[123.1] Während die Gella solche gar löblichen Betrachtungen bei sich macht, kommen alle die Chinesen hinzu und einer aus ihnen spricht:
[123.2] [Ein Chinese:] „Du unleugbarer Gottesbevollmächtigter, sage uns doch aus deiner uns wohlbewussten großen Weisheit, was denn da wohl der so ganz eigentliche Grund ist, dass diese unsere Chanchah gar so übermächtig an dir hängt? Sie hat ja eine solche Liebe zu dir, dass wohl kein Mensch zum Lama eine größere haben könnte, so dieser – wenn es möglich wäre – auch sichtbar vor ihm stünde!“
[123.3] Rede Ich: „Habt nur Geduld, diese Chanchah wird euch in Kürze alles kundgeben, was euch hier zu wissen nottut! Nun aber forscht nicht weiter, sondern lasst euer Herz vor eurem Verstand einhergehen, so werdet ihr den sichersten und kürzesten Weg zu wandeln haben!“
[123.4] Sagt darauf einer aus ihnen wieder: „Das wird wohl sehr gut und ehrlich sein, und wir hoffen das auch von ihr. Aber wird sie uns auch sagen können, was jenes Ungeheuer zu bedeuten hat, das du früher so urplötzlich zur Tür hinausgewiesen hast, nachdem es dem guten biedern Martin bevor [zuvor] allerlei Spuk vormachte, ja sich sogar in ein allerreizendstes Weibswesen verwandelte, um den armen biedern Martin zu fangen? War das nicht etwa ein ormuzischer Abgesandter oder war es etwa gar der Ormuz selbst?“
[123.5] Rede Ich: „Auch das wird euch die Chanchah nicht vorenthalten; daher begebet euch nur wieder auf eure Plätze zurück und harrt dort in aller Freude solcher Löse. Es sei!“
[123.6] Auf diese Worte begeben sich alle die Chinesen wieder zurück und tun, was Ich ihnen anbefohlen.
[123.7] Aber auch mehrere der Mönche treten nun vor und fragen Mich um ähnliche Bescheide; und es wird ihnen ebenfalls bedeutet, nun nur noch ein wenig zu ruhen, auf dass sie hinreichend gestärkt werden für die folgende Löse. Und sie treten auch zurück und harren in aller Geduld und Freude.
[123.8] Aber einige Nönnchen bilden einen Klub und raunen einander zu: „Wir hatten zufolge einiger Winke unserer Schwester, die nun Gella heißt, ja schon fast ganz geglaubt, dieser Chinesenfreund, der dem Drachen samt seinem Anhang so kräftigst begegnen konnte, ist entweder der Erzengel Michael oder wohl gar Jesus, der Herr, Selbst. Aber nach dem zu urteilen, was er mit der freilich viel schöneren Chinesin, als wie wir es sind, treibt, wie er sie herzt und kost, dass es schon völlig aus ist, so kann das wohl doch unmöglich weder Michael und noch viel weniger der Herr Jesus sein!
[123.9] Ach, ich möchte das sogar für eine große Sünde halten, vom Michael und gar vom Herrn Jesus, so was nur schwach zu denken, als könnte Er, und noch dazu mit einer Heidin, so ein verliebtes Spiel treiben! Diese dumme Gretel aber geniert sich auch nicht im Geringsten vor uns. Nein, wie sie in seiner Brust herumwühlt; muss aber das doch eine verliebte Katze sein!
[123.10] Wenn er Michael oder der Herr Jesus wäre, da wäre er ja auch zu uns Christinnen gekommen, die wir auf Ihn doch ein unbestreitbares Vorrecht vor den Heiden haben. Da er aber nur stets dieser Chinesin huldigt, uns aber nahe gänzlich aus aller Acht lässt, so wird’s bei ihm besonders mit der Jesusschaft wohl so einen hübsch starken Haken haben. Es ist nur dumm von unserer Schwester, wie auch sie dort stehen und losen [zuhören] kann, als wollte sie sich auch an seine Brust stürzen. Mienen macht sie wenigstens schon derartige!“
[123.11] Rede Ich zur Gella: „Mein Töchterchen, siehe, hier neben der Chanchah ist auch für dich ein Plätzchen. Komme auch du her und mache deiner Liebe Luft!“
[123.12] Gella fällt sogleich auch an Meine Brust und ist voll Seligkeit.
[123.13] Aber die Klubistinnen sagen: „Nein – da haben wir’s! Wie wir es uns gedacht haben, so ist es auch! Nein, da ist nichts mehr zu reden. Wenn nur der Hausherr Martin bald zurückkäme, auf dass wir uns bei ihm beschweren könnten. Aha, aha, dort kommt er schon mit Borem und Chorel. Gehen wir ihm nur schnell entgegen!“
[123.14] Als der Martin sieht, dass ihm der ganze, sehr zahlreiche Tross Weiber entgegenkommt, ersieht er aber auch zugleich, wo sie der Schuh drückt. Er geht ihnen daher gar freundlich entgegen und spricht:
[123.15] [Bischof Martin:] „Weiß schon, weiß schon, wo’s euch drückt! Geht daher nur wieder ganz ruhig und fein an eure Plätze zurück, denn für derlei Beschwerden habe ich keine Ohren. Nur das sei euch im Vorbeigehen gesagt, und das merket ihr euch fest und wohl: Wer Liebe will, der muss zuerst lieben! Denn Liebe lässt sich durch nichts als nur wieder durch Liebe gewinnen! Daher liebt auch ihr wie jene beiden den Herrn, so werdet auch ihr Seine Brust gewinnen! Versteht ihr das?“
[123.16] Sagen die vielen Klosterweiber: „Ach, du lieber Herr dieses Hauses, wie könnten wir solches tun? Siehst du denn nicht ein, dass wir die festesten Christinnen sind? Jene Favoritin aber ist eine Heidin, und die Gella aber ist ohnehin schon von jeher eine Person von sehr leichter Art gewesen, darum sie auf der Erde auch voll von allerlei Teufelsanfechtungen war, und wird es daher nun auch nicht sparen, wie und wo es sich nur immer fügen wird, hier in diesem deinem himmlischen Haus solchen Anfechtungen ein willig Ohr und Herz zu weihen.
[123.17] Jener Mann, den wir alle nahe schon ganz für den Herrn Jesus oder wenigstens für Michael ansahen, wird wohl auch so hübsch ein um sehr vieles tiefer unten stehender Geist sein, ansonst er sich doch sicher nicht mit den beiden leichten Personen gar so intim abgeben würde! Daher –“
[123.18] Hier unterbricht sie der Martin und spricht: „Schon gut, schon gut, meine Lieben! Ich sehe es schon, ihr werdet auch noch ins Bad gehen müssen. Ich glaubte, ihr wärt alle schon rein, indem ihr doch schon tüchtig abgesotten und darauf gewaschen worden seid; aber jetzt kommt aus euch ein ganz verborgener alter Rost und Schmutz zum Vorschein! Daher werdet ihr schon noch einmal in ein ganz scharfes Bad gehen müssen, bevor ihr wert sein werdet, jenem Heiligen euch zu nahen.“
[123.19] Schreien die Mönchinnen: „Was sagst du, wir – baden? Du bist auch ein Unreiner, darum geht der Teufel bei dir aus und ein! Oder haben wir etwa zu unserem größten Entsetzen nicht gesehen, wie du ehedem der schönen Teufelin einen Kuss hast geben wollen, hätte sie dich nicht zurückgestoßen! Wenn das so fortgeht, so wird es etwa doch bald klar genug sein, in wessen Händen wir uns in diesem Haus befinden!“
[123.20] Spricht wieder der Martin ganz gelassen: „Ja, ja – nur ins Bad mit euch! Baden, nur baden! Dort hinter jener weißen Wand schwimmen nun tausend so gar rare Fischlein herum und baden sich; dort ist für euch auch noch Platz. Daher begebt euch nur so schön gutmütig hin und macht Gemeinschaft mit jenen Badegästen, sonst – –!“
[123.21] Die Mönchinnen schreien im Zorn und gehen auf ihre alten Plätze zurück.
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