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130. Von der Fürbitte der Heiligen und der Sorge um die Verwandten

[130.1] Spricht Johannes: „Du Freund und Bruder Martin, höre, du warst ja meines Wissens auf der Erde ein großer Freund Mariens und auch des Joseph und anderer Heiligen. Wie ist es denn, dass du dich hier gar nicht um sie zu kümmern scheinst? Auch um deine Anverwandten, als Vater, Mutter, Brüder und Schwestern, die vor dir hierher kamen, und noch um eine Menge anderer Verwandten und Freunde kümmerst du dich nicht! Sage mir doch, was ist denn daran wohl die Schuld?

[130.2] Sie könnten ja leicht irgendwo unglücklich sein; und du bist nun ein großer Freund des Herrn. Könntest oder wolltest du ihnen denn nicht helfen, so du sie irgend unglücklich wüsstest? Hast du auf der Welt doch selbst große Stücke auf die Fürbitte der Heiligen gehalten, und nun hier als nun Selbstheiliger, Selbstfreund des Herrn, denkst du nicht einmal daran! O sage mir, wie kommt denn das?“

[130.3] Spricht der Martin: „Liebster Freund und Bruder, der Ochse frisst Heu und Stroh, und ein Esel ist schon gar mit dem schlechtesten Futter zufrieden; ich aber war auf der Erde zuerst ein Esel und darauf ein Ochs! Was war sonach mein Futter? Siehe, zuerst ein mistiges Heu und Gras und darauf ein etwas besseres Stroh und Heu! Frage: Kann man bei einer solchen Kost für den Geist wohl auch geistig fett werden?

[130.4] Nun aber bin ich durch die alleinige Liebe, Erbarmung und Gnade des Herrn ein wirklicher Mensch geworden und habe schon öfter Sein Brot des Lebens gegessen und Seinen echten Wein der reinen Erkenntnis getrunken. Wäre es nun wohl löblich von mir, nach der schönen irdischen Esel- und Ochsenkost einen Appetit zu haben? Soll ich hier etwa auch noch wie auf der Erde irrwähnig meinen, die seligen Bürger dieses endlos großen himmlischen Geisterreichs möchten barmherziger, liebevoller und gnädiger sein als der Herr Selbst, und Er müsste Sich etwa von ihnen zur Liebe, Erbarmung und Gnade erst bewegen lassen? O Freund, so dumm wie ich war, bin ich nun wohl, Gott sei’s Dank, nimmer.

[130.5] Was sind Maria und Joseph, was alle sogenannten Heiligen, was meine irdischen Eltern, Brüder und Schwestern und alle sonstigen Freunde gegen den Herrn?! Habe ich Ihn, was frage ich da um 1.000 Marias und Josephs, um 1.000 Eltern, um 10.000 Brüder und Schwestern und um eine zahllose Menge von allerlei Freunden? Der Herr sorgt für sie alle, wie Er für mich gesorgt hat; und was braucht es dann mehr? Ich meine, ein jeder echte Himmelsbürger wird so denken wie ich. Denkt er aber anders, so muss er notwendig noch vollkommener sein als der Herr Selbst!

[130.6] Sagte ja doch einst der Herr Selbst, wer so ganz eigentlich Seine Mutter, Brüder und Schwestern sind, als man Ihn benachrichtigte, dass draußen Maria, Seine Mutter, und Seine Brüder und Schwestern Seiner harrten.

[130.7] So aber Er, der da war und ewig sein wird unser aller Lehrer und Meister, uns mit solch einer Belehrung entgegenkam, die wir leider auf der Welt freilich wohl nicht verstanden haben, sollen wir nun hier im Himmel etwa eine bessere Belehrung in uns selbst finden? Ich meine, das wäre noch über all mein irdisches Esel- und Ochsenfutter! Meinst du, liebster Bruder, nicht auch so?“

[130.8] Spricht Johannes: „Allerdings, du hast mir ganz aus dem Zentrum meines Herzens gesprochen. Es ist so, es muss so sein, und es kann ewig nie anders sein! Aber so dir die Maria und der Joseph und noch andere denkwürdige Personen unterkämen, möchtest du da nicht eine ganz besondere Freude haben?“

[130.9] Spricht der Martin: „Eine rechte Freude allerdings, aber keine größere sicher nicht, als so der Herr zu mir kommt. Denn in Ihm allein habe ich alles, und daher ist Er allein mir auch über alles! Siehe, du und der Bruder Petrus, ihr gehört doch gewiss zu den ersten Personen, die die Erde trug; brate ich für euch – wie man auf der Erde sagt – eine Extrawurst? Ich habe euch sehr lieb, aber ich achte jeden guten und weisen Himmelsbürger euch gleich. Denn wir alle sind ja nur Brüder, und einer ganz allein ist der Herr! Ist es nicht so?“

[130.10] Spricht Johannes: „Bruder, bei solcher deiner wahren Weisheit wirst du auf der Sonne gut durchkommen; denn nun sehe ich schon, dass du die rechte Weisheit hast. Und so siehe, der Weg wendet sich schon hinab ins Tal; wir werden nun mit Sonnenweisen zu tun bekommen.“

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Bischof Martin

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