[54.1] Nach einer Weile von irdischen zwölf Stunden, nachdem er den geistig kunstvollen Erdglobus klein durchmustert hat, und niemand zu ihm mehr kam, begann er wieder folgendes Gespräch mit sich zu führen, das da also lautet:
[54.2] [Bischof Martin:] „So, so – da hätte ich nun wieder einmal die Erde beschaut und muss sagen, da geht es schändlich zu! Nein, diese Betrügereien, diese Falschheiten, diese Bosheiten, diese schändlichste Politik und diese namenlosen Grausamkeiten, die da in allen Zonen verübt werden! Das ist wahrlich sogar alle englischen Begriffe übersteigend!
[54.3] Nein, man muss einen barsten Ekel vor allem Leben bekommen, so man auf der Erde die schändlichsten Ausartungen desselben so recht ins Auge fasst! Inmitten der schreiendst größten Wunder Gottes haben so viele Millionen Menschen nahe keinen Begriff von Ihm und handeln auf eine so eigentümlich herrschsüchtige Art, als wollten sie im Ernst ewig leben auf einer Welt, der doch Milliarden Sigille des Todes von allen Seiten her aufgedrückt sind. Wahrlich, das ist doch sonderbar, sonderbar! Ich bin wohl auch noch ein ziemliches Stück Vieh; aber was zu toll ist, das ist zu toll!
[54.4] Meine römischen Genossen halten wohl Konklave und Konzilium. Aber der Grund davon ist nicht der Herr und der Geist der Lehre des Evangeliums, sondern lediglich die allerstinkendste Herrschgier nur, die da verborgen beratet, durch welche schändlichsten Mittel sie am ehesten zu ihrem Zweck gelangen könnte.
[54.5] Desgleichen trachten auch die Evangelischen, durch die Macht der reinen Vernunft bald über die ganze Erde zu siegen und ihr dann neue Gesetze vorzuschreiben, die auch mehr zum Besten der Gesetzgeber als zum Besten der Gesetzempfangenden gerichtet sind.
[54.6] Die hohe bischöfliche Kirche Englands bemüht sich auch auf das kräftigste, die Lehre vom Geben durch allerlei schändliche Mittel unter ihre Gemeinde auszubreiten. Aber sie selbst gibt keiner toten Katze auch nur ein Loch zum nötigsten Einscharren!
[54.7] Kurz und gut, auf der Erde geht es wirklich schon zu, dass es offenbar in der Hölle nimmer ärger zugehen kann. Weg daher mit dir, du schändliche Welt! Wer ehe nicht schlecht war, der muss ja schon schlecht werden, so er dich nur ansieht – geschweige erst, so er auf deinem Boden bei fünfzig Jahre selbst das Amt eines römischen Bischofs ausgeübt hat!
[54.8] Ich bin auch wirklich ein sehr schlechtes Luder von einem Geist hier in diesem Pseudohimmelreich; aber, was kann ich da tun? Vielleicht wird sich meine Bosheit doch etwa in 2.000 wirklichen Jahren legen, so alles Irdische aus mir verraucht sein wird? O ich Vieh, ich Vieh!“
[54.9] Nach diesem Selbstgespräch wird der Bischof Martin wieder still und überlegt bei sich, was er nun tun soll; aber es fällt ihm nichts so recht Gescheites ein.
[54.10] Nach längerem Simulieren fällt ihm endlich ein, dass er die schönen Galerien dieses seines Hauses noch nicht durchsucht und besichtigt habe. Er fängt daher den Aufgang an zu suchen, um auf diese zu gelangen. Aber dieser ist verborgen, so dass er ihn nicht finden kann. Er begibt sich darum hinaus und sucht außerhalb seines Hauses den Aufgang; aber auch da ist nirgends eine Spur von irgendeinem Aufgang in die Galerien!
[54.11] Es kommt ihm überhaupt stets sehr komisch und unbegreiflich vor, dass dieses sein Haus von innen eine so übergroße Halle darstellt, während es von außen nicht viel größer und ansehnlicher aussähe, als auf der Erde irgendein Eremitenhäuschen. Auch wundert es ihn nicht wenig, dass er außerhalb dieses seines Gartenhauses keine Spur von den zwölf inneren Seitengemächern entdeckt, während diese im Innern des Hauses doch eine so wunderbare Rolle spielten.
[54.12] Da er sich aber eine Zeitlang außerhalb seines Hauses aufhält und nichts von allem dem findet, was er so gerne finden möchte, so geht er darauf etwas verdrossen in seinem kleinen Garten eine Zeitlang herum, und findet einige unansehnliche Beeren, die er sobald abbrockt und verzehrt, da es ihn ein wenig zu hungern beginnt. Aber diese Kost schmeckt ihm gerade nicht am besten, daher er davon eben nicht zu viel genießt. Er sucht zwar noch eine kleine Zeit herum. Da er aber nichts findet, so geht er wieder in sein Haus und gibt da auch auf, die Galerien dieses seines Hauses fernerhin besteigen zu wollen.
[54.13] Im Haus geht er wieder an die weiße Tafel und beschaut sie von vorne und von rückwärts, findet aber noch keine Veränderungen an ihr; auf der Vorderseite ist sie noch leer und auf der Rückseite gegen den astronomischen Mechanismus aber stehen die früheren lateinischen Verse darauf, also für unseren Bischof Martin nichts Interessantes. Er begibt sich daher wieder zu einer Tür, und zwar zu der der Sonne und öffnet sie, und schaut durch diese die sehr fern stehende Sonne und ergötzt sich an ihrem Licht wenigstens, da er sonst nichts entdecken kann.
[54.14] Nachdem er ungefähr ein paar Stunden lang, nach der Rechnung seines Gefühls, da hinausschaut, fängt er nun wieder mit sich folgendes Gespräch an, sagend:
[54.15] [Bischof Martin:] „Die Erde ist wohl im Ganzen genommen ein Narrenhaus, aber so dumm ist sie denn doch nicht als diese sein sollende himmlische Welt. Denn was auf der ist, das ist es und bleibt es auch, oder kommt wenigstens als Gleiches wieder zum Vorschein.
[54.16] Die Sterne am Firmament sind stets dieselben; ein Haus bleibt sich so lange gleich, bis man es abgerissen und ein anderes an seine Stelle gesetzt hat. Aber hier ist alles wie ein dummer Traum nur! Man hat es einmal gesehen und kehrt man sich dann um und möchte dasselbe wieder sehen, etwa von einer anderen Seite, dann ist keine Spur mehr da von allen dem, was man früher gesehen hatte von einer Seite.
[54.17] Man nehme jetzt nur diese Tür, durch die ich nun in eine viele Millionen Meilen weite Entfernung hinausschaue! Wo ist sie, so ich außerhalb des Hauses sie suche? Keine Spur ist von ihr irgend anzutreffen!
[54.18] Hier ist gleich außer den Türstöcken ein unermesslicher, dunkelblauer leerer Raum nur zu bestimmt erschaulich, in dessen unermesslicher Tiefe die liebe Sonne in der Größe eines kleinen Tellers prangt, und kommt man auf diese Stelle außerhalb dieses Hauses, so sieht man weder von einer Tür und noch weniger von einer Sonne etwas. Wie ist denn das? Was ist das?
[54.19] Wahrlich, wer sich da auskennt, der muss offenbar mehr als bloß das Einmaleins verstehen. Oder er muss notwendig noch ein größerer Esel sein als ich, der ich doch wenigstens noch einzusehen scheine, dass das alles bloß nur eitel leerer Sinnentrug ist. So würden auch alle Gelehrten der Erde sicher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, so man ihnen sagen würde, dass man hier in Häusern wohnt, die von außen bei weitem kleiner sind als von innen.
[54.20] Oh, das sind Sachen, das sind Sachen! Wer da nicht ein Narr wird, der wird es dann wohl ewig nimmer! Was soll ich aber nun tun? Hier bleiben?! Das ist eine ganz fatale Geschichte – allein und nichts zum Essen haben!
[54.21] Es ist freilich sonderbar, dass man auch als ein Geist in dieser sozusagen himmelreichischen Geisterwelt auch ganz empfindlich hungrig und durstig wird; aber es ist einmal so. Also hungrig, durstig und nichts zu essen und nichts zu trinken! Das ist ja doch ganz verzweifelt lustig! Und doch wird nichts anderes zu tun sein, als leider hierzubleiben, wo es doch noch in dem kleinen Garten einige schlechte Beeren für die äußerste Not zum Verzehren gibt.
[54.22] Aber halt, jetzt fällt mir was ein, hol’s der Kuckuck! Hier außer[halb] dieser Sonnentür ist nun ja ein endloser freier Raum! Was könnte einem denn wohl geschehen, so man da in diesen endlosen Raum hinausspränge? Denn es ist abwärts wie aufwärts nichts, also frei!
[54.23] Wenn ich nun den Kopf hinausstecke über die Türstöcke, da sehe ich von dem Haus nichts; aber auch nicht die leiseste Spur von einer Wand, von einem Dach und von irgendeiner Grundfeste. Kurz, es ist alles leer. Nur wenn ich wieder den Kopf hereinziehe, dann sehe ich wieder meinen Saal, wie er sich mir bis jetzt noch immer gezeigt hat. Also, von einem Loch in den Kopf schlagen kann da durchaus nicht die Rede sein; denn da gibt es ewig nirgends einen Gegenstand, auf den man fallen könnte. Und gäbe es auch so etwas, so bin ich ja ein Geist, dessen Gewicht so hübsch luftig sein dürfte! Daher nur mutig hinausgesprungen; wer weiß, was ich bei dieser endlosen Luftfahrt alles für Erfahrungen machen werde!
[54.24] Aber, halt noch ein wenig! Mir fällt nun noch etwas Besseres ein! Ich habe ja bei der Tür Nr. 1 jene mir bekannte Wiese gesehen. Wie wäre es denn, so ich auf derselben einen Spaziergang versuchte?! Vielleicht käme ich da irgend mit den schönen Lämmern zusammen? Gut, gut, dieser Gedanke ist besser; daher nur zur Tür Nr. 1!
[54.25] Schau, schau, da bin ich ja schon; es ist richtig Nr. 1! Aber wo ist denn die Wiese? Schau, die ist schon weg; ich sehe nichts als einen sehr dichten, grauen Nebel. Stellt sich denn dieser Spätherbstgast der Erde zuweilen auch hier in der Geisterwelt ein? Warum denn nicht? Gibt es doch himmlische Wolken, warum soll es da nicht auch einen himmlischen Nebel geben?! Aber hinausgehen werde ich nun da doch nicht. Denn man kann eigentlich denn doch nicht wissen, wem alles man in solch einem Nebel begegnen könnte!
[54.26] Wie wäre es denn, so ich durch die Merkurtür so einen wahren Salto mortale versuchte? Vielleicht käme ich da mit der Zeit mit diesem Planeten in eine nähere Berührung und dadurch vielleicht gar auch mit der schönen Merkurianerin, auf die ich – Gott verzeih mir meine Sünden! – eine wahre, wie man im gemeinen Leben zu sagen pflegt, Vieh-Passion habe! Oh, oh, oh! Nur von der so einen halben Kuss und so ein wenig Busenbetastung; oh, oh, oh! Das müsste ja eine wahre, wie man zu sagen pflegt, Götterlust sein! Also nur zur Merkurtür! Ist sogleich die nächste an dieser.
[54.27] Da, da bin ich schon! Das ist die Tür; aber sie ist zu! Werde sie aufmachen! Wa – wa – wa w–a–s was ist denn das? A, a, ah! Das ist nicht übel! Die Tür ging auf, und statt der Aussicht in die weite Merkursphäre hinaus zu sehen, sehe ich einen mit Speisen reich besetzten Wandkasten! In der unteren Etage ist auch eine ganz schöne Batterie von Weinflaschen aufgestellt! Ja, wenn so, da bleibe ich offenbar hier, ohne weiteres hier! Lebe wohl, du schöne Merkurianerin! Lebe auch du, unendlicher Sonnenraum, sehr wohl; denn da ist mir dieser enge wohlbesetzte [Wandkasten] um sehr vieles lieber!
[54.28] Wahrlich, das ändert meine ganze Gesinnung! O Du mein lieber Herr Jesus, das ist sicher Dein Werk! Oh, nun sind wir wieder ganz ausgesöhnt, du mein liebster Buchhändler. Komm her, auf dass ich dich umarme! Du kommst zwar nicht, aber das macht nichts, ich habe dich darum nun doch von Herzen lieb! Nun aber will ich gleich so eine kleine Kommunion halten im Namen des Herrn!“
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