[24.1] Und Ich sage: „Siehst du dort gen Norden einen Brand? Dorthin müssen wir eilen und dem Feuer Einhalt tun, sonst leidet diese ganze Gegend. Denn das geistig böse Feuer ist viel um sich greifender denn das naturmäßig irdische. Darum nur schnell auf die Füße!“
[24.2] Wir eilen nun dem Brand zu und haben es [das Dorf] nun auch schon erreicht. Man ersieht hier ein höchst ärmliches Dorf, das ganz in Flammen steht, und eine Menge ärmlichster, ganz nackter Menschen, die sich aus ihren brennenden Hütten auf die Flucht machten. Aber inmitten des Dorfes steht ein etwas besseres Häuschen mit einem Söller, auf dem sich fünf Menschen befinden und jämmerlich um Hilfe rufen, indem die Flammen schon zu ihnen emporschlagen und sie im nächsten Augenblick zu verschlingen drohen.
[24.3] Unser Bischof Martin ersieht nun das und schreit: „Freunde, um Gottes willen, wo ist denn hier irgendetwas wie eine Leiter, auf dass ich hinansteige zu diesen Ärmsten und sie möglicherweise mit euerm Beistand noch rette?“
[24.4] Rede Ich: „Siehe, hier gerade zu unseren Füßen liegt so was! Nehme es und mache damit deinem Herzen Luft!“
[24.5] Bischof Martin packt schnellst die Leiter, läuft damit an das Häuschen mit dem Söller, das schon ganz von Flammen umringt ist, lehnt sie an den Söller, steigt mutig durch die Flammen hinauf und ladet da zwei schon zusammengesunkene Menschen auf seine Schultern und trägt sie eilends hinab, während die drei kräftigeren ihm jählings folgen. In einer Minute hat er nun wirklich fünfen das Seelenleben gerettet.
[24.6] Als er nun mit dieser Arbeit fertig ist, so kommt er aber auch schnellst wieder zu Mir und spricht (Martin:) „O Gott sei Dank, dass mir diese Rettung gelungen ist! Schon glaubte ich, dass mir diesmal mein Eifer ganz entsetzlich übel bekommen wird; aber dennoch, dennoch, Gott sei’s gedankt! – hat es sich noch mit der genauesten Not getan!
[24.7] Ah, Freunde! Das war aber eine Hitze, du tausend, du tausend! Meine Haare müssen so hübsch verkürzt worden sein? Aber das macht nichts, wenn nur diese Armen gerettet sind! Die zwei haben freilich schon nahe den Tod bekommen, und es war wirklich die höchste Zeit, sie den Flammen zu entreißen. Aber sie leben nun wieder frisch auf, und das, o ihr meine liebsten Freunde und Brüder, ist mir lieber, als so ich jetzt wirklich in die Seligkeiten aller drei oder sieben Himmel eingegangen wäre.
[24.8] Gelt, Brüder und Freunde! Diese Armen, von mir Geretteten, und die vielen nun Obdachlosen, die hier draußen an den Zäunen nackt herumkauern und wehklagen, nehmen wir alle in unsern Palast auf? O liebe Brüder, wohl, wohl; gönnt mir diese Freude!“
[24.9] Rede Ich: „Ja, ja, freilich wohl, darum sind wir ja hauptsächlich hierhergekommen. Aber nun müssen wir auch das Feuer ersticken. Ist dies geschehen, dann wollen wir ganz fröhlich mit diesen Armen nach Hause ziehen. Darum legen wir nur sogleich die Hände ans Werk, auf dass das Feuer nicht noch mehr um sich greife!“
[24.10] Spricht Bischof Martin: „Es wäre schon alles recht, wenn wir nun nur gleich so einen kleinen Ozean bei der Hand hätten! Aber ich entdecke hier auch nicht einen Tropfen Wasser. Ich meine, diese Geschichte wird etwas hart gehen ohne Wasser.“
[24.11] Rede Ich: „Siehe, dort am Boden liegt ein Stab, ähnlich dem, den einst Moses trug. Hebe ihn auf und stoße ihn gläubig in den Boden, und wir werden sogleich Wasser in schwerer Menge haben; denn siehe, diese Gegend ist sehr sumpfig! Also tue!“
[24.12] Bischof Martin tut sogleich das Geratene und sofort springt ein starker Quell aus dem Boden, und der Bischof Martin spricht: „So, so, so, wohl so – jetzt ist es schon recht! Nun nur Gefäße her!“
[24.13] Rede Ich: „Freund, es ist genug! Das Wasser wird nun schon von selbst das Rechte tun; denn dieser mächtige Quell wird dem Feuer bald über den Kopf wachsen und es gehörig versorgen. Daher können wir uns nun mit unseren armen Geretteten schon nach Hause begeben und dort ein wenig ausruhen und uns stärken zu einem anderen Geschäft. Gehe nun und bringe sie alle zu Mir!“
[24.14] Bischof Martin geht heitersten Mutes und bringt all diese Armen herbei, und wir begeben uns sogleich nach unserem Palast, allwo angelangt die Armen sogleich in ein anderes, geräumiges Gemach untergebracht werden.
[24.15] Als sie nun im Zimmer sind, noch ganz nackt, da zieht der Bischof Martin sogleich seinen Bauernrock aus und hängt ihn um die Schultern desjenigen, der ihm am ärmsten und schwächsten vorkommt. Und sein Leibchen gibt er einem andern, der ihn auch sehr dauert; und alle loben ihn darob!
[24.16] Er aber macht nun einen rechten Mann und spricht: „O ihr meine lieben armen Freunde und Brüder, nicht mich, sondern Gott und diese beiden Freunde preist! Denn ich bin selbst nur erst vor kurzem von ihnen hier aufgenommen worden und habe von ihnen die größten Wohltaten empfangen. Ich selbst bin nur ein schlechtester Knecht dieser Freunde der unglücklichen Menschen. Ich aber habe nun die größte Freude an eurer Rettung selbst, und diese Freude ist nun mein größter Lohn in mir selbst!“
[24.17] Sage Ich: „So ist es recht, Mein geliebter Bruder! So bist du aus einem Saulus ein Paulus geworden; fahre so fort, so wirst du Mir und Meinem Freund und Bruder bald würdigst zur Seite stehen! Nun aber gehen wir in unser Gemach.“
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