(Am 18. Sept. 1848)
[186.1] Petrus und Martin kehren nun wieder zu Mir in das Sonnenhaus zurück, und der Martin will sogleich treuherzig zu erzählen beginnen, was nun draußen vor sich gegangen ist.
[186.2] Aber Petrus sagt zu ihm so wie insgeheim: „Bruder, was willst du denn dem Herrn erzählen, als wüsste Er es etwa nicht, und das um eine Ewigkeit früher, als alles, was hier ist, diese Sonne und wir beide als wirklich erschaffen da waren. Schau, schau! Weißt du denn nicht, dass der Herr von Ewigkeit her allwissend ist?“
[186.3] Martin schlägt sich auf die Stirn und spricht nach einer Weile: „O Bruder, und Du besonders, o Herr, müsst mir schon vergeben, dass ich noch immer von Weile zu Weile in eine Art irdische Dummheit verfalle!
[186.4] Es ist wahr, ja nur zu wahr, dass Du, o Herr, allwissend bist und brauchst Dir wohl ewig nie von jemanden etwas vorerzählen zu lassen, um dadurch zur Kenntnis von irgendeiner Sache oder Handlung zu gelangen. Aber es liegt dennoch in mir der freilich sicher nur irdisch dumme Trieb, Dir – wie auf Erden irgendeinem Freund – erzählen zu wollen, als wüsstest Du noch nicht darum. Ich sehe es ein, dass solch ein Trieb sehr dumm ist.
[186.5] Aber ich habe dabei doch auch die sichere Erwartung, dass Du, o Herr, mir solch eine irdisch angewohnte Dummheit gnädigst vergeben und nachsehen wirst. Denn in der Folge werde ich mich schon besser und fester zusammennehmen und solche Torheiten nach allen meinen Kräften vermeiden.“
[186.6] Rede Ich: „No, no, Mein lieber Sohn Martin, es ist die Sache nicht gar so weit gefehlt, als du nun meinst, so man Mir etwas beschreibt oder erzählt. Denn alle Kinder reden gerne, und mit Mir schon überaus gerne.
[186.7] Würde Ich darum Mir von Meinen Kindlein nichts vorerzählen lassen, weil Ich allwissend bin, so würde zwischen Mir und euch Meinen Kindlein wohl ewig nie ein Wort gewechselt werden. Aber weil Ich eben will, dass da Meine Kinder ewig nie um eine Freude verkümmert werden sollen, daher sollen sie Mir auch alles erzählen, was sie irgendwo und -wann für Erfahrungen machen, was sie hören und zu sehen bekommen.
[186.8] Denn Ich versichere euch bei der ewigen Treue und Liebe Meines Vaterherzens: Mir macht nur das Freude, was Meinen Kindlein Freude macht. Nicht Meine Gottheit, nicht Meine Weisheit und Allmacht, und so auch nicht Meine Allwissenheit, sondern allein die große Liebe zu Meinen wahren Kindern, die Mich lieben, wie ihr alle nun um Mich Versammelten, das macht die höchste Glückseligkeit Meines ganzen Wesens aus.
[186.9] Glaubt es Mir, Ich war seliger am Kreuz endlosmal, als da Ich durch Mein allmächtiges Wort Himmel und Erde zu gestalten begann. Denn als Schöpfer stand Ich, ein unerbittlicher Richter, in der Mitte Meiner ewig unzugänglichen Gottheit! Aber am Kreuz hing Ich als ein zugänglichster Vater voll der höchsten Liebe, umgeben von so manchen Kindlein schon, die in Mir den Vater zwar noch nicht völlig erkannt hatten, da ihnen der gekreuzigte Sohn, d. i. des Vaters Leib, im Weg stand, aber Mich dennoch aus allen ihren Kräften als den Sohn des allerhöchsten Vaters über alles liebten.
[186.10] Wahrlich, sage Ich euch, ein Herz, das Mich wahrhaft liebt, gibt Mir mehr als alle Himmel und Welten mit aller ihrer Herrlichkeit. Ja, Ich will 99 Himmel verlassen und ein Herz suchen, das Mich lieben kann!
[186.11] Wo aber ist die Mutter, die da hätte in ihrem Haus eine große Gesellschaft und Musik und ergötzlich Spiel aller Art, und hätte aber ein neugeborenes Kind und vernähme aber in der Mitte ihrer gastlichen Freude, dass das neugeborene Kind weine und in einer Erkrankungsgefahr stehe, dass sie da nicht sogleich dieselbige Gesellschaft verließe und eilte zu ihrem Kindlein? Denn von der Gesellschaft erwartet sie wohl mit Recht Dank und Achtung, aber in der Brust ihres Kindes schlägt ein Herz, in dem Liebe zu ihrem Mutterherzen gesät ist.
[186.12] Ja, Ich sage es euch allen: Auch diese Mutter würde 99 der glänzendsten Gesellschaften verlassen und eilen zu ihrem Kind der künftigen Liebe wegen, da ein kleines Fünklein wahrer Liebe höher steht als tausend Welten voll des mächtigsten Wunderglanzes!
[186.13] So aber schon eine irdische Mutter das täte, um wie viel mehr Ich, der Ich zu Meinen Kindern alles bin in der Fülle als Vater und als Mutter. Als Vater in Meinem Herzen und als eine Mutter in der Geduld, Sanftmut und endlosen Güte.
[186.14] Daher, ihr Meine geliebten Kindlein, scheut euch ja nicht vor Mir, und redet und erzählt Mir, so ihr was hört oder seht, und macht Luft der Liebe eures Herzens, denn Mich erfreuen Meine wundervollsten Erschaffungen erst dann, so sie euch erfreuen.
[186.15] Oder weiß die Mutter etwa nicht darum, was ihr kleines Kindlein zu ihr lallend spricht? Und doch macht ihr der erste Ruf ‚Mutter‘ aus dem Mund ihres Lieblings tausendmal mehr Freude, so undeutlich er auch ausgesprochen wird, als die gediegenste Rede eines Weisen.
[186.16] Was sind die kühnsten Gedanken über Welten, Sonnen, Völker und Engel gegen den allein dem liebekeimenden Herzen des Kindes entsprossenen Ruf ‚Liebe Mutter!‘? Eben also auch bei Mir. Was wohl gleicht dem an Größe, so ein Mich liebend Kindlein, kaum erwacht aus seinem notwendig vorangehenden Gerichtsschlaf, frei und wahr ‚Lieber Vater!‘ ruft.
[186.17] Daher lasse auch du, Mein geliebter Sohn Martin, in der Zukunft dich nicht beirren im Drang deines Herzens, und eben also auch ihr alle nicht, denn eure kindliche Einfalt steht bei Mir endlos höher als die höchste Weisheit des tiefsinnigsten Cherubs. Darum Ich auch schon solches auf der Erde da zu erkennen gab, als Ich zu Meinen Jüngern sprach: ‚Unter allen, die vom Anfang der Welt bisher von Weibern geboren wurden, war keiner größer denn Johannes, das ist: der Täufer; aber in der Zukunft wird der Kleinste Meines Reiches (der Liebe) größer sein denn er!‘
[186.18] Nun aber haben unsere Wirte auch die Tische voll besetzt und der Weise naht sich, uns zum Mahl zu laden. Daher wollen wir ihn auch gebührend anhören, wie er seine Einladung an uns wird ergehen lassen. Doch das merkt euch, wie er es ordnen wird, so auch wollen wir an dem großen Tisch Platz nehmen. Also sei es, Meine Kindlein.“
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