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49. Eine Mondschau durch die elfte Tür. Bischof Martin und der Mondweise

[49.1] [Der Herr:] „Siehe, wir sind nun bei der elften Tür. Sehe dahin, sehe hinein und rede dann, was du hier alles erschaust!“

[49.2] Bischof Martin schaut da nun eine Weile hinein und spricht dann etwas schmollend: „Was ist denn das für eine wahre Schnakerlwelt? Menschen, etwas größer als auf der Erde die Kaninchenhasen, und die Gegend so schön wie auf Erden recht nette Mistbeete! Die Bäume möchten einige Spannen Höhe haben wie auf der Erde die Krummholz- und Brombeer- und Wacholdersträucher. Das Beste sind noch die Berge, die im Ernst sehr hoch und sehr steil sind. Meere sehe ich gerade keine, wohl aber Seen, der größte hätte etwa, nach irdischem Maß genommen, wohl bei 10.000 Eimer Wasser! Sapperment, das ist ein Unterschied zwischen der Tür Nr. 10 und Nr. 11!

[49.3] Ah, ah – was ist denn das für ein Springinsfeld mit einem Fuß noch dazu? Das wird doch wohl nur ein Tier und kein menschliches Wesen sein! Da entdecke ich noch eine ganze Herde von einer eigenen Art Murmeltiere! Es ist überhaupt merkwürdig! Bis jetzt habe ich noch nirgends Tiere gesehen, und hier auf dieser Schnakerlwelt gibt’s nun auf einmal beinahe mehr Tiere als Menschen. Soll denn das im Ernst eine Tierwelt sein? Ja, ja, da siehe, da kommt noch eine starke Herde von einer Art Schafen daher! Schade, dass ich keine Ochsen und Esel erschaue, auf dass ich mich meinesgleichen erfreuen könnte! Vögel gibt es auch; wenn darunter nur keine gar zu lustigen sind!

[49.4] Da, da, da! Hahaha, das ist ja ein wahrer Spaß! Da sind ja die Menschen ganz zusammengewachsen! Das Weibchen sitzt dem Männchen wie Buckelkraxer über den Schultern! Und da bläht sich ein Männchen wie ein Laubfrosch auf und macht mit dem gespannten Bauch einen Lärm wie auf der Erde ein türkischer Regimentstambour! Nein, das ist im Ernst sehr spaßig und in einem bedeutenden Grad lächerlich!

[49.5] Wahrlich, Herr, so Du dieses Weltchen erschaffen hast, hat es sicher Deine Allmacht und Weisheit nicht zu sehr in Anspruch genommen, denn soweit ich jetzt dieses Welterl sehe, so ist es eigentlich gegen alles früher Gesehene mehr fad als irgend erhaben. Da muss ich der Erde wieder abbitten, was ich bei Nr. 10 zu schlecht von ihr geredet habe. Denn gegen diese Welt ist sie bis auf ihre Menschen denn doch ein wahres Paradies. Sage, o Herr, mir doch gnädigst, wie da diese Welt heißt! Die kann doch nicht mehr in unserer Erde Sonnengebiet sich befinden?“

[49.6] Rede Ich: „O ja, siehe, das ist der Mond der Erde. Und diese Menschen sind der Erde entnommen, so wie der ganze Mond selbst, der zwar damals der Erde schlechtester Teil war, nun aber um sehr vieles besser ist als die ganze Erde. Darum ist er nun auch eine Schule für sehr weltsüchtige Seelen geworden. Denn siehe, es ist besser eine magere, kleine Welt mit einem fetten Geiste, als eine fette, große Welt mit einem höchst mageren Geiste!

[49.7] Siehe, so armselig diese Menschen hier auch äußerlich aussehen, so aber wirst du doch noch lange zu tun haben, bis du im Geiste so fett sein wirst, als diese es lange schon sind!

[49.8] Auf dass du es aber praktisch einsehen lernst, wie es mit der Weisheit dieser Menschen steht, so soll ein Paar sich dir nahen und mit dir sich über Verschiedenes unterreden. Siehe, da kommt schon so ein Huckepackpärchen her; frage sie um Verschiedenes und sei versichert, sie werden dir keine Antwort schuldig bleiben! Es sei!“

[49.9] Spricht Bischof Martin: „Ja richtig, ja richtig, da ist schon so ein Pärchen. Es näherte sich uns gleich mit ihrer ganzen Welt, deren es sich förmlich wie eines Schiffes bediente. Schau, in der Nähe sieht das Pärchen ganz possierlich aus, besonders das kleine Weibchen. Aber wie ich’s merke, so müssen wir für sie unsichtbar sein, weil sie so ahnungsvoll um sich herumblicken, als gewahrten sie im Ernst etwas, können aber dabei dennoch nichts entdecken.“

[49.10] Rede Ich: „Du musst ihnen nähertreten und dadurch berühren ihre kleine Sphäre, dann werden sie dich schon besser ausnehmen! Die Bewohner aller Monde der Planeten haben das Eigentümliche, dass sie die Geister anderer Planeten erst dann vollends erschauen, so diese sich in ihren kleinen Sphären befinden. Der Grund von dieser Erscheinung ist, weil die Monde der Planeten unterste, materiellste Stufe sind; gleichsam wie der Unflat der Tiere auch ihre unterste und materiellste Stufe ist, aber oftmals nützlicher als das Tier oder der Mensch selbst! Tue nun, was Ich dir sagte und das Pärchen wird deiner sogleich ansichtig sein!“

[49.11] Bischof Martin tut nun, was Ich ihn behieß, und das Pärchen ersieht unseren Martin sogleich und bewundert seine Größe. Martin aber beginnt sogleich folgendes Gespräch mit den beiden Mondbewohnern sagend und fragend: „Seid ihr wohl die wirklichen Bewohner dieser kleinen Welt, oder gibt es noch andere, die größer sind denn ihr und weiser vielleicht auch?“

[49.12] Reden die beiden: „Als Menschen gibt es nur eine gerechte Menge unseresgleichen. Aber sonst gibt es noch eine Menge Geschöpfe, und auf dem entgegengesetzten Teil dieser Erde wohnen Büßer, die nicht selten zu uns herüberkommen, um von uns die innere Weisheit zu erlernen. Diese Büßer aber kommen gewöhnlich von einer anderen Welt her, wahrscheinlich von der, von der auch du bist! Sie sind wohl sehr groß der Gestalt nach, aber dem Wesen nach sind sie überaus klein. Auch du siehst sehr groß aus, aber der eigentliche Mensch in dir ist noch kaum sichtbar!

[49.13] Was tut ihr aber, ihr großen Menschen, denen viel Leben gegeben ist? Warum wahrt ihr dieses Leben so wenig? So da die Zeit ist, Früchte auszusäen, von welcher Aussaat der Mensch sein irdisches Leben zu wahren und dasselbe ernährend zu versorgen hat, da ist der Mensch voll Fleißes und arbeitet, wenn es ihm nur die Kräfte gestatten, wie ein Wurm in einem morschen Baum unabsetzlich fort und lässt sich nicht beirren durch allerlei vorkommende Hemmnisse. Er erduldet Hitze und große Kälte und Regen und anderes Unwetter. Seinen Leib schont er nicht und setzt nicht selten dessen an einem Haar hängendes kurzes Leben in die größte Gefahr, um für dasselbe eine kümmerliche Nahrung zu erbeuten. Aber für die Wahrung und Erhaltung und Vervollkommnung des eigentlichen inneren Lebens, für das eigentliche, ewige, heilige, große Ich tut er wenig oder nichts!

[49.14] Was wohl möchtest du von einem Gärtner sagen, der auf seinem Grund Fruchtbäume setzte; da sie aber Blüten trieben und schützendes Laub, da nähme er diese ersten Triebe schon für die Frucht, risse alle Blüten und Laub von den Zweigen und verzierte damit seines Hauses Flur? So ein Gärtner wäre doch sicher ein allerdümmster Narr. Denn wenn sein Nachbar eine reiche Ernte hielte, müsste er vor Hunger sterben, da seine Bäume keine Frucht trügen!

[49.15] Ist aber nicht ein jeglicher Mensch bei sich ein ganz gleicher Narr im noch viel größeren Maß, so er sein irdisch Leben, das da ist Blüte und Laub nur zum inneren, wahren Leben, schon als eine Frucht genießt und zerstört durch solchen unnatürlichen und höchst unreifen Genuss die daraus erst hervorgehen sollende eigentliche Frucht, die da ist das wahre, ewige Leben des Geistes? Was wächst denn wieder zum neuen, unvergänglichen Leben – die Blüte, das Laub, oder der innere Same der reifgewordenen Frucht? Sieh, allein nur der Same!

[49.16] So ist es auch mit jedem Menschen der Fall; sein Leib, seine Sinne, sein äußerer Verstand, seine Vernunft, das sind Blüten und Laub. Aus diesen geht hervor eine reife Seele. Und diese, die gerechte, gute Reife der Seele fasst dann in sich auch einen reifen Kern, und dieser Kern ist der unsterbliche Geist, der in seiner Vollreife alles ergreift und in seine eigene Unsterblichkeit verwandelt, gleichwie ein verwesliches Fleisch, das mit dem ätherischen Öl der Unverweslichkeit gesalbt wird, auch mit unverweslich wird.

[49.17] Siehe, du großer Mensch, das ist unsere Weisheit! Um diese zu bewerkstelligen, befolgen wir die erkannte Ordnung des allerhöchsten Geistes Gottes, und so sind wir vollkommen, was wir sind. Du aber bekämpfe mich nun, so du es kannst; ich bin bereit, von dir alles zu ertragen!“

[49.18] Unser Martin macht ob dieser Rede ein verdutztes, sehr langes Gesicht und kann sich nicht genug erstaunen über die ihm ganz enorm vorkommende Weisheit dieses Mondpärchens. Nach einer geraumen Weile erst spricht er: „Ah, ah – da hätte ich doch alles eher gesucht als so eine tiefe Weisheit bei euch Mondmenschen! Wer lehrte euch solche tiefe Weisheit? Denn aus euch selbst kann sie doch nicht entsprungen sein?

[49.19] Es erkennen wohl die Tiere ihre Ordnung instinktmäßig und entwickeln dieselbe ganz natürlich aus ihrer Naturordnung, die da eben ist ihr Instinkt. Auch alle Gewächse müssen das entfalten, was in sie gelegt ist. Aber Tiere und Pflanzen sind eben darum als das, was sie sind, gerichtet. Der Mensch aber, der ein freies Wesen ist, der muss das alles erst durch äußere Belehrung in sich wie in ein vollkommen leeres Gefäß aufnehmen. Und das Wort der Weisheit Gottes muss in sein Herz wie das Samenkorn in die Erde gelegt werden, damit er dann erst zur Erkenntnis seiner selbst und daraus zur Erkenntnis Gottes und dessen Ordnung gelangen kann. Bekommt der Mensch durchaus keinen Unterricht, so bleibt er dümmer als jedes Tier und begriffsloser als ein Stein.

[49.20] Da ihr unleugbar aber auch Menschen von gleichen göttlichen Rechten seid wie unsereiner, so müsst auch ihr einen Unterricht je einmal, und zwar von Gott Selbst mittel- oder unmittelbar empfangen haben, ansonst mir deine Weisheit noch das allergrößte Wunder wäre, das mir bis jetzt vorgekommen ist. Denn bei allen Urmenschen muss Gott der erste Lehrer gewesen sein, indem sonst alle Menschen bis her auf die jüngsten Zeiten in ihrer Bildung bei weitem unter dem Tierstand sich befänden. Denn wo der A blind wäre, wer hätte da dem B Licht geben können? Und wäre auf die Art notwendig auch der B blind geblieben, von wem hätte dann der C usw. Licht bekommen sollen? Da du sonach aber ein sehr erleuchteter Mensch bist, so sage mir gefälligst, wie das unverkennbare, wesenhafte Gotteslicht zu euch gekommen ist, und ungefähr wann!“

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