[10.1] Wer von euch am Kompass des Geistes sich auskennt, der wird bald merken, dass unser Mann nun statt gen Mittag schnurgerade gen Abend seines Weiterganges Richtung eingeschlagen hat. Er geht nun ganz mutig und behände vorwärts; aber er entdeckt nichts außer sich als einen mit spärlichem Moos bewachsenen ganz ebenen Boden und eine sehr matte, graulichte Beleuchtung des scheinbaren Firmaments, das, je mehr und je tiefer gen Abend, stets dunkler wird.
[10.2] Diese für unsern Mann sichtlich zunehmende Dunkelnis [Dunkelheit] macht ihn etwas stutzen; aber es hält ihn nicht ab, seinen Gang fortzusetzen, wovon das der Grund ist, weil seine Erkenntnis und sein Glaube so gut als gar nichts sind. Was aber noch da ist, das ist falsche Begründung wider das reine Wort des Evangeliums, somit barstes Antichristentum und ein im verborgenen Hintergrund in eine humoreske Maske verhüllter Sektenhass.
[10.3] Daher sein Gang gegen den stets dunkler werdenden Abend; daher der mit spärlichem Moos bewachsene Boden, welcher die Trocknis [Trockenheit] und die magerste Geringheit Meines Wortes in dieses Mannes Gemüt bezeichnet; und daher die stets zunehmende Dunkelnis, weil das zu gering und gar nicht geachtete und noch weniger beobachtete Wort Gottes, vor dem sich derlei Bischöfe nur pro forma in roten und goldenen Gewändern beugen, in ihnen nie zu einer Lebenswärme gediehen ist, aus der dann das herrliche Licht des ewigen Morgens für den Geist hätte hervorgehen können.
[10.4] Solche Menschen müssen in der Geisterwelt in die größte scheinbare Verlassenheit kommen und in die vollste Nacht; dann erst ist es möglich, sie umzukehren. Wie schwer es aber hier auf der Welt ginge, einen solchen Bischof auf den wahren Apostelweg zu bringen, ebenso und noch bei weitem schwerer geht es dort, weil er dort von außen her als Geist natürlich rein unzugänglich ist, in ihm aber nichts ist als Irrtümliches, falsch Begründetes und im Grunde Herrschsüchtiges.
[10.5] Meiner Gnade aber sind freilich wohl viele Dinge möglich, die dem gewöhnlichen Ordnungsgang unmöglich wären. Daher wollt ihr bei eben diesem Mann praktisch beschauen, wohin er kommen kann mit dem, was da in ihm ist und was am Ende, wenn sozusagen alle Stricke reißen, noch Meine Gnade, ohne in die Freiheit des Geistes einzugreifen, bewirken kann; welche Gnade diesem Mann auch zuteilwird, weil er einmal gebeten hat, dass Ich ihn mit Meiner Hand ergreifen möchte! Aber eher kann ihn die ausschließende Kraft Meiner Gnade dennoch nicht ergreifen, als bis er all den eigenen Plunder von allerlei Falschem und verborgen Bösem aus sich hinausgeschafft hat, was sich durch den Zustand der dichtesten Finsternis, ihn umgebend, kundtun wird.
[10.6] Nun aber richten wir unsere Augen wieder auf unsern Wanderer. Seht, da ist er schon. Langsamen und behutsamen Schrittes schreitet er nun mal vorwärts, bei jedem Schritt den Boden prüfend, ob er wohl noch fest genug wäre, ihn zu tragen. Denn der Boden wird nun hie und da sumpfig und moorig, was da ein entsprechendes Zeichen ist, dass sich alle seine falsch begründeten Erkenntnisse bald in ein unergründliches Geheimnismeer münden werden; daher sie schon jetzt auf unterschiedliche kleine Geheimnissümpfe in stets dichter werdender Dunkelheit stoßen – ein Zustand, der sich auf der Welt schon bei gar vielen Menschen dadurch kundgibt, dass sie, so ein Weiserer mit ihnen etwas vom Geistes- und Seelenleben nach dem Tod zu reden beginnt, sogleich mit dem Bedeuten davon abzulenken suchen: So etwas mache sie ganz verwirrt, verstimmt und traurig und melancholisch, und der Mensch würde, so er viel über derlei nachgrübeln möchte, am ehesten zu einem Narren.
[10.7] Diese Scheu ist nichts anderes als ein Auftritt des Geistes auf einen solchen Boden, der schon sehr sumpfig ist, und da niemand mehr den Mut hat, die unbestimmten Tiefen solcher Sümpfe mit seinem überaus kurzen Erkenntnismaßstab zu bemessen aus Furcht, bei solch einer Arbeit etwa gar ins Grundlose hinabzusinken.
[10.8] Seht, der Boden, der unsern Mann trägt, fängt an, stets gedehntere förmliche kleine Seen zu entwickeln, zwischen denen sich nur noch kleine und schmale, scheinbare Erdzungen durchschlängeln, entsprechend den hirngespinstischen Faseleien eines solchen erkenntnislosen Gottbekenners mit dem Mund, dessen Herz aber dennoch der purste Atheist ist.
[10.9] Also, auf solchem Boden wandert nun unser Mann den Weg, N. B.: den viele Millionen wandeln! Stets schmäler werden diese Erdzungen zwischen den für unsern Mann stets bodenloser werdenden Seen, voll verzweifelter Unergründlichkeit für seine Erkenntnis. Er wankt schon stark, wie jemand, der über einen schmalen Steg geht, unter dem ein reißender Bach dahinstürzt. Aber dennoch bleibt er nicht stehen, sondern wankt aus einer Art falscher Wissbegierde fort, um irgendein vermeintliches Ende der Geisterwelt zu finden; zum Teil aber auch heimlich die schönen Schafe und Lämmer zu suchen, denn diese gehen ihm noch nicht aus dem Sinn.
[10.10] Es ist ihm wohl alles genommen worden, was ihn daran erinnern könnte: das Buch, die Wiese, der Stein (des Anstoßes) samt den Schafen und Lämmern, die ihm einmal auf der Welt sehr viel Bezauberndes, Reizendes und überaus erheiternd Angenehmes zu tun machten, darum sie ihm der Engel Petrus auch hauptsächlich vorführte, um seine Schwächen in ihm zu enthüllen und in ihm auch dadurch mehr zu ertöten.
[10.11] Nun sehen wir auch, was unseren Mann also treibt, bis er ans grenzenlose Meer kommen wird, wo es dann heißen wird: Bis hierher und nicht weiter reicht all deine Blindheit, Dummheit und übergroße Narrheit!
[10.12] Lassen wir ihn daher nur fortwanken bis ans äußerste Erdzungenspitzel seiner Faseleien, von dem er nun nicht mehr fern ist. Alldort wollen wir ihn dann nach Muße behorchen, was alles für Narrheiten er in das Meer seiner Geisternacht hinausspeien wird!
[10.13] Ein jeder von euch aber erforsche seine geheimen dummen Weltneigungen genau, auf dass er über kurz oder etwas länger nicht auf den sehr traurigen Weg dieses unseres Wanderers kommen wird.
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