Das Große Evangelium Johannes in 10 Bänden
Band 7
Entfaltet eine vielschichtige Erzählung über das Wirken Jesu, eingebettet in gesellschaftliche, geistige und kosmische Themen. Hier eine kompakte Zusammenfassung:
Jesus begegnet Sklavenhändlern, befreit deren Opfer und führt sie zur inneren Umkehr – ein starkes Bild für Erlösung und geistige Befreiung.
Es folgen Gespräche über Handel, Wucher und Tempelmissbrauch, in denen Jesus die moralischen und geistigen Missstände seiner Zeit offenlegt.
Der Engel Raphael tritt mehrfach auf, wirkt Wunder und erklärt tiefgründige Zusammenhänge über Naturgeister, Urstoffe der Schöpfung und die sieben Urgeister Gottes.
Jesus legt die Zehn Gebote aus, wobei jedes Gebot in seinem geistigen Kern beleuchtet wird – mit besonderem Fokus auf Gedankenreinheit und Willensfreiheit.
Es erscheinen mystische Phänomene wie Lichtersäulen, die Jesus als Zeichen für geistige Zustände und zukünftige Entwicklungen deutet.
Themen wie Wiedergeburt, das Wesen der Engel, Träume, die Seele im Jenseits und sogar die Bewohner des Mondes werden in spiritueller Tiefe behandelt.
Inhalt lesen
- — Ein Sonnenaufgang und seine Entsprechung
[7.1.1] Alle kehrten nun ihre Augen nach dem Aufgange hin und bewunderten das gar herrliche Morgenrot. Es zeigten sich äußerst anmutige Nebelgruppen über dem Horizont, die immer heller und heller wurden, und jeder sagte, daß er schon lange keinen so herrlichen Morgen gesehen habe.
[7.1.2] Und Ich sagte nun zu den vielen Umstehenden: „Seht, solch ein Aufgang der Sonne hat eine große Ähnlichkeit mit dem geistigen Lebensmorgen des Menschen und mit dem Aufgange der geistigen Sonne der Himmel in seiner Seele!
[7.1.3] Wenn der Mensch das Wort Gottes hört, so fängt es in seiner Seele zu morgendämmern an. Wenn er den vernommenen Worten glaubt und traut, so wird es schon heller in ihm. Er fängt dann an, eine stets größere Freude an der Lehre zu bekommen, und wird tätig danach. Da werden diese Taten gleich jenen lieblichen Morgenwölkchen von der Liebe gerötet, und es wird dadurch schon heller und heller im Menschen. Aus solcher Freude des Menschen zum Guten und Wahren aus Gott gelangt der Mensch zur stets helleren Erkenntnis Gottes, und sein Herz erbrennt in voller Liebe zu Gott, und das gleicht ganz diesem nun schon strahlend hellen Morgenrot. Die Erkenntnisse über Gott und daraus auch über sich und seine große Bestimmung steigern sich derart, wie nun auch durch die schon große Helle des Morgenrotes alle die schönen Gegenden der Erde ringsherum wohl erkenntlich werden.
[7.1.4] Es wird aber immer noch heller und heller. Die der aufgehenden Sonne zunächst stehenden Wölkchen – gleich den Taten aus reiner Liebe zu Gott – werden hellstrahlendes Gold. Endlich erglüht es im Morgen, und seht, die Sonne selbst steigt in aller Lichtglorie und Majestät über den Horizont herauf, und wie der neue Tag also aus der Nacht durch die Lichtkraft der Sonne neu geboren wird, so auch der Mensch durch die Kraft des Wortes Gottes und aus dem dann durch die stets steigende Liebe zu Gott und zum Nächsten; denn darin besteht die geistige Wiedergeburt im Menschen, daß er Gott stets mehr und mehr erkennt und sonach auch stets mehr und mehr liebt.
[7.1.5] Hat er es dann in seinem Herzen zu einer wahren Glut gebracht, so wird es heller und heller in ihm, die Glut wird zur hellsten Lichtflamme, und Gottes Geist geht gleich der Morgensonne auf, und im Menschen ist es vollkommen Tag geworden. Aber es ist das kein Tag wie ein Tag dieser Erde, der mit dem Abend wieder sein Ende hat, sondern das ist dann ein ewiger Lebenstag und die volle Neu- oder Wiedergeburt des Geistes Gottes in der Menschenseele.
[7.1.6] Wahrlich sage Ich euch: Bei wem solch ein Tag in seiner Seele anbrechen wird, der wird keinen Tod mehr sehen, fühlen und schmecken in Ewigkeit, und bei dem Austritt aus seinem Leibe wird er einem Gefangenen im Kerker gleichen, der begnadigt worden ist, und dessen Kerkermeister mit freundlicher Miene kommt, die Kerkertür öffnet und zum Gefangenen spricht: ,Erhebe dich; denn dir ist Gnade geworden, und du bist frei! Hier ziehe an das Kleid der Ehre, verlasse diesen Kerker, und wandle hinfort frei vor dem Angesichte dessen, der dir solche Gnade erwies!‘
[7.1.7] Wie sich ein Gefangener sicher im höchsten Grade über solche Gnade freuen wird, so und noch mehr wird sich ein im Geiste wiedergeborener Mensch freuen, so Mein Engel zu ihm kommen und sagen wird: ,Unsterblicher Bruder, erhebe dich aus deinem Kerker, ziehe an das Lichtgewand der Ehre in Gott, und komme und wandle hinfort frei und selbständig in der Fülle des ewigen Lebens im Angesichte Gottes, dessen große Liebe dir solche große Gnade erweist; denn von nun an wirst du ewig keinen solchen schweren und sterblichen Leib mehr zu tragen haben!‘
[7.1.8] Meinet ihr wohl, daß eine Seele da eine Betrübnis fühlen wird, so Mein Engel also zu ihr kommen wird?“
[7.1.9] Sagte der Mir nahe stehende Römer: „Herr, wer wird da sogestaltig noch eine Betrübnis fühlen können? Das ist ganz sicher nur jenen Weltmenschen eigen, die in der Eigenliebe, Selbstsucht und in der größten Unkenntnis Gottes und ihrer Seele leben; denn diese wissen von einem Leben der Seele nach dem Tode des Leibes nichts, – und haben sie davon auch je etwas gehört, so glauben sie es nicht, wie mir gar viele solche nur zu bekannt sind. Ich bin bis jetzt nur ein Heide und bin es noch meinem Äußeren nach; aber an die Unsterblichkeit der Menschenseele habe ich schon von meiner Kindheit an geglaubt, und nach den gehabten Erscheinungen war für mich das Leben der Seele nach des Leibes Abfall etwas völlig unbezweifelt Gewisses. Wenn man aber das den andern Weltmenschen kundgibt, so lachen sie darüber, zucken mit den Achseln und halten am Ende alles für das Spiel einer lebhaften Phantasie und Einbildungskraft.
[7.1.10] Nun, für derlei Menschen, die dazu noch sehr gerne leben, mag der Tod des Leibes wohl etwas ganz Entsetzliches sein; doch uns – und besonders von nun an, wo wir von Dir aus als dem Herrn alles Lebens die höchste Zuversicht über die Seele und über ihr ewiges Fortleben nach des Leibes Tode haben – kann eben der Tod des Leibes kein Bangen mehr verursachen, besonders wenn ihm keine zu großen Leibesschmerzen vorangehen, durch die der Leib bis auf den Tod gemartert und gequält wird. Aber auch dann muß die Erscheinung des das Tor des harten Gefängnisses öffnenden Kerkermeisters sicher eine höchst willkommene sein! – Das ist so meine Meinung und auch mein fester Glaube; ein anderer aber kann da meinen und glauben, was er will!“
[7.1.11] Sagten alle: „Ja, also meinen und glauben auch wir; denn wen sollte das Leben in dieser Welt, die eigentlich die Hölle in ihrer vollsten Blüte und Reichhaltigkeit ist, noch freuen können?!“
[7.1.12] Sagte Ich: „Ja, also ist es! Darum sage Ich euch denn auch: Wer das Leben dieser Welt liebt, der wird das wahre Leben der Seele verlieren; wer es aber nicht liebt und in der Art, wie es ist, flieht, der wird es gewinnen, das heißt, das wahre, ewige Leben der Seele.
[7.1.13] Lasset euch nicht blenden von der Welt, und horchet nicht auf ihre Verlockungen; denn alle ihre Güter sind eitel und vergänglich! So ihr euch aber in dieser Welt schon Schätze sammelt, so sammelt euch vor allem solche, die kein Rost angreift und die Motten nicht verzehren! Das sind Schätze für den Geist zum ewigen Leben, zu deren vollstem Erwerb ihr alles aufbieten möget. Wem aber auch irdische Schätze verliehen sind, der verwende sie gleich dem Bruder Lazarus, und er wird dafür Schätze des Himmels ernten. Denn wer viel hat, der gebe viel, und wer wenig hat, der gebe wenig!
[7.1.14] Wer einem Durstigen in rechter Nächstenliebe aus seinem Brunnen auch nur einen Trunk frischen Wassers reicht, dem wird es jenseits vergolten werden; denn wer da seinem Nächsten Liebe erweist, der wird auch drüben Liebe finden. Es kommt hier wahrlich nicht darauf an, wieviel jemand gibt, sondern hauptsächlich darauf kommt es an, wie jemand seinem armen Nächsten etwas gibt. Ein aus wahrer Liebe freundlicher Geber gibt doppelt, und es wird ihm auch jenseits also vergolten werden.
[7.1.15] Wenn du viel hast, so kannst du, wie gesagt, auch viel geben. Hast du das mit Freuden und mit vieler Freundlichkeit gegeben, so hast du dem Armen doppelt gegeben. So du aber selbst nicht viel hast, hast aber deinem noch ärmeren Nächsten dennoch auch von deinem Wenigen mit Freude und Freundlichkeit einen Teil gegeben, so hast du zehnfach gegeben, und es wird dir jenseits auch also wiedergegeben werden. Denn was ihr den Armen also tut in Meinem Namen, das ist so gut, als hättet ihr solches Mir Selbst getan.
[7.1.16] Wollt ihr aber bei jeder Gabe und edlen Tat erfahren, ob und wie Ich Selbst daran ein Wohlgefallen habe, so sehet nur in das Antlitz dessen, dem ihr in Meinem Namen also, wie Ich’s nun erklärt habe, Gutes erwiesen habt, und es wird euch den wahren Grad Meines Wohlgefallens klar und deutlich anzeigen.
[7.1.17] Was die wahre Liebe tut, das allein ist vor Gott wohlgetan; was aber da irgend pur nach dem Maße des Verstandes getan wird, das hat wenig Wert für den Nehmer und noch weniger für den Geber. Ich sage es euch: Seliger ist es zu geben als zu nehmen.
[7.1.18] Nun aber gehen wir ein wenig fürbaß und sehen uns die Gegend gen Bethania an! Da werden wir große Zuzüge von allerlei Handelsleuten erschauen, da heute der große Markt beginnt und fünf Tage hindurch fortdauert.“
- — Die heranziehenden Handelsleute
[7.2.1] Darauf begaben wir uns auf die Stelle hin, von der man gar gut die Gegend von Bethania sehen konnte, aber auch eine Menge Wege und Straßen, die nach Jerusalem führten. An den Wegen und Straßen waren die Maut- und Zollhäuser erbaut, bei denen die Fremden den verlangten Zoll zu entrichten hatten. Die meisten Zöllner von dieser Seite mit mehreren ihrer Diener und Knechte waren seit gestern bei uns.
[7.2.2] Es fragte sie aber der Schriftgelehrte, ob sie nun nicht lieber da unten wären und viel Geldes einnähmen.
[7.2.3] Sagte ein Zöllner: „Mein Freund, diese Frage hättest du dir füglich ersparen können! Denn wäre uns an dieser höchst materiellen Gewinneinnahme mehr gelegen als an der höchst geistigen, so wäre sicher schon ein jeder von uns auf seinem Platze; denn wie wir gekommen sind, so hätten wir auch schon lange wieder gehen können, und niemand hätte uns etwas in den Weg legen können. Aber da uns dieser große Lebensgewinn hier lieber ist als der materielle bei unseren Zollhäusern da unten, so bleiben wir hier und kümmern uns um die vorüberziehenden Handelskarawanen gar nicht. Was aber die kleine Wegmaut anbelangt, nun, so haben wir daheim schon noch Leute, die das besorgen werden.
[7.2.4] Es wird aber ja nun in eurem Tempel die Krämerei auch bald angehen. Würde es dir gefallen, so ich zu dir sagete: ,Freund, sieh da hinab; es wird schon sehr lebendig vor des Tempels Hallen! Kümmern dich die dort zu erwartenden großen Gewinne nicht? Es wird da des blanksten Goldes und Silbers und der Edelsteine und Perlen in großer Menge geben, und euch muß von allem der Zehent gegeben werden. Wird man euch davon etwas geben, so ihr nicht gegenwärtig seid?‘
[7.2.5] Wir Zöllner und Sünder vor euch aber wissen nun von euch, daß ihr eurem Tempel für immer den Rücken zugewendet habt, und so wäre solch eine Frage, von uns an euch gestellt, nun sicher so unklug wie möglich. Wir aber haben nun ohnehin den vollwahren Entschluß gefaßt, daß wir aus Liebe zum Herrn jedermann das Zehnfache zurückvergüten werden, so wir mit unserem Wissen ihn je irgendwann übervorteilt haben, und so mögen darum heute alle die vielen Handelsleute wenigstens an unseren Zoll- und Mauthäusern ganz frei vorüberziehen, und wir alle werden darum noch lange nicht verhungern. Darum lassen wir sie nun nur ganz ruhig vorüberziehen!“
[7.2.6] Auf diese ganz energische Antwort des Zöllners sagte der Schriftgelehrte gar nichts mehr und bewunderte im stillen die Großmut des Zöllners und seiner Gefährten.
[7.2.7] Lazarus aber sagte: „Alle diese Fremden werden gegen Abend ganz sicher da herauf kommen, und ich werde noch Sorge treffen müssen, daß erstens der Keller noch besser bestellt wird und ebenso auch die Küche und die Speisekammer. Dazu werde ich auch noch mehr Tische und Bänke im Freien herrichten lassen müssen, – sonst wird es mir knapp gehen!“
[7.2.8] Sagte Ich zu Lazarus: „Laß das alles; denn solange Ich hier bin, da bist du schon mit allem am besten und reichlichsten versorgt! Und kämen ihrer noch so viele, so sollen sie dennoch alle bestens versorgt werden. – Sehen wir nun nur ganz ruhig dem tollen Welttreiben da unten zu! Wie viele stark beladene Kamele, Pferde, Esel und Ochsen traben auf den Wegen und Straßen einher und tragen große Schätze und Güter ihrer Herren, und sie werden alles verkaufen!
[7.2.9] Aber dort auf der breiten Straße, die aus Galiläa nach Jerusalem führt, sehen wir mit Ochsen bespannte Wagen und Karren; die führen Sklaven aus den Gegenden am Pontus hierher zum Verkaufe. Es sind Jünglinge und Mädchen im Alter von 14-18 Jahren von schönstem körperlichen Wuchs. Ihre Zahl beträgt hundertzwanzig männliche und hundertsiebzig weibliche Personen. Nun, diesen Verkauf wollen wir verhindern und dann für dieser Armen Bildung und Freiheit sorgen! Derlei Menschenmärkte dürfen innerhalb der Stadtmauer nicht statthaben; dieser Berg aber befindet sich schon außerhalb der Stadtmauer und ist dennoch sehr nahe bei der Stadt, und so werdet ihr bald sehen, wie diese Wagen- und Karrenbesitzer gerade am Fuße dieses Berges ihre Verkaufshütten aufrichten werden und darauf bald ihre Anbieter und Ausrufer allenthalben überallhin auszusenden suchen werden! Allein da werden wir ihnen zuvorkommen und ihnen solche ihre Ware ganz abnehmen und dann aber auch den schnöden Verkäufern ein Wörtlein sagen, das ihnen solch einen Handel auf lange hin verleiden soll!“
[7.2.10] Sagte hier Agrikola: „Herr, wie wäre es denn, so ich diesen Menschenverkäufern alle die männlichen und weiblichen Sklaven abkaufte, und das um den verlangten Betrag, sie dann mitnähme nach Rom, sie dort ordentlich erziehen ließe und ihnen dann die volle Freiheit und das Bürgerrecht Roms schenkte?“
[7.2.11] Sagte Ich: „Deine Idee und dein Wille sind gut; aber Meine Idee und Mein Wille werden da noch besser sein! Wozu da Geld hingeben für etwas, das man ganz Rechtens auch ohne Geld haben und in Besitz nehmen kann?! Bist du damit nicht einverstanden? Solchen Menschen noch einen Gewinn geben, hieße sie in ihrem Bösen noch bestärken; wenn sie aber mehrere solche Erfahrungen machen werden, so werden sie sich dann schon hüten, zu solch unmenschlichen Erwerbsarten ihre fernere Zuflucht zu nehmen.“
[7.2.12] Sagte hier Agrikola: „Herr, es ist hierbei nur noch auf eins zu sehen! Mir kommt es vor, daß da in dieser Beziehung von Rom aus für alle Länder ein eigenes Gesetz in bezug auf den Menschenhandel besteht, laut dessen ohne Bewilligung eines römischen Oberstatthalters kein Sklave aus irgendeinem fremden, nicht römischen Reiche in Roms Länder eingeführt werden darf; die Bewilligung kostet aber ganz entsetzlich viel. Nun, da geschieht es aber sehr häufig, daß derlei Sklavenhändler ihre Sklaven auf geheimen Wegen und oft auch mit falschen Bewilligungsdokumenten in ihren Händen in unsere Länder hereinschmuggeln. Wenn das bei diesen nun ankommenden Sklavenhändlern der Fall sein dürfte, dann wäre es ein leichtes, ihnen ihre Ware abzunehmen; doch im Falle, daß sie im Besitze einer oberwähnten teuren Befugnis wären, da wäre auf dem natürlichen Wege nicht viel anderes zu machen, als den Händlern ihr verlangtes Geld zu geben und sie dann ungehindert weiterziehen zu lassen, weil sie in diesem Falle unter dem Schutze des Gesetzes stehen.“
[7.2.13] Sagte Ich: „Da hast du ganz richtig geurteilt; aber weißt du, Ich bin Der, der der Ewigkeit und der Unendlichkeit Gesetze vorschreibt, und so wirst du daraus schon begreifen, daß Ich Mich nun da, wo das Gegenteil not tut, nicht an die Gesetze Roms binden werde, obwohl Ich ihnen sonst als Mensch völlig untertan bin.
[7.2.14] Diese Menschen, die nun die bezeichneten Sklaven hierher auf den Markt bringen, sind zwar sehr gewinnsüchtig, aber dabei im höchsten Grade abergläubisch. Dieser ihr stockblinder Aberglaube ist ihr größter Feind; und da weiß Ich schon zum voraus, was da zu geschehen hat, um diese Menschen derart zu strafen, daß sie nicht nur ihre Ware, sondern noch mehreres allerwilligst hinzu hergeben werden, um nur mit heiler Haut davonzukommen. Wenn sie bald dasein werden, so werdet ihr alle dann schon sehen und wohl erfahren, was Gottes Weisheit und Macht alles zu bewirken gar wohl imstande ist.
[7.2.15] Jetzt aber gehen wir wieder ins Haus und stärken unsere Glieder mit einem guten Morgenmahle; denn die Tische sind bereits alle wohl bestellt. Währenddessen werden unsere Sklavenhändler auch vollends an Ort und Stelle sein, und wir wollen ihnen dann einen Besuch abstatten!“
[7.2.16] Sagte zu Mir der Schriftgelehrte: „Herr, den Tempel wirst Du heute etwa doch nicht besuchen? Denn heute geht es wahrlich zu arg darin zu!“
[7.2.17] Sagte Ich: „Was kümmert Mich nun diese Mördergrube da unten in der Hölle! Dort und da ist der rechte Tempel Jehovas, wo im Menschen ein Herz ist, das Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst liebt! – Gehen wir nun zum Morgenmahle!“
[7.2.18] Darauf begaben wir uns alle ins Haus, setzten uns an die Tische, auf denen schon alles in der vollen Bereitschaft war, was jedem nach seiner Art am besten mundete, und am besten Weine hatte es auch keinen Mangel. Die Römer bewunderten nun erst am vollen Tage die herrlichen Trinkgefäße aus dem reinsten Golde, wie auch ihre silbernen Speiseschüsseln. Auch die sieben Pharisäer gingen nun näher hin und konnten sich nicht genug verwundern über die Reinheit und vollste Güte der Trinkgefäße und Eßgeschirre. Lazarus aber ermahnte sie zum Essen, weil sonst die Fische kalt würden, und so griffen denn die sieben auch sogleich zu und aßen und tranken mit vielem Rühmen über die Güte der Speisen und des Weines. Auch die etlichen siebzig Armen mit dem Weibe in ihrer Mitte erschöpften sich im Lobe über die Speisen und über den Wein, und ebenso auch die Zöllner und ihre Gefährten.
[7.2.19] Ein Römer sagte: „Nun bin ich volle sechzig Jahre alt, und noch nie sind so gute Speisen und ein solch wahrer Götterwein in meinen Mund gekommen!“
[7.2.20] Und so gab es hier des Lobens und Dankens nahezu kein Ende.
- — Die abergläubischen Sklavenhändler
[7.3.1] Als wir da noch saßen, aßen und tranken, da kam aus dem reinen und völlig wolkenlosen Himmel ein mächtiger Blitz, dem ein alles erdröhnen machender Donner folgte. Alle entsetzten sich und fragten Mich, was denn nun das zu bedeuten habe.
[7.3.2] Sagte Ich: „Das werdet ihr bald sehen! Diese Erscheinung hat schon den Anfang für unsere Sklavenhändler gemacht; denn während wir hier aßen und tranken, kamen sie unten am Berge an, und alle ihre Wagen und Karren stehen schon unten. Sie hätten sogleich ihre Ware abgesetzt, wenn nicht dieser Blitz sie davor gewarnt hätte.
[7.3.3] Es haben die Völker am nördlichsten Pontus auch eine Art Gotteslehre, die aber natürlich im höchsten Grade mangelhaft ist; und selbst diese liegt ganz in den Händen gewisser Wahrsager, die vom anderen Volke ganz abgesondert für sich leben, ihre eigenen Gründe und sehr zahlreiche Herden haben und zumeist auf den Bergen in schwer zugänglichen Hochtälern wohnen. Diese Wahrsager stammen zumeist von den Indiern ab und sind darum in steter Kenntnis von allerlei Magie und Zauberei, gehen jedoch nie oder nur höchst selten zu den in den großen Tiefebenen wohnenden größeren Völkern; aber diese wissen weit und breit von ihnen und gehen bei für sie wichtigen Angelegenheiten zu den erwähnten Wahrsagern und lassen sich von ihnen weissagen, natürlich gegen nicht geringe Opfer. Bei solchen Gelegenheiten sagen dann und wann diese Weisen der Berge den Fragern auch von höheren und mächtigen unsichtbaren Wesen, von denen sie und alle Elemente beherrscht werden, und daß eben sie als die Weisen der Berge ihre nächsten Diener und Beherrscher der unteren Naturmächte sind. Dieses setzt natürlich die blinden Wallfahrer stets in größtes Erstaunen, besonders, so daneben ein solcher Wahrsager den Fragern noch irgendein Zauberwunder zum besten gibt.
[7.3.4] Unsere Sklavenhändler sind mit ihrer Ware eben von dorther, und das nun schon zum siebenten Male, obwohl in Jerusalem erst zum ersten Male, da sie sonst solche ihre Ware entweder in Lydien, Kappadokien, auch schon in Tyrus und Sidon, oder auch in Damaskus verkauft haben. Diesmal haben sie sich einmal nach Jerusalem gewagt und würden auch diesmal nicht hierher gekommen sein, wenn sie nicht Mein Wille gezogen hätte.
[7.3.5] Bevor sie aber daheim mit ihrer Ware abfuhren, befragten sie auch einen Wahrsager, ob sie mit ihrem Handel glücklich sein würden. Und er sagte mit tiefernster Miene: ,Wenn ihr keinen Blitz sehen und keinen Donner hören werdet, so werdet ihr eure Ware wohl an den Mann bringen.‘ Das war alles, was ihnen der Wahrsager sagte. Die Sklavenhändler hielten das für eine gute Prophezeiung, da sie meinten, daß in dieser späten Jahreszeit kein Donnerwetter mehr kommen werde. Doch dieser gewaltige Blitz mit dem heftigsten Donner hat sie nun eines andern belehrt, und sie stehen nun ratlos unten am Berge. Doch bevor wir hinabgehen, werden noch ein paar solcher Blitze folgen, durch die unsere Sklavenhändler noch mehr eingeschüchtert werden, und wir werden dann mit ihnen leicht reden!“
[7.3.6] Sagte hier einer Meiner alten Jünger: „Wer weiß, was sie für eine Zunge reden?“
[7.3.7] Sagte Ich: „Das geht dich vorderhand gar nichts an; Mir ist keine Zunge in der ganzen Welt fremd! Doch diese Menschen reden zum größten Teil Indiens Zunge, die da der urhebräischen gleichkommt.“
[7.3.8] Da sagte der Jünger nichts mehr, und es kam auch der zweite Blitz mit dem heftigsten Donner, bald darauf der dritte; doch alle schlugen in die Erde und richteten keinen Schaden an.
[7.3.9] Nach dem dritten Blitz aber kam schnell ein gar wunderschöner Jüngling ins Zimmer, verneigte sich tief vor Mir und sagte mit lieblicher und doch männlich- fester Stimme: „Herr, hier bin ich nach Deinem Rufe, um zu vollziehen Deinen heiligen Willen!“
[7.3.10] Sagte Ich: „Du kommst von Cyrenius und von der Jarah?“
[7.3.11] Sagte der Jüngling: „Ja, Herr, nach Deinem heiligen Willen!“
[7.3.12] Hier erkannten die alten Jünger den Raphael, gingen hin und grüßten ihn.
[7.3.13] Der Jüngling aber sagte zu ihnen: „O ihr Glücklichen, die ihr stets um den Herrn in Seiner allerhöchsten Wesenheit sein könnet! – Aber bevor wir an ein großes und wichtiges Werk schreiten, gebt auch mir etwas zu essen und zu trinken!“
[7.3.14] Da wetteiferten alle, dem Jünglinge zu essen und zu trinken zu geben. Die Römer luden ihn zu sich, und auch alle andern boten alles auf, um dem Jüngling zu dienen; denn alle konnten die Anmut des Jünglings nicht genug bewundern. Sie hielten ihn für einen überschönen Sohn einer irdischen Mutter, der auf irgendein ihm bekanntgemachtes Verlangen Mir nachgereist sei. Nur die alten Jünger wußten, wer der Jüngling war. Er aß und trank wie ein Heißhungriger, und es nahm alle wunder, wie der Junge gar soviel in seinen Magen bringen konnte.
[7.3.15] Raphael aber lächelte und sagte: „Meine Freunde! Wer viel arbeitet, der muß auch viel essen und trinken! Ist es nicht also?“
[7.3.16] Sagte Agrikola: „Oh, allerdings, du wahrhaft himmlisch schönster Junge! Aber sage mir doch, wer dein Vater und wer deine Mutter ist, und aus welchem Lande du abstammst!“
[7.3.17] Sagte Raphael: „Laß dir nur Zeit! Ich verbleibe nun einige Tage hier und in dieser Zeit wirst du mich schon noch näher kennenlernen. Jetzt haben wir eine große Arbeit vor uns, und da, lieber Freund, heißt es sich sehr zusammennehmen!“
[7.3.18] Sagte Agrikola: „Aber, du mein allerliebster und schönster junger Freund, was wirst du wohl arbeiten mit deinen durch und durch jungfräulich zarten Händen? Du hast noch nie eine schwere Arbeit verrichtet, und du willst dich nun bald an eine große und schwere Arbeit machen?“
[7.3.19] Sagte Raphael: „Ich habe nur darum noch nie eine schwere Arbeit verrichtet, weil mir eine jede dir noch so schwer vorkommende Arbeit etwas ganz Leichtes ist. Die Folge wird dich schon eines Bessern belehren!“
[7.3.20] Sagte darauf Ich: „Nun ist die Zeit da, diese Gefangenen da unten zu erlösen und frei zu machen; und so gehen wir! Wer aber hierbleiben will, der bleibe hier!“
[7.3.21] Es baten Mich aber alle, daß sie mitgehen dürften, und Ich ließ es ihnen zu. Und so gingen wir schnell den Berg hinab und waren bald bei unseren Sklavenhändlern, um die schon eine Menge Volkes versammelt war, um die armen Sklaven und ihre Verkäufer anzugaffen.
[7.3.22] Ich aber winkte dem Raphael, daß er das müßige Volk hinwegschaffen solle, und er stob das Volk wie Spreu auseinander. Jeder lief, was er nur laufen konnte, um von mehreren Löwen der grimmigsten Art, die sie unter sich bemerkten, nicht zerrissen zu werden.
- — Die Bekehrung des Sklavenhändlers
[7.4.1] Als das Volk sich also bald gänzlich verlaufen hatte, da erst trat Ich mit Raphael, Agrikola und Lazarus zu dem Haupthändler hin und sagte zu ihm in seiner Zunge: „Wer gab euch zuerst das Recht, Menschen und eure Kinder als eine Ware auf den Märkten der Welt zu verkaufen und sie dadurch zu Sklaven eines tyrannischen, geilen Käufers zu machen?“
[7.4.2] Sagte der Oberhändler: „Willst du sie mir abkaufen, dann zeige ich dir, daß ich dazu das Recht habe; kaufst du sie aber nicht, so sage ich dir, so du’s haben willst, erst vor dem Pfleger des Landes, daß ich mein Recht dazu habe. Bin ich dereinst doch selbst als ein Sklave verkauft worden; aber mein Herr, dem ich treust diente, schenkte mir darauf die Freiheit und vieles Geld. Ich zog wieder in mein Heimatland und handle nun selbst mit derselben Ware, als welche ich selbst vor zwanzig Jahren einem andern dienen mußte. Ich wurde als ein Sklave glücklich; warum diese da nicht?! Dazu ist das in unseren Ländern eine schon gar alte Sitte, und unsere Weisen haben uns darob noch nie zur Rede gestellt. Gegen unsere Landesgesetze sündigen wir dadurch nicht, und für die eures Landes zahlen wir ein Lösegeld; und so haben wir uns vor niemandem unseres guten Rechtes wegen zu verantworten!“
[7.4.3] Sagte Ich: „Du warst aber doch vor dreißig Tagen im Gebirge und opfertest dreißig Schafe, zehn Ochsen, zehn Kühe und zehn Kälber, und dein Wahrsager sagte zu dir: ,Wenn du auf deiner Reise keinen Blitz sehen und keinen Donner hören wirst, so wirst du glücklich sein!‘ Du aber legtest dir die Sache gut aus, indem du meintest, daß es in so später Jahreszeit kein Ungewitter mit Blitz und Donner mehr gäbe, und begabst dich mit deinen Mithändlern auf die weite Reise. Aber nun hat es denn doch gedonnert und zum voraus geblitzt! Was wirst du nun machen?“
[7.4.4] Hier sah mich der Haupthändler groß an und sagte: „Wenn du nur ein Mensch bist, gleichwie ich einer bin, so kannst du das nicht wissen! Denn erstens bist du noch nie in unserem Lande gewesen, und zweitens weiß auf der ganzen Welt kein Mensch um den Ort, wo der erste und berühmteste Wahrsager wohnt. Verraten haben kann es dir auch kein Mensch denn wir verraten uns um alle Schätze der Welt nicht. Wie also kannst du mein tiefstes Geheimnis wissen? Freund, sage mir nur das, und alle diese Sklaven gehören dir!“
[7.4.5] Sagte Ich: „Hat euch nicht euer Wahrsager einmal gesagt, daß es noch einen größeren Gott gebe, von dem er bloß aus alten, geheimen Schriften gehört habe? Doch das sei für Sterbliche zu groß und unbegreiflich, und sie sollten sich darum nicht weiter um diese Sache bekümmern! – Hat nicht also geredet euer Wahrsager?“
[7.4.6] Nun ward der Haupthändler ganz außer sich und sagte: „Ich habe es gesagt und sage es noch einmal: Du bist kein Mensch, sondern – Du bist ein Gott! Und was soll ich, ein schwacher Wurm der Erde, mich gegen Dich setzen, der Du mich mit einem Hauche vernichten kannst?! Es ist wahr, ich mache irdisch ein schlechtes Geschäft! Aber hätte ich noch tausendmal so viele Sklaven, als ich hier habe, und das wahrlich um teures und großes Geld, so wären sie alle Dein eigen! Denn weißt Du, großer und unbegreiflich erhabener Freund, wir in unserem Lande wissen es zum größten Teile, wo uns das harte Bärenleder am Fuße drückt; aber helfen können wir uns nicht! Hilf Du uns, Freund, – und nicht nur diese, sondern tausendmal so viele, und so viele Du noch darüber haben willst, gehören Dir; denn Du bist kein Mensch, sondern Du bist ein völlig wahrster Gott!“
[7.4.7] Sagte Ich zu den Umstehenden: „Nehmt euch alle ein Exempel daran! Das sind Sklavenhändler von sehr finsterer Art, und wie bald haben sie Mich erkannt! Und da oben stehet der Tempel, den David und Salomo mit großen Unkosten Mir erbauen ließen, – aber welch ein ungeheurer Unterschied zwischen diesen Sklavenhändlern, die nur der Menschen Leiber verkaufen, und diesen Seelenverkäufern an die Hölle!“
[7.4.8] Seht, diese Sklavenhändler sind Eliasse gegen diese elenden Seelenmeuchelmörder da oben! Darum wird es dereinst auch Sodom und Gomorra vor Mir besser ergehen als dieser elenden Höllenbrut da oben. Denn wäre in Sodom und Gomorra das geschehen, was hier geschieht, so hätten sie in Sack und Asche Buße getan und wären Selige geworden. Allein, hier bin Ich Selbst da, und sie trachten Mir nach dem Menschenleben!
[7.4.9] Seht, hier an Meiner Seite steht Mein Lieblingsengel Raphael, und Ich sage es euch: Es besteht mehr Ähnlichkeit zwischen ihm und diesen Sklavenhändlern denn zwischen ihm und diesen Gottesdienern da oben! Ich sage es euch: Dieser Sklavenhändler ist schon ein Engel; aber die da oben sind Teufel!“
[7.4.10] Hier wandte Ich Mich wieder an den Sklavenhändler und sagte zu ihm: „Freund, wieviel verlangst du für alle diese deine Sklaven? Rede!“
[7.4.11] Sagte der Haupthändler: „Mein Gott, was soll ich, ein schwacher, sterblicher Mensch, von Dir wohl verlangen? Alle diese und noch tausendmal so viele gebe ich Dir, wenn Du mich nur der Gnade für wert hältst, mir zu sagen, wo es uns so ganz eigentlich fehlt und gebricht!“
[7.4.12] Sagte Ich: „So gib sie alle frei, und Ich werde euch darob die ewige Freiheit eurer Seelen und das ewige Leben geben!“
[7.4.13] Sagte hierauf der Haupthändler: „Der Handel ist gemacht und geschlossen; denn mit Göttern ist leicht handeln. Gebt alle Sklaven frei; denn wir haben nun den besten Handel gemacht! Daß unsere Sklaven nicht schlecht daran sein werden, davon bin ich zum voraus überzeugt. Wir selbst aber haben den größten Gewinn gemacht; denn wir haben uns dadurch von Gott das ewige Leben erkauft. – Seid ihr, meine Gefährten, alle einverstanden?“
[7.4.14] Sagten alle: „Ja, Hibram, wir haben noch nie einen größeren Gewinn gemacht! Aber unser Wahrsager hat sich diesmal sehr geirrt; denn gerade der Blitz und der Donner haben uns zum größten Glücke verholfen! – Machet sie frei, die Gebundenen, und sie seien ein unentgeltliches Eigentum dieses reinen Gottes! Wir aber wollen uns sogleich auf den Rückweg machen!“
[7.4.15] Sagte Ich: „O nein, die Gebundenen nehme Ich wohl an, – aber ihr selbst werdet euch noch drei Tage hier aufhalten, jedoch ohne eure Kosten; denn für euch werde Ich der Zahler sein zeitlich und ewig!“
- — Die Befreiung der Sklaven
[7.5.1] Hier gab Ich dem Raphael wieder einen Wink zur Befreiung der Gefangenen, und sie wurden in einem Augenblick frei und ganz vollkommen bekleidet, während sie früher nackt waren. Es machte aber diese plötzliche Befreiung der jungen Sklaven aus leicht begreiflichen Gründen eine übergroße Sensation, und der Haupthändler, seinen Augen nicht trauend, ging hin und befühlte die nun ganz gut bekleideten Sklaven und sah, daß ihre Kleidung aus ganz echten Kleiderstoffen verfertigt war, und daß diese Sklaven wirklich die seinen waren.
[7.5.2] Da hob er die Hände auf und sagte (der Sklavenhändler): „Jetzt erst erkenne ich klar, daß ihr nun wahrhaft in den Händen der Götter seid! Bittet aber auch ihr sie, daß sie euch gnädig sein möchten! Wenn ihr aber im wahren Glücke sein werdet, dann gedenket eurer Alten daheim, die in hartem Lande hausen und mit schwerer Mühe und Arbeit sich die dürftige und magere Leibeskost verschaffen müssen und in dürftigen und sehr elenden Hütten aus Lehm und Stroh wohnen! Sammelt euch allerlei Kenntnisse, und kommet dann wieder zu uns, auf daß es durch euch dann auch einmal bei uns licht und gut werde; denn von nun an sollen keine Menschen mehr aus unseren Ländern ausgeführt und verkauft werden!“
[7.5.3] Hierauf wandte sich Hibram zu Raphael, dessen Schönheit und Zartheit er nicht genug bewundern konnte, und sagte: „O du unbegreiflich selten schönster Junge! Bist denn auch du ein Gott, daß dir so eine wundersame Tat möglich war? Wie vermochtest du die Binden, mit denen diese Sklaven gebunden waren, so schnell zu lösen, und woher nahmst du die vielen und sehr kostbaren Kleider für die Jünglinge und für die Mägde?“
[7.5.4] Sagte Raphael: „Ich bin kein Gott, sondern nur durch die Gnade Gottes Sein Diener! Ich vermag aus mir selbst ebensowenig wie du; aber wenn der allmächtige Wille Gottes mich durchdringt, dann vermag ich alles, und es ist mir dann nichts unmöglich. – Was wirst du aber mit den zweihundert noch daheim gelassenen Sklaven machen, die für den Handel noch nicht hinreichend gemästet sind?“
[7.5.5] Sagte Hibram: „Auch darum weißt du, allmächtiger Junge?! Was anders soll ich nun tun, als sie zu nützlichen und guten Menschen erziehen und sie fürderhin als meine wahren Kinder betrachten! Dich aber werde ich bitten, daß du mir auch für sie Kleider verschaffen wollest, die ich dann für sie mitnehmen werde.“
[7.5.6] Sagte Raphael: „Das ist nun noch nicht nötig; wenn du aber nach etlichen Tagen von hier abziehen und redlichen Sinnes verbleiben wirst, so wirst du samt deinen Gefährten daheim schon alles antreffen, dessen du und deine Gefährten bedürfen werden.“
[7.5.7] Damit war Hibram ganz zufrieden und desgleichen seine Gefährten, und alle dankten ihm und noch mehr Mir, dem Herrn; denn das erkannten nun alle diese Händler, daß Ich allein der Herr sei. Darauf aber gedachten sie der ziemlich vielen Wagen und Karren – die freilich mit den Wagen dieser Zeit nicht zu vergleichen waren – und der schon sehr ermüdeten Zugtiere.
[7.5.8] Und Hibram sagte zu Raphael: „Mein allmächtiger Wunderjunge! Wo werden wir wohl unsere Wagen, Karren und die Zugtiere unterbringen und woher ein Futter nehmen?“
[7.5.9] Sagte Raphael: „Da, innerhalb dieser Mauer, die diesen Berg umschließt, der im Besitze jenes Mannes ist, der nun mit dem Herrn spricht, sind Hütten und Stallungen in Menge, ebenso das Futter für eure Zugtiere im Vorrat vorhanden, und da könnet ihr all das Eure wohl unterbringen.“
[7.5.10] Damit war der Händler Hibram ganz zufrieden, und seine Knechte versorgten nun Wagen, Karren und Tiere.
[7.5.11] Sagte Ich: „Da nun auch dieses Werk wohl beendet ist, so wollen wir alle uns denn wieder auf den Berg begeben, und die befreiten Sklaven sollen zuerst mit Speise und Trank gestärkt werden. Und wenn du, Hibram, alles in der Ordnung haben wirst, dann komme auch du mit deinen Gefährten und Knechten und nehmet als Meine Gäste auch Speise und Trank!“
[7.5.12] Damit waren alle im höchsten Grade zufrieden, und die befreiten Sklaven wußten sich vor Freude nicht zu helfen. Alle wollten nun zu Mir hingehen und Mir danken. Da sie aber ihrer großen Anzahl wegen nicht auf einmal Platz haben konnten, so stellten sie sich in schönster Ordnung in einem Kreise um Mich herum und baten Mich in ihrer Zunge, daß ich sie ansehen und anhören möge. Da sah Ich sie alle freundlich an und bedeutete ihnen, daß sie nun reden möchten.
[7.5.13] Darauf sagten sie mit vieler Rührung (die Sklaven): „O du guter Vater! Wir danken dir, daß du uns gerettet und unsere harten Binden gelöst hast. Wir haben nichts, um es dir je zu vergelten; aber wir wollen dir in der Folge dienen, als wären wir deine Füße, Hände, Augen, Ohren, Nase und Mund. Oh, laß dich auch von uns lieben, guter Vater! Bleibe uns fortan ein Vater in deiner Güte und Liebe, und verlasse uns nimmerdar!“
[7.5.14] Darauf ging Ich im Kreise zu jedem einzelnen, umarmte ihn und drückte ihn an Meine Brust und sprach dabei die Worte: „Der Friede mit dir, Mein Sohn, Meine Tochter!“
[7.5.15] Da weinten alle die zarten, blondlockigen Jünglinge und die noch zarteren und gar sehr lieblichen Jungfrauen und benetzten mit ihren Freudentränen Meine Hände und Füße.