(Am 17. April 1848)
[118.1] Borem tritt zum Martin hin, erhebt ihn und spricht: „Lieber Bruder, siehe, du bist zu eifrig! Lass in der Zukunft nur den Herrn handeln! Wir aber wollen nur das tun, was uns der Herr anbefiehlt, da werden wir allzeit am allerbesten drauskommen.
[118.2] Mit solchen Wesen, wie dieses da ist, es aufzunehmen, gehört sehr viel mehr dazu, als wir es jetzt zu fassen imstande sind! Mit diesem Wesen aber kann schon gar kein Engel es aufnehmen für sich, sondern allein mit der knappsten Hilfe des Herrn. Denn diesem Urdrachen stehen ja tausend und abermals tausend der feinsten Trugmittel aus ihm selbst zu Gebote, durch die er alle Himmel berücken könnte, so es ihm vom Herrn zugelassen würde! Wenn aber schon alle Bürger der Himmel vor ihm ohne die Dazwischenkunft des Herrn durchaus nicht sicher wären, was wollten dann wir zwei als kaum Neulinge dieses Reiches gegen ihn ausrichten?
[118.3] Siehe, als Michael, aller Himmel mächtigster Engel, mit diesem Drachen um den Leib Moses rang, ward er überwunden, und konnte als Besiegter nichts tun, als das Gericht des Herrn über dies allerböseste Wesen rufen, das allein nur imstande war, diesem Drachen die Beute zu nehmen!
[118.4] Wenn aber schon ein Michael gewisserart den Kürzeren ziehen musste, was sollen dann wir beide mit ihm ausrichten?! Daher sei in alle Zukunft ja überaus vorsichtig bei irgendeinem, vom Herrn bestimmten nötigen Zusammenstoß mit solchen Wesen; denn ihr Wesen ist eitel Grundböses und Falsches!
[118.5] Nun erhebe dich nur wieder und danke es dem Herrn, der ganz allein dich nun von einem großen Übel befreit hat! Denn wenn es auf den Satan angekommen wäre, so hätte er von dir den Kuss auf jeden Fall angenommen. Aber dadurch hätte er dann auch all deine himmlische Liebe in seine höllische verkehrt und hätte dich durch seine weibliche Gestalt, die er vor dir nicht leicht wieder abgelegt hätte, mit mehr als ehernen Banden an ihn gekettet.
[118.6] Aber im Augenblick, als du ihn küssen wolltest, ward er vom Herrn in seine eigentümliche böseste Natur zurückgerichtet. Sein unendlicher Hochmut tauchte auf, und du warst von ihm elendst zurückgestoßen, worauf er dann sogleich seine Drachengestalt annehmen musste. Der Herr also hat dich gerettet! Daher erhebe dich aber nun auch sogleich und danke dem Herrn für die Rettung deines ganzen schwachen Wesens!“
[118.7] Martin erhebt sich auf diese gute Mahnung des Borem sehr schnell und stürzt zu Mir hin, bittet Mich um Vergebung solcher seiner Tollheit und dankt Mir aber auch allerinbrünstigst für die ihm erteilte Rettung und Mahnung durch den Mund Borems.
[118.8] Ich aber sage zu ihm: „Martin, wie lange werde Ich dich denn noch in deiner nur zu oft wiederkehrenden Tollheit ertragen müssen? Wann wirst du denn einmal anfangen, deinen oft gemachten besten Vorsätzen vollends gemäß zu handeln? Wie viele Merkstölpel wirst du wohl noch empfangen müssen, um weise zu werden für bleibend?! O du verkehrte Art! Wie viel Geduld doch braucht es, um dich auf den rechten Weg zu bringen!?
[118.9] Erhebe dich nun, aber sei endlich einmal klüger! Es ist genug, so du durch irgendeine Wirklichkeit nur zu geschwinde dich hinreißen lässt. Aber sich auch von einem eitlen Trug bis auf die letzte Lebensfiber besiegen lassen – sage, wie viel Schwäche gehört dazu?!“
[118.10] Martin schluchzt vor Reue und bittet Mich unausgesetzt um Vergebung.
[118.11] Ich aber beuge Mich sobald nieder und erhebe ihn und sage: „Siehe, nun stehst du wieder vor Mir frei, da Ich dich aufgerichtet habe; aber wie lange wirst du wohl also dich aufrechterhalten?
[118.12] Siehe, jeder rechte Himmelsbürger muss endlich unbedingt aus sich selbst vollkommen frei sein und darf nicht fallen, wenn er einen noch so schlüpfrigen Weg irgend auf eine Weile zu betreten hätte! Was wird aber mit dir sein, so Ich dich vollends frei lassen würde? Wirst du wohl das Gleichgewicht erhalten und nicht fallen, so du irgend allein einen schlüpfrigen Weg wandeln solltest?“
[118.13] Spricht Martin ganz zerknirscht: „O Herr! Lasse nur Du mich nimmer aus! O lasse mich nimmer vollends frei, sonst bin ich verloren! O ich verlange ewig von einer absoluten Freiheit nichts! Wenn ich nur als der Allerletzte bei Dir sein darf, da bin ich ja für alle Ewigkeiten vollends zufrieden! Also gebe auch dieses Haus dem lieben Bruder Borem, denn ich tauge durchaus nicht für solch einen zu überherrlichsten Besitz!“
[118.14] Rede Ich: „Sei nur ruhig und halte dich in deinem Herzen fest an Mich, so wird alles gut gehen. Aber diesen Besitz kann Ich dir nicht abnehmen und dem Borem überantworten. Denn dir solchen Besitz nehmen, hieße dir dein Leben nehmen und es einem anderen geben. Denn hier kann niemand etwas anderes besitzen als das nur, was da aus ihm hervorgeht. Solcher lebendige Besitz aber muss bleiben wie der Besitzer selbst, weil hier Besitzer und Besitz unzertrennlich sind.
[118.15] Aber nur musst du dich in solchem deinem Besitz nie als ein Herr dünken, so wird dein Besitz immer herrlicher und herrlicher werden. Jeder Himmelsbürger ist wohl ein ganz freiester Besitzer der Werke seines Geistes, seiner Liebe zu Mir; aber der alleinige Herr über jeden Besitz wie über jeden Geist bin nur Ich!
[118.16] Nun weißt du, wie hier die Sachen stehen; daher stehe aber auch du von nun an fest in Meiner alleinigen Liebe, so wird dich dieser dein himmlischer Besitz nimmer genieren!
[118.17] Sorge dich auch nicht um den Borem, denn er hat für sich schon alles zur höchsten Genüge; und wann du vollends reif sein wirst, da wird er dich schon auch in seinen Besitz einführen. Gehe aber nun hin zum Borem und tue, was er tut! Ich aber werde nun mit diesem Gast ein paar Wörtlein sprechen.“
[118.18] Martin tut wie ihm geraten.
Kein Kommentar bisher