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48. Martin entdeckt weitere Herrlichkeiten auf seiner Sonne. Grund der Größenverschiedenheit der Sonnenmenschen. Martins Klage über die Erde und ihre Bewohner

[48.1] Der Bischof Martin wendet sein Auge wieder der Sonne zu und beschaut die großen Szenen und Wunderdinge auf deren leuchtendem Boden. Nach längerer Weile seiner Betrachtung spricht er wieder: „Da seht, da seht! Noch stets dieselbe Sonne und doch ganz andere Menschen! Zwar auch sehr schön, aber ihre Schönheit ist doch wenigstens zu ertragen, denn sie haben Ähnlichkeit mit schon gesehenen auf den anderen Planeten und selbst mit den Bewohnern unserer Erde.

[48.2] Ich sehe nun überhaupt mehrere Gürtel, die sich parallel um die Sonne ziehen. Und innerhalb jedes Gürtels ersehe ich andere Menschen, die einen groß, die einen wieder etwas kleiner, wieder andere ganz klein, und – o Tausend, Tausend! Da am Ende gibt es aber Menschen! O sapperment, sapperment! Sind die aber groß! O je, o je! Auf diesen könnten die anderen ja gerade als Schmarotzermenschen anstatt gewisser Tierlein ganz bequem auf dem Kopf zwischen den Haaren herumsteigen!

[48.3] O Herr, o Herr! Vergebe mir meine etwas schmutzige Bemerkung! Ich sehe es ein, sie gehört nicht hierher an den Ort des Erhabensten. Aber man kann sich bei der Betrachtung dieser ungeheuren Riesenmenschen ihrer nicht erwehren! Ich habe zwar schon in einigen anderen Planeten wie im Jupiter, Saturn, Uran und Miron die Entdeckung bei mir selbst gemacht, dass deren Bewohner größer sind als die Menschen der Erde, die ich bewohnte, und manche um ein sehr Bedeutendes. Aber was da diese Riesen betrifft, so sind alle Bewohner der anderen Planeten pure Schmarotzermenschchen gegen sie!

[48.4] Wenn so ein Riese auf der Erde sich befände, so möchte er ja noch um ein sehr Bedeutendes die höchsten Berge derselben überragen! Nein, nein, das ist wahrlich mehr als ungeheuer! Da, wohl da sage mir, Du mein allergeliebtester Herr Jesus, Du mein Gott und mein Herr, warum denn diese Menschen gar so entsetzlich groß sind? Ich sollte Dich zwar nicht fragen um vieles; aber da ich Dich bisher bei dieser jetzigen Betrachtung noch um nichts gefragt habe, so vergebe mir diese erste Frage und gebe mir gnädigst eine mich erleuchtende Antwort auf diese meine erste Frage in dieser Wundersache!“

[48.5] Rede Ich: „So höre und vernehme es wohl! Sahst du nie auf der Erde, wie da die Kriegsleute verschiedenes Geschütz haben vom leichtesten bis zum schwersten Kaliber? So du nun in ein kleines Gewehr die Ladung vom schwersten Geschütz tätest, was würde dadurch dem kleinen Gewehr widerfahren? Siehe, die starke Ladung würde es in kleinste Stücke zerreißen!

[48.6] Was geschähe mit einem Planeten, so er erfüllt wäre mit der Kraft der Sonne? Siehe, so die Erde nur durch die Dauer von einer Minute in die mächtige Lichtflut der Sonne getaucht würde, so wäre sie also zerstört schon wie ein Tropfen Wasser, so er fiele auf ein glühend Erz. Also muss die Sonne darum aber auch ein sehr großer und für die Größe verhältnismäßig starker Körper sein, um die in ihn gelegte Kraft in aller Fülle der Tätigkeit tragen und halten zu können!

[48.7] Wenn du eine Federflaume auf ein Ei legtest, da wird das Ei nicht erdrückt werden, denn es hat Festigkeit in Übergenüge zu tragen das Gewicht von einer Federflaume. Aber so du auf das Ei ein Gewicht von 100 Pfund legen würdest, da wird das Ei unter dem zu mächtigen Druck des zu schweren Gewichtes gänzlich erdrückt werden!

[48.8] Könnte wohl ein Riese den Rock eines Kindes anziehen? Sicher nicht! So er’s aber dennoch täte, was würde da mit dem Rock geschehen? Siehe, es würde der Rock in viele Stücke zerrissen werden!

[48.9] Also hat in der ganzen Schöpfung jedes Ding sein Maß, das Kleine das seinige in seiner Art in allen seinen Verhältnissen, und das Große in seiner Art auch in allen seinen Verhältnissen.

[48.10] Wie du aber nun ersiehst, da es Welten gibt von verschiedenster Größe, zu tragen eine verhältnismäßige Kraft, also gibt es auf den Welten aber auch in gleichem Maße verschieden große Geister, zu deren einstweiliger Tragung auch verschieden große Leiber erforderlich sind.

[48.11] Es wird aber nun die wahre, eigentliche Größe des Geistes freilich nicht nach seinem Umfang, sondern lediglich nach seiner Liebe und Weisheit bemessen. Aber siehe, das sind noch Urgeister, die da im freien Zustand ein ganzes Sonnengebiet in wirkender Fülle erfüllten! Da sie aber auch an Meinem Reich den seligen Anteil haben möchten, so müssen sie aber auch des Fleisches Weg wandeln! Werden sie den Leib ablegen, dann werden sie ob ihrer großen Sanftmut und Demut eben auch nur unseren Umfang haben; aber wohl auch den früheren, so sie seiner benötigen werden!

[48.12] Nun weißt du alles, was du zu wissen brauchst in dieser Sphäre und für diesen deinen Zustand. Schaue daher nun wieder weiter und rede, was dir auffallen wird, auf dass wir bald zu der elften Tür übergehen können! Es sei!“

[48.13] Martin schaut nun wieder in die Lichtgefilde der Sonne und entdeckt da bald übergroße Tempel und andere Wohngebäude, auch Straßen und Brücken von der allerkühnsten Art. Bald wieder übermajestätisch hohe Berge, die sich in Hauptzügen um die ganze Sonne ziehen und diese in Gürtel abmarken, von denen jeder andere Bewohner und andere Lebensweisen hat und andere Sitten und Gebräuche; also entdeckt er nun auch, wie zu beiden Seiten des Mittel- oder Hauptgürtels zwei Gürtel miteinander zumeist in allem die größte Ähnlichkeit haben.

[48.14] Vor allem aber gefallen ihm denn doch noch immer die Menschen des Mittelgürtels am allerbesten, an deren übermäßige Schönheit er sich nun schon etwas mehr angewöhnt hatte. Nur dürfen sie ihm noch nicht gar zu nahe gestellt werden, besonders die Weiber und Mädchen schon gar nicht, weil die zu schön und reizend sind. Aber selbst der männliche Teil macht ihm starke Anfechtungen, weil auch dieser Teil so überaus schön und reizend gebaut ist, dass diese Erde noch nie ein Wesen weiblicher Art von solcher Üppigkeit, Weiche, Rundung und Sanftmut getragen hat.

[48.15] Nach längerem Herumspähen ersieht er nun ein Gebäude in der Mitte des Hauptgürtels, das da an Pracht, Glanz und reichster Verzierung alles bisher Gesehene in einem so hohen Grad übertrifft, dass alles, was unser Martin bisher gesehen hatte, kaum als etwas angesehen werden kann. Und um dies Gebäude wandeln Menschen von einer so großen Schönheit, dass er ob solchen Anblickes ganz wie ohnmächtig zusammenfällt und lange kein Wort herausbringen kann.

[48.16] Nach einer geraumen Weile erst fängt er wieder, wie ganz erschöpft, mehr zu stöhnen als zu reden an und spricht ziemlich unzusammenhängend: „Mein Gott und mein Herr! Ach, wer auf der Welt lässt sich so was in den Sinn kommen? Die Sonne ein leuchtender runder Körper, wer vermutet das auf ihrem Boden!

[48.17] Was bist du, Erde, nun gegen diese endloseste seligmachende Pracht? Was sind die reißendsten Tiere von Menschen der Erde gegen diese unbeschreibbar schönsten Wesen, die da sind voll der himmlischsten Glorie, Schönheit und seligst-freundlichsten Anmut, von der sich der beste Mensch aber auch nicht den leisesten Begriff machen kann!

[48.18] Auf der Erde sind die Menschen desto gefühlloser und oft desto teuflischer, in je prächtigeren Palästen sie wohnen, je zarter ihre Haut ist und je mehr glänzendere Kleider sie über ihre Haut hängen können. Hier ist gerade der umgekehrte Fall! Ach, ach, so was ist ja unerhört, nie gesehen auf der Erde!

[48.19] Hier wohnen die Weisesten in den unansehnlichsten Hütten auf den Bergen, wie ich es soeben entdecke. Auf der Erde ist die Wohnung des weisest sein sollenden Oberhirten der Christenheit gerade die größte, reichste und glänzendste auf der Erde. Und seine Kleider sind pur Seide, Gold und kostbarste Edelsteine! Hier ist es gerade der umgekehrte Fall. Ach, ach, und die Bewohner der Erde sollen Gotteskinder sein? Ja, Kinder des Satans sind sie diesen Sonnenkindern gegenüber. Sie können auch nichts anderes sein gegenüber diesen reinsten Himmelskindern!

[48.20] Diesen ist nie ein Evangelium gepredigt worden. Und doch sind sie ihrer Natur nach das reine Evangelium selbst, was sie auch offenbar sein müssen, da sich sonst diese allerhimmlischste Ordnung in allem, was hier zum Vorschein kommt, ewig nie denken ließe! Ja, ja, hier ersehe ich das reinste, wahrste und ewig vollkommenste, unverfälschteste und richtigst gedeutete Wort Gottes lebendig!

[48.21] Seht an die Lilien auf dem Feld; sie arbeiten nicht und ernten nichts in ihre Scheunen, und Salomo in aller seiner Königspracht war nicht bekleidet wie eine der Geringsten aus ihnen. Da sehe ich zahllos viele solcher Lilien, sie haben keinen Pflug, kein Messer, keine Schere, keinen Webstuhl und keine Stickrahmen, und wo auf der ganzen Erde lebt ein Königssohn, eine Königstochter, die sich einer der allergeringsten dieser Himmelslilien nähern dürfte!?

[48.22] O Menschen, Menschen, die ihr die Erde verfinsternd und verpestend bewohnt, was seid ihr und was bin ich gegen diese Sonnenvölker? Herr, Herr, o Herr, wir sind nichts als die allerbarsten Teufel, und die Welt ist die Hölle selbst in optima forma! Darum stehen die Sterne auch sicher so weit von der Erde ab, dass sie von ihr nicht verpestet werden möchten!

[48.23] O Gott, Du bist heilig und endlos erhaben! Aber in Deinem Ärger musst Du einmal ausgespuckt haben, und daraus muss die Erde entstanden sein und ihre Geschöpfe aus Deinem einstigen Fluch, den Du je einmal in die Unendlichkeit hinausgedonnert hast!

[48.24] O Herr! Vergebe mir diese meine nunmalige Bemerkung, aber ich kann mich ihrer beim Anblick dieses Himmels nicht erwehren! Nun graut es mir vor der Erde und ihren Bewohnern wie vor einem giftigst stinkendsten Aas!

[48.25] O Herr, sende mich in alle endlosesten Räume hinaus, aber nur zur Erde sende mich ewig nimmer! Denn sie ist für mich eine Hölle aller Höllen, und ihre Bewohner sind unbekehrbare Teufel, die sich zum Hauptgeschäft gemacht haben, die wenigen Engel unter ihnen bis zum letzten Blutstropfen zu verfolgen.

[48.26] O Herr, o Herr! Lasse doch einmal ein rechtes Gericht los über diesen alleinigen Schandfleck in Deiner ganzen unendlichen Schöpfung! Je mehr ich diese Herrlichkeiten betrachte, desto mehr drängt sich mir der Gedanke auf, dass die ganze Erde samt ihren eigentlichen Bewohnern auch eigentlich gar nicht Dein Werk, sondern ein Werk des Satans, des Obersten aller Teufel, ist – rundheraus gesagt, ohne Scheu und ohne Blatt vor dem Mund! Da ist nur Laster, Tod und Verderben, und davon bist Du, o Herr, ewig der Schöpfer nicht!

[48.27] Ach, ach, wie herrlich, wie endlos herrlich ist es hier, wo Deines Wortes ewige Ordnung herrscht! Und wie elend und qualvoll dagegen auf der Erde, die da ist ein Fluch aus Dir, weil sie in allem Deiner Ordnung gleichfort widerstrebt! O Herr, richte sie! O Herr, verderbe und vernichte sie auf ewig, denn sie ist nimmer Deiner Gnade wert!“

[48.28] Rede Ich: „Sei nur ruhig, nun siehst du das Rechte noch nicht, obschon du recht geredet hast. Gehe nun aber mit Mir zur elften Tür, alldort wirst du so manche Verhältnisse klarer erschauen und anders urteilen! Darum folge Mir; es sei!“

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