[139.1] Auf diese Entgegnung ist unser Martin erst ganz verlegen und weiß nun keine Silbe mehr zu erwidern. Bei sich nur murmelt er ganz leise: „So! So, so! Jetzt ist’s recht! Jetzt liegt die Sau doch vollkommen in ihrer Pfütze! Was soll ich nun sagen? Die haben recht in allen Punkten, und ich bin dagegen ein Esel und Ochse in allen Punkten, notabene mit dem Weisheitshut am Haupt! O das taugt so recht nett zusammen! Die kommen mir mit einem zweiten solchen Hut entgegen! Es geht immer besser! Brüder, liebe Brüder, reißt ihr mich nicht aus diesem Sumpf, so gehe ich euch auf jeden Fall durch!“
[139.2] Spricht Petrus: „Bruder, [habe Geduld,] dann wird es schon recht bald besser werden! Denke nur wieder nach; es wird sich schon wieder irgendeine Antwort finden lassen. Nur sei stets ernst und lasse nicht viel handeln, sondern behaupte gründlich, was du aufstellst, und rede wie ein Lehrer, dann wirst du mit diesem Vorposten schon überorts kommen! Mit dem Nachtrabe wird es freilich etwas hitziger aussehen, aber da werden wir dir schon helfen, so es sehr nottun wird. Daher sei nur mutig und verzage nicht; es wird alles gut gehen!“
[139.3] Spricht der Martin: „Brüder, wie ich es bei mir verspüre, so wird bei mir nicht viel mehr Rares nachkommen, denn ich habe meinen Weisheitskasten bereits ausgeleert! Dass der Liebe die Weisheit notwendig folgen muss, das ist mir nun über alle Maßen klar, und ist von diesen drei Wunderwesen so richtig geordnet dargestellt, dass sich dagegen nicht das Geringste einwenden lässt. Ich kann daher ihnen gar nichts einwenden, und nichts anderes tun, als ihnen vollends recht geben und lassen; oder weißt du etwas Besseres?“
[139.4] Spricht Petrus: „Ja, ja, das ist schon richtig, was recht ist, das ist recht auf Erden wie im Himmel. Aber dessen ungeachtet musst du dich nicht gar zu leicht schon nach dem Verlauf von einigen weisen Reden gefangengeben, denn auch deine Sätze lassen sich verteidigen! Daher, wie gesagt, denke du nur ein wenig nach, und es wird sich dir bald eine sehr gute Antwort vorstellen!“
[139.5] Martin denkt nun kreuz und quer nach, was er da sagen soll, und findet nach einem etwas längeren Nachdenken doch im Ernst einen Satz, der sich allerdings hören lässt; er ordnet ihn und spricht dann: „O ihr überherrlichen Töchter der großen Sonne! Eure Rede ist wohl sehr weise und ist bestens geordnet. Aber es geht ihr dennoch etwas ab, das euch zwar äußerst gering vorkommen dürfte, für mich aber durchaus nichts Geringes ist.
[139.6] Hört, da ihr durch eure Weisen es wisst, was der große Geist Gottes auf meiner kleinen Erde gelehrt hat, und wisst es auch, wie dort die Natur aller Kreatur beschaffen ist, so nimmt es mich sehr wunder, dass ihr nicht auch wisst, was der Herr Jesus, der da ist euer urewiger großer Geist, noch bei anderen Gelegenheiten zu Seinen Kindern geredet hat!
[139.7] Seht, einst brachten Mütter ihre Kindlein hin zu Ihm. Und da dadurch ein Drängen entstand, da stellten sich die schon sehr weise sich dünkenden Jünger den Müttern entgegen und wehrten ihnen, sich zu nahen dem Herrn. Da aber der Herr das alsobald merkte, da sprach Er zu den Jüngern: ‚Lasst die Kleinen, und wehrt es ihnen nicht, zu Mir zu kommen; denn solcher ist das Himmelreich! Wahrlich, wahrlich, sage Ich euch, so ihr nicht werdet wie diese Kleinen hier, da werdet ihr nicht eingehen in Mein Reich!‘
[139.8] So aber eben der Herr denjenigen, die schon weise waren, die Kindschaft, die noch keine Weisheit besitzt, als Bedingung zur Erreichung des Himmelreiches setzt, da weiß ich dann nicht, wie ihr die Weisheit für so etwas Großes haltet und überzeugt zu sein scheint, dass man erst nach dem Empfang eures Weisheitspreises fürs Himmelreich befähigt werden würde! Ich meine, die Lehre Gottes wird doch etwa über die eurige erhaben und durchaus wahr sein?
[139.9] Wohl sagte der Herr zum weisen Nikodemus, dass er zuvor wiedergeboren sein müsse, so er in das Gottesreich eingehen wolle. Aber der Herr meinte damit nicht eure Weisheit, die der Jude ohnehin schon besaß, sondern die unschuldige Kindheit, die da pure Liebe ist! Also verstehe aber auch ich des Herrn Wort, und halte mich bloß an die Liebe, und überlasse alle Weisheit ganz allein dem Herrn; und seht, darum bin ich auch bei Ihm – während ich Gott weiß wo wäre, so der Herr meine Weisheit ansehen möchte, die so gut wie ewig keine ist!
[139.10] Also bin ich auch mehr als überzeugt, dass da ein jeder sündigt, der sich vor Gott der Weisheit rühmen möchte. So aber des Einfältigen Herz nur voll ist von der Liebe zu Gott, so hat er schon auch den höchsten Lebenspreis in sich, der ihm die Gotteskindschaft erwirkt. So er aber diesen Preis hat, sagt, wozu soll ihm dann der eurige dienen? Daher sei euch von mir nun zum letzten Mal gesagt: Ich bedarf eures Weisheitspreises nicht, da ich schon lange habe, was ich brauche!
[139.11] Seht aber auch ihr, dass euch mein Preis zuteilwird! Da werdet ihr alle glücklicher zu preisen sein, als ihr es nun seid in eurem lebendigen Weisheitsglanz, aus dem trotz eurer unnennbaren Schönheit sehr wenig Liebe herausschaut! Redet nun, ob ihr noch was zu reden habt; aber auf eine Antwort rechnet ja nicht mehr von mir! Denn nur eines tut not, und das ist die Liebe; alles andere gibt der Herr, wann ich es brauche.“
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