[16.1] Spricht nun unser Mann: „O lieber Freund, ich muss es dir leider offen gestehen, dass es mit mir gerade so steht, wie du es mir nun ohne Vorenthalt meiner Sünden kundgetan hast. Und ich sehe es auch ein, dass ich dagegen auch nicht die geringste Entschuldigung vorbringen kann; denn alles trifft mich rein ganz allein. Aber nur das möchte ich noch von dir erfahren, wohin du mich nun bringen wirst, und was wird mein ewiges Los sein?“
[16.2] Spricht der Schiffsmann: „Frage dein Herz, deine Liebe! Was sagt diese? Was ist ihre Sehnsucht? Hat dir diese aus deinem Leben heraus ganz bestimmt geantwortet, so hast du dann schon in dir selbst dein Los entschieden: Denn jeder wird von seiner eigenen Liebe gerichtet.“
[16.3] Spricht der Bischof: „O Freund, so ich nach meiner Liebe gerichtet würde, da käme ich Gott weiß wohin! Denn in mir geht es noch gerade so zu wie im Gemüt eines modesüchtigen Weibes, das da in einem irdischen Modeverkaufsgewölbe vor sich hundert Modestoffe hin und her mustert und am Ende nicht weiß, was es nehmen soll!
[16.4] Meinem innersten Gefühl nach möchte ich bei Gott, meinem Schöpfer, sein. Aber da treten mir meine vielen und großen Sünden in den Weg, und ich sehe dann die Realisierung solches meines Wunsches für rein unmöglich an!
[16.5] Darauf denke ich wieder an jene schon diesweltlichen abenteuerlichen Schafe und Lämmer; mit einem solchen Schaf wäre es gerade auch nicht unangenehm, in Ewigkeit zu leben! Aber da sagt mir wieder wie ein innerer Mensch: ‚So was wird dich Gott ewig nie näherbringen, sondern dich stets mehr nur von Ihm entfernen!‘ – und damit sinkt auch dieser mein Lieblingsgedanke ins Grundlose dieses Meeres.
[16.6] Wieder kommt mir der Gedanke, irgend in einem Winkel dieser ewigen Geisterwelt als ein allerschlichtester Landmann zu leben und nur wenigstens einmal die Gnade zu besitzen, Jesus zu sehen, wenn auch nur auf einige wenige Augenblicke! Aber da ermahnt mich wieder mein böses Gewissen und spricht: ,Dessen bist du ewig nicht wert!‘ – und ich sinke wieder zurück in mein mit allen Sünden behaftetes Nichts vor Ihm, dem Allerheiligsten!
[16.7] Nur ein Gedanke kommt mir am wenigsten schwer und unmöglich zu realisieren vor, und ich muss es gestehen, dass das nun meine Lieblingsidee ist: nämlich bei Dir, wo Du auch sein magst, die ganze Ewigkeit zu sein und zuzubringen! Obschon ich auf der Welt diejenigen am wenigsten leiden konnte, die es wagten, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, so aber habe ich Dich eben dadurch nun über alles liebgewonnen, weil Du mir die Wahrheit wie ein allerweisester, aber auch wie ein allersanftester Richter schnurgerade ins Gesicht gesagt hast. Bei dieser Hauptlieblingsidee aber werde ich auch verbleiben in Ewigkeit.“
[16.8] Spreche Ich: „Nun gut, wenn das deine Hauptliebe ist, von der du dich in der Folge aber noch tiefer überzeugen musst, so kann sie sogleich ausgeführt werden! Siehe, wir sind nun nicht mehr fern von einem Ufer und ebenso wenig fern von einer Wohnhütte. Mein Geschäft kennst du nun schon, dass Ich ein Lotse bin im vollsten Sinne des Worts? Du wirst nun dies Geschäft mit Mir teilen; den Lohn für unsere Bemühungen wird uns unser Grundstückchen bringen, das wir in geschäftsfreien Augenblicken nach Möglichkeit emsigst bearbeiten wollen. Und sieh dich um, neben dir wirst du noch jemanden finden, der da getreust mit uns halten wird!“
[16.9] Der Martin sieht sich auf dieser Seefahrt zum ersten Mal um und erkennt sogleich den Engel Petrus – und fällt ihm um den Hals und bittet ihn um Vergebung ob der angetanen Schmähungen.
[16.10] Petrus erwidert die gleiche Liebe und preist den Bischof glücklich, dass sein Herz diese Wahl getroffen hat aus seinem innersten Herzengrund.
[16.11] Das Schiffchen stößt nun aber auch ans Ufer, wo es an einem Stock befestigt wird, und wir alle drei aber gehen in die Hütte. (Das Weitere nächstens.)
Kein Kommentar bisher