[116.1] Martin schreit schon von weitem: „Herr, hilf uns, hilf uns! Die Bestie tut uns sonst Übles an; mit aller Kraft können wir uns seiner kaum mehr bemächtigen!“
[116.2] Rede Ich: „Satan, gehorche deinem Herrn!“
[116.3] Brüllt der Drache: „Dir gehorche ich nimmer! Keinen Herrn erkenne ich über mir!“
[116.4] Rufe Ich: „Willst du Meinem Vaterwort nicht gehorchen, so wirst du wohl Meiner Allmacht keinen Trotz bieten können, was du schon so oft erfahren hast! Ich rufe dich daher noch einmal als Vater und Herr und sage: Hierher komme und rechtfertige dich!“
[116.5] Brüllt der Drache: „Nein, nein, nein! Dir gehorche ich nimmer; denn ich allein bin der Herr der Unendlichkeit, und Du bist, was Du bist, nur durch mich!“
[116.6] Rufe Ich: „Satan, trotze Gott, deinem ewigen Schöpfer, nicht länger, sonst erreichst du hier dein ewig unerbittlichstes Gericht!“
[116.7] Brüllt abermals der Drache: „Ich, Dein Herr, will Dir und Deinem elendesten Gericht Trotz bieten! Schaffe mich von dieser Stelle, so Du es vermagst!“
[116.8] Nun ergreife Ich ihn mit der Macht Meines Willens und schleudere ihn samt seinem Anhang vor Mich hin und halte ihn so, dass er daliegt wie tot!
[116.9] Martin fragt ihn schnell, warum er (der Drache) jetzt nicht getrotzt habe.
[116.10] Ich aber sage: „Lasst ihn nun, bis er zu sich kommt; da soll es sich zeigen, was er nun denn vorbringen wird!“
[116.11] Spricht Martin: „O Herr, nur jetzt möchte ich meiner Zunge auf eine kurze Frist freien Lauf lassen, um diesem über alle menschlichen Begriffe dümmsten Wesen so einige wohlgenährte Wahrheiten hinters Ohr zu schleudern! Denn wie ich nun auf diesen ungeheuerst dümmsten Trotzbold erpicht bin, das kann ich gar nicht aussprechen! Vor seiner höchst lächerlichen, gräulichst dümmsten Gestalt scheue ich mich schon ganz und gar nicht, sondern ich muss darüber nur, freilich ärgerlich nur, lachen!“
[116.12] Rede Ich: „Wenn du schon gar eine so große Passion hast, es mit diesem Meinem Erzfeind aufzunehmen, so versuche nur immerhin dein Glück; aber sieh zu, dass du nicht den Kürzeren ziehen wirst! Es soll ihm zu dem Behuf bloß nur die Zunge freigelassen sein. Denn würde Ich ihn ganz frei lassen, da würde er mit dir wie ein Löwe mit einer Mücke spielen! Ja, Ich sage dir, ohne Mich würde seiner Kraft, die er noch hat, wohl die ganze Schöpfung keinen Trotz bieten können! Aber bloß mit seiner Zunge, die nun gelöst ist, kannst du es schon ohne Schaden versuchen, ob du ihrer Meister wirst; und somit fange nur an, deine scharfen Wortpfeile hinter seine Ohren zu treiben!“
[116.13] Martin tritt nun ganz mutig und knapp vor den Rachen des Drachen und fängt an, folgende Beißfragen an ihn zu richten, sagend: „Höre, du allerdümmstes Vieh der ganzen Unendlichkeit! Was willst du von Gott mit deinem alten, allerlächerlichsten Trotz denn erstreben? Sind einige Ewigkeiten noch nicht hinreichend, dir zu zeigen, dass du das allerdümmste Luder der ganzen Unendlichkeit bist? Siehe, von einem Esel sagt man doch so viel Kluges, dass er nur einmal aufs Eis tanzen gehe. Was soll man aber von dir sagen, du uraltes, alle Welten, Vieh und Menschen betrügerisches Mistvieh? Ist dein Saugehirn denn noch nicht genug ausgebacken worden im Höllenfeuer durch einige Dutzend Dezillionen Jährln oder Ewigkeiteln? Vorausgesetzt, dass deine unendliche Dummheit von einer Dezillion einen Begriff hat? Gib Antwort, du dümmstes Luder, wenn du eine Antwort geben kannst!“
[116.14] Spricht der Drache: „Höre, du naseweiser Blindkopf! Ein Löwe ist kein Mückenfänger. Und ich als ein urgesetzter Geist bin wahrlich in diesem meinen größten Elend zu großherzig, mich mit einem Nomadengeist abzugeben! Dir vergebe ich ja aber auch schon darum gerne, da du auf der Erde ja ein guter Arbeiter für mein Reich warst. Also nichts für ungut, mein lieber Martin.“
[116.15] Diese Erwiderung brachte den Martin ganz außer sich und kaum hat er noch Fassung genug, solch eine Geringschätzung seiner Person zu ertragen, und die schließliche Anklage anzuhören. Er holt daher sehr tief den Atem und spricht:
[116.16] [Martin:] „O du elendester Bösewicht, wie kannst du es wagen, mich, einen Bürger des Himmels, hier in der vollsten Gegenwart Gottes so schändlichst zu erniedrigen? Weißt du nicht, wie es geschrieben steht? Siehe, also steht es: ‚Wehe dem, der sich vergreifen wird an einem Meiner Gesalbten!‘ Ich, als ein Bürger der Himmel Gottes, werde doch etwa auch ein Gesalbter des Herrn sein? Meinst du wohl, der Herr wird dir solch einen Frevel ungerächt lassen, Elendster?!“
[116.17] Spricht der Drache: „Höre du, Martin: Ich, den du allzeit für den Fürsten der Lüge gescholten hast, solange du auf der Erde lediglich in meinem Sold standest und arbeitetest, habe dir in aller Gelassenheit bloß nur die nackte Wahrheit auf deine wahrhaft bübische Beschimpfung meines elendsten Wesens erwidert. Und siehe, du als ein von Gott gesalbter Himmelsbürger fährst auf ärger denn ein entzündetes Pulverfass auf der Erde und warnst mich, dein gesalbtes Haupt nicht anzutasten unter Androhung göttlicher Rache!
[116.18] Sage mir aber, woher du das Recht hast, mich so zu beschimpfen vor Gott? Bin ich nicht wie du aus Gott, nur mit dem Unterschied, dass ich ein unendlicher Teil aus Gott bin, und du ein Staub des Staubes am Staube aus mir nur, aber vom Herrn wieder aufgeklaubt aus der Spreu der vollsten Nichtigkeit und umgewandelt zu einem winzigsten Menschengeist!
[116.19] Hast du aber irgendeine Achtung vor Gott, so achte alles, was aus Ihm ist, und nicht allein dein gesalbtes Haupt, an dem dir mehr als am Herrn zu liegen scheint! Oder hast du mit deinem gesalbtesten Haupt jene endlosen Urtiefen der Gottheit so auf ein Haar ausgemessen, dass du dann mit einem ewigen Weisheitsgrund mir entgegentreten könntest und sagen: ‚Warum bist du so, wie du nicht sein sollst?‘
[116.20] Kannst du mir beweisen, dass ich nicht so bin, wie ich aus den ewig unerforschlichen Schöpfungsgründen sein muss, auf dass du das Bisschen sein kannst, was du bist? Oder gibt es wohl einen Töpfer, der ohne Drehscheibe einen Topf macht? Was aber die Drehscheibe dem Töpfer ist, das ist alle Welt dem Schöpfer. Ich aber bin die Materie aller Welt, somit auch die Grundlage, also der gefestete Gegensatz, durch den alles spezielle Werden und Sein erst bedingt werden muss, um als solches sich in der Unendlichkeit manifestieren zu können!
[116.21] Du kannst daraus mit deinem gesalbten Haupt entnehmen, dass ich in der großen Ordnung Gottes sicher auch notwendig bin. Und dass Gott durch meine Urgestaltung sicher keine Unweisheit zum Grunde alles Seins und Werdens gesetzt hat. Sage, so du das einsiehst und Gott die vollste Achtung geben willst, dass es so ist! Wie siehst du denn mit deinem gesalbten Haupt nicht ein, dass so du Gottes Werke belästerst auch notwendig Gott selbst belästerst, und Ihn – freilich in deiner verzeihlichen großen Dummheit – einen barsten Pfuscher nennst?!
[116.22] Daher, mein lieber Martin, sei du ruhig! Denn es werden wohl viele Ewigkeiten verrinnen, bis du nur den dezillionsten Teil eines Atoms jener unendlichen, tiefsten Verhältnisse zwischen mir und Gott fassen wirst! Übrigens muss es dir, als einem gesalbten Friedensbürger der Himmel Gottes, von mir Satan Sanftmut zu lernen, nicht sonderbar vorkommen?
[116.23] Martin, so du mir etwa doch was zu sagen hast, so rede! Aber rede wie ein Weiser und nicht wie ein dümmster, ausgelassenster Gassenjunge auf der Welt. Bedenke, dass du hier vor Gott und seinem urgeschaffenen größten Geist stehst, an dem dir höchstens nur seine Gestalt und sein dir vielleicht ewig nie begreifbarer Trotz, deiner Dummheit halber, ärgerlich auffallen!“
[116.24] Martin stutzt nun ganz gewaltig und weiß nicht, was er nun sagen soll. Er sieht bald Mich, bald wieder den Drachen an und fragt Mich geheim: „Herr, was ist das? Was soll ich darauf dem Drachen erwidern? Er scheint in aller Tiefe der Tiefen am Ende mir unbegreiflicher Maßen noch recht auch zu haben!?
[116.25] Der Teufel und recht haben, das passt aber ja doch wie eine Faust aufs Auge! Aber was soll ich da sagen, wenn der Teufel am Ende, wie gesagt, doch noch recht hat!? Nein, wenn das nicht verfl – – hätte bald gesagt – ist, so will ich doch alles heißen! Der Teufel und recht haben!“
[116.26] Rede Ich: „Du hast dich mit ihm in einen Wortkampf einlassen wollen, also kämpfe nur noch weiter; denn vom Teufel darfst du dich nicht besiegen lassen! Daher suche ihn nun nur zu bekämpfen nach deiner Lust, und rede sonach weiter mit ihm und widerlege ihm, was er dir gesagt hat!“
[116.27] Spricht Martin: „Oh, das wird eine schöne Widerlegung werden! O je, o je! Ich und der?!“
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