr lieben, lieben, lieben Engel!!!“

[6.8] Seht, nun sind „die lieben Engel“ schon bei unserem Mann, umringen ihn und fragen ihn, was er hier zu machen habe.

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Bischof Martin

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