[119.1] Ich aber wende Mich an den Drachen und Meine Worte lauten: „Satan, wie lange noch willst du Gott, deinen ewigen Herrn, versuchen? Wie lange noch wird dein unbegrenzter Hochmut währen?! Was willst du erreichen Meiner unendlichen Macht gegenüber, die dich allzeit vollends auflösen und vernichten kann! Und will sie schon das nicht, so kann sie dich doch ewig züchtigen auf das Allerschärfste!
[119.2] Du weißt, dass diese Zeit deine allerletzte ist; in dieser kannst du noch erstehen – oder fallen auf ewig! Was willst du tun?! Dir ist Mein Wille nur zu bekannt, und wäre er das nicht, da hättest du keine Sünde ewig. Da dir aber Mein Wille bekannt ist und der Lohn wie auch die Strafe, so rede, was wirst du nun tun?
[119.3] Siehe, nun erhebt sich alles wider dich! Alle Berge werden erniedrigt und die Täler ausgefüllt. Alle Kronen und Throne der Erde, die du errichtet, werden in den Pfuhl geschleudert werden! Was wirst du tun? Meiner Macht wirst du ewig nimmer Trotz bieten können; es wird dir nichts mehr zugelassen werden! Also rede, was wirst du tun? Wirst du dich erheben oder willst du fallen?
[119.4] Siehe, unter dir der ewige Abgrund – und siehe, hier bin Ich, ein Vater aller, die Mich lieben, und hier Mein Tisch! Wähle nun und entschließe dich schnell! Es sei!“
[119.5] Spricht Satan: „Herr, ich kenne Dich, kenne Deine Macht und meine entsetzliche Ohnmacht neben Deiner unendlichen, ewigen Macht. Aber eben darum, dass ich das alles nur zu sehr in aller Tiefe der Tiefen einsehe und meine Ohnmacht nur zu tief fühle, sehe ich auch als einen Triumph meines Stolzes ein, dass ich Dir trotzen kann; und sehe es auch ein, dass aller Deiner Macht kein Mittel übrigbleibt, meinen Sinn zu beugen, zu siegen über meinen Willen, außer durch meine völlige Vernichtung, was aber Du ewig nie als einen Sieg über mich betrachten kannst! Denn ein geistiger Lebenssieg beruht ewig nimmer auf der möglichen gänzlichen Vernichtung des endlos schwächeren Gegenteils, sondern in der weisesten Überzeugung dessen, was die vollste Freiheit der beiden Parteien notwendig bedingt.
[119.6] Diese Überzeugung aber beruht stets auf der frei willkürlichen Annahme des Gegenteils. Dieses Gegenteil aber bin ich, der ich es nie einsehen will, was Du auch rechtester Maßen willst. Und so ich es auch einsehe, so will ich es aber dennoch nicht tun, um Dir zu zeigen, dass es außer Deinem Willen noch einen anderen gibt, den alle Deine Allmacht ewig nimmer beugen soll, solange Du mich bestehen lässt.
[119.7] Denn siehe, es ist ein Leichtes, frei nach Deinem Willen zu sein. Aber Deine ewige Allmacht kennen und Deinen Zorn, und in der eigenen Ohnmacht, ewig verzichtend auf alle Seligkeit, in der größten Qual Dir, dem allmächtigsten Geist dennoch zu trotzen – siehe, das ist größer denn alle Größen, die ein allsehend Auge ewig je irgend zu erschauen wird vermögen!
[119.8] Und siehe, das ist auch der Grund meines steten Ungehorsams gegen Dich! In diesem Ungehorsam ersehe ich den größten Triumph meiner Ohnmacht gegen Deine Allmacht darum, weil ich in solcher meiner Ohnmacht stets der freiwillige Sieger Deiner Allmacht, Weisheit und Liebe, wie auch Deines Zornes verbleibe und Du mich nicht beugen kannst mit aller Deiner Macht, Kraft, Liebe, Weisheit, Gericht und Zorn!
[119.9] Ein Michael sein ist keine Kunst, ein Gabriel sein keine Schwierigkeit, ein Uriel ein Leichtes; ein Seraph, ein Cherub eine himmlische Spielerei. Aber ein Luzifer sein, ein erster größter Geist nach Dir, wohl wissend, welche endlose Seligkeit Deine endlose Liebe bietet, und daneben aber auch, welche stets steigende Qual Dein Zorngericht bietet, und dabei aber dennoch alle Seligkeit, wie alle ewige Qual verachtend Dir, aus der eigen wohlbewussten Ohnmacht den unerschütterlichsten, ewigen Trotz bieten, ohne in einer leisesten Aussicht zu stehen, dabei etwas zu gewinnen, sondern ewig nur endlos zu verlieren – siehe, diese ohnmächtige Willensgröße eines Geschöpfes ist endlos größer als alle Größe Deiner Göttlichkeit! Und dieses Bewusstsein macht mich seliger in meiner größten Qual, als Du samt allen Deinen Geistern und Engeln es je warst! Daher frage mich nimmer, sie lange ich Dir noch trotzen werde. Meine Antwort wird stets die gleiche sein: Ewig, ewig, ewig! Gott wird mich nimmer beugen!“
[119.10] Rede Ich: „O du blinder, finsterer Geist, wie groß doch ist dein Tod, in dem du wähnst, Mir Trotz bieten zu können?! Du hast eine Freude in solchem deinem Wahn und bedenkst nicht, dass da jede wahre wie deine falsche dir wie deine eigen dünkende Freiheit am Ende dennoch Meinem Willen untertan sein muss. Denn wer hat je mit Mir Rat gehalten und wer Meine Wege durchschaut? Weißt du denn wohl, ob das nicht Mein geheimer Wille ist, dass du eben also sein musst, wie du bist? Weißt du es, ob Ich dich nicht schon von Urbeginn zum Fall bestimmt habe? Kann das Werk wohl je dem Werkmeister vorschreiben, wie und wozu er es gestalten soll?
[119.11] Ein Erzgießer verfertigt aus einer feuerfesten Masse seine großen Schmelztiegel. Diese kommen in ein mächtig Feuer und in ihnen kocht dann das harte Erz. Und so es genug zerkocht ist, da fließt es dann wie ein Wasser, und der Werkmeister lässt es fließen in verschiedene brauchbare Formen. Ist das Erz in Formen gegossen, da werden diese dann abgekühlt und erleiden keine Glut mehr; aber der Tiegel bleibt in der Glut, damit anderes Erz in ihm geschmolzen werde, und wird nicht abgekühlt eher, als bis er unbrauchbar geworden ist, wo er dann auch verworfen wird für immer als eine zu nichts mehr brauchbare ausgebrannte Materie.
[119.12] Bin Ich aber nicht ein Werkmeister aller Werke der Werke? So Ich das aber bin und schaffe Mir Werkzeuge, wie Ich sie brauche und wie Ich sie haben will, sage, kannst du Mir dann trotzen? Oder kannst du das Trotz nennen, so du also bist, wie du bist, und nicht anders sein kannst als also nur, wie Ich es am Ende will?!
[119.13] Ich aber bin kein harter Erzgießer, sondern ein Meister voll Liebe, sodass Ich sogar Meine Tiegel aus ihrer langen Glut ziehen will, so sie es wünschen und in die Ordnung Meiner freien Werke übergehen wollen. Wollen sie das aber nicht und macht es ihnen mehr Freude, Meine ewigen Schmelztiegel zu verbleiben, so ist es Mir auch recht, denn da brauche Ich Mir keine neuen zu schaffen. Bleiben sie aber Tiegel, so sind sie, wie sie sein müssen, und unmöglich, wie sie sein wollten! Denn ein Werkzeug kann nicht anders sein, als wie Ich es gestalte und haben will.
[119.14] Daher ist dein vermeintlicher Trotz, an dem du eine Freude hast, auch nichts als eine Chimäre, entstammend deiner großen Blindheit! Denn so wenig ein Topf zum Töpfer sagen kann: ‚Ich bin, wie ich will!‘, während ihn doch der Töpfer dreht und gestaltet, wie er will; ebenso wenig kannst du zu Mir sagen, dass du seist, wie du wollest, während du doch nur sein musst, wie und was du bist, wie Ich es will! Nur gebe Ich, als die ewige Liebe selbst, dir nebst diesem deinem Gericht auch so viel lebendige Freiheit, derzufolge du deinen qualvollsten Zustand fühlen, begreifen und ändern kannst, so du es willst. Willst du es aber nicht, so bleibe, wie und was du bist, nicht aber, weil du es also willst, sondern weil Ich es also will!
[119.15] Willst du aber dein Los verbessern, so werde Ich an deine Stelle ein anderes, Mir in deiner Art dienliches Werkzeug setzen! Rede nun, was du willst! Mir ist es vollends ein Gleiches, ob du bleibst, wie und was du bist; oder ob Ich, wie gesagt, an deine Stelle ein anderes Werkzeug setze!“
[119.16] Hier stutzt der Satan gewaltig und weiß nicht, was er sagen soll.
[119.17] Sein zahlreicher Anhang aber schreit: „O Herr, wenn also, oh, da erlöse uns aus aller unserer Qual und setze an unsere Stelle neue, brauchbarere Werkzeuge! Denn wir haben des Elends zur Genüge verkostet und sind vom Feuer schon sehr morsch geworden. Daher erbarme Dich unser und gestalte uns um, o Herr, nach Deiner Güte, nach Deiner Liebe!“
[119.18] Als der Satan solches vernimmt von seinem Anhang, da wird er wütend und brüllt und heult: „Wollt ihr nicht teilnehmen an meiner Größe?! So bleibe ich auch nicht, was Gott will, sondern was ich werde wollen! Stimmt mir zu!“
[119.19] Schreit sein Anhang: „Narr, was kannst du wollen, das Gott nicht wollte?! Ist dein möglich freiester Wille nicht Gottes Wille?! Wolle du, was du willst, so kannst du aber dennoch nichts wollen aus dir, sondern nur den Gotteswillen in dir, der allein allzeit und ewig dein unbesiegbarer Richter bleiben wird! Tue du, wie du gerichtet bist; uns aber hat nun Gottes Erbarmung ergriffen und lässt uns nimmer aus! Daher tun wir nun auch nach unserem besseren Gericht!“
[119.20] Rede Ich: „So erstehet, ihr Elenden, und euer Los werde ein freies! Du einer aber bleibe, so du willst, was du bist! Was du auch nun immer tun willst, ist nicht dein, sondern Mein Gotteswille! Und dein Wille in dir sei ewig ein Gericht aus Mir in dir!
[119.21] Ich gebe dir aber noch zu dieser redlichen größten und tiefsten Belehrung eine kurze Frist, in der du wohl überdenken kannst, was du und wie du bist! Willst du dein Los verbessert haben, so wird es geschehen. Willst du es aber nicht, so wirst du bleiben fürder, was du nun bist so lange, bis aller gegenwärtigen Schöpfung letzter Gefangene erlöst wird durch den Weg des Fleisches! Was aber dann mit dir, das weiß Ich allein und niemand in der Unendlichkeit außer Mir!“
[119.22] Bei diesen Worten stößt der Satan einen großen Schrei aus sich und eilt zur Tür hinaus. Sein Anhang aber wirft seine Drachenpanzer von sich, und es stehen tausend gar elend aussehende Seelen ganz nackt hier und bitten um Heilung und Linderung ihrer großen Schmerzen.
[119.23] Ich aber berufe nun wieder unseren Martin, den Borem und auch den Chorel und beheiße sie, zu führen diese Elenden in das kühlende Bad. Die drei tun sogleich, wie Ich ihnen gebot, und die tausend Elenden finden Linderung im Bad.
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