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60. Über die Wissbegierde

Am 6. April 1842

[2.60.1] Und da der Sehel solches vernommen hatte vom Abedam, was die Zeichen betrifft, ward er froh, darum auch er sie gar bald näher wird kennenlernen. Aber was da den durch die arge Zeit zu enthüllenden Krieg betrifft, das ging ihm durchaus nicht ein, darum er es nicht begreifen konnte, warum er denn eigentlich mit der Enthüllung der Zeichen nicht auch die des Gesichtes vom bezeichneten Krieg haben solle.

[2.60.2] Dieser Forschgedanke beschäftigte ihn so sehr, dass er darüber sich ganz vergaß und verblüffte, so zwar, dass er sogar des gebührenden Dankes vergaß.

[2.60.3] Der hohe Abedam aber fragte ihn nach einigen solchen stummen Augenblicken: „Sehel, was alles für unnützes Zeug lässt du durch dein Herz ziehen? Wozu soll es dir denn dienen?

[2.60.4] Wirst du dann lebendiger werden, so da deine unersättliche Wissbegierde würde befriedigt werden?

[2.60.5] So du dich aber schon also kümmerst um das wenige von dem, was da kommen möchte über die Erde, nachdem du etwas gesehen hast, – was würdest du denn aber erst hernach tun, so du Kenans Gesichte gehabt hättest und hättest geschaut in dir die zehn Säulen!

[2.60.6] Ich sage dir aber: Gehe hin zum Kenan, und lasse dir die zehn Säulen erzählen von ihm, gebe aber besonders bei der letzten wohl Acht! Solches wird dir viel Licht geben; aber das Licht wird dich traurig machen. Denn da wird sich der Vater, der dir jetzt solches sagt, umgestalten zu einem unerbittlichen Richter, und dein Auge wird da vergeblich umherschweifen in der großen Finsternis; aber Mein Antlitz wirst du gar sehr vergeblich suchen.

[2.60.7] Denn dahin du auch immerdar deine Augen und Ohren kehren wirst, so wirst du aber dennoch nichts finden denn allein Meinen großen Zorn.

[2.60.8] So du also solches näher erfahren willst, da gehe nur alsbald hin zum Kenan, und lasse dir von ihm kundgeben, was er gesehen; jedoch, verstehe es wohl, so du es willst! Amen.“

[2.60.9] Nach diesen Mahnworten fiel der Sehel alsbald nieder vor dem Abedam und fing an zu schreien, zu weinen und zu flehen, dass Ich ihn ja doch nur für allzeit verschonen möchte mit solchen Enthüllungen; denn er möchte lieber für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten gänzlich zunichtewerden, als nur einen Augenblick lang Mich, den allerheiligsten, liebevollsten Vater missen.

[2.60.10] Und Ich als der Abedam sagte darauf zu ihm: „Nun siehe, Mein lieber Sehel, also ist es ja gut! Da Ich dir lieber bin denn die arge Enthüllung, so bleibe auch bei Mir; und wahrlich, sage Ich dir, du sollst nicht vonnöten haben, je Mich, deinen und euer aller liebevollsten, heiligen Vater zu suchen oder Mich je zu missen!

[2.60.11] Was aber deine Wissbegierde betrifft, so will Ich sie nicht für unbillig und ungerecht ansehen; denn durch sie kündigt sich bei jedem Menschen zuerst ein höheres geistiges Leben an.

[2.60.12] Wer da ist ohne Wissbegierde, der gleicht noch einem Baumklotz, darinnen gar kein anderes Leben mehr ist denn allein ein Moderleben, das da verzehrt und endlich alles vernichtet, was es umgibt, gleich einem ungestalteten Vielmaule (Polyp), der sich an irgendeinem schlammigen Grund des Meeres befindet und allda alles um sich her verzehrt mit seinen vielen ungestalteten Armen, von denen jeder hat ein eigenes Maul, bis es sich zu Tode gefressen hat und sonach selbst wieder zum Schlamm wird, der da höchstens einem solchen ähnlichen neuen Viel- und Allfraß zur schnöden Unterlage dient.

[2.60.13] Ja, Ich sage nun euch allen, ein Mensch ohne höhere Wissbegierde ist im eigentlichsten Sinne noch gar kein Mensch, sondern nur ein Tier in menschlicher Form, das da keinen anderen Sinn hat denn alleinig den Fresssinn, und, wenn es sich vollgefressen hat und es übrigens gesund ist, entweder den Schlaf- oder Begattungssinn, und dass alle die natürlichen Verrichtungen gut vonstatten gehen möchten, dass es gut und weich liege, und im Schlaf träume, entweder vom Fressen oder vom Begatten.

[2.60.14] Ja, bei einem solchen Menschen ist nicht gut sein; denn in ihm lebt nur noch eine ganz tierische Seele, die sich ihrer Vorstände [Vor-Seinszustände] nicht entschlagen mag, darum es ihr beim Fressen allzeit besser ergangen ist denn bei einer Arbeit zur einstigen Erweckung des unsterblichen Geistes in ihr.

[2.60.15] Seht, ein solcher Mensch ist ein reiner Weltmensch, dem nichts heilig ist denn allein sein Bauch!

[2.60.16] Obschon aber dieses alles zugunsten der Wissbegierde spricht, so habe Ich aber in einer anderen Beziehung dennoch etwas ganz Gewaltiges wider sie, und das zwar aus dem allerbesten Grunde von der Welt und von allen Sternen, Sonnen, Monden und allen den endlosen Himmeln.

[2.60.17] Solcher aber ist dieser beste Grund: Siehe, so jemand da wissbegierig ist, bei dem hat sich der Geist schon also erweckt, wie sich da erweckt ein noch die Brüste der Mutter saugendes Kind! Was aber will das wach gewordene Kind? Was bedeutet des Weinen und Schreien?

[2.60.18] Siehe, es will Nahrung, es will gesättigt sein!

[2.60.19] Das auch will der vom langen Schlaf erwachte Geist; sein Hunger kündigt sich durch die Wissbegierde an.

[2.60.20] Sage Mir aber in deinem Herzen und beantworte Mir die Frage: Wird das Kind wohl dadurch gesättigt werden, so die Mutter ihm statt der milchgefüllten Brust entweder einen Finger in den Mund stecken möchte, dass es daran sauge, oder sonstige Dinge, darinnen sich kein Nahrungsstoff befindet?

[2.60.21] Ja, Ich sage dir, sie kann dem Kind tausende und abermals tausende der allerweichsten Finger statt der Brust in den Mund stecken, das Kind aber wird dennoch bei all der vergeblichen Fingersaugerei unfehlbar zugrunde gehen, da es unmöglich sich je daraus wird sättigen können, wo nichts drinnen ist, und wird bei solcher Trugkost das Leben verlieren!

[2.60.22] Verstehst du solche Wahrheit? Du zuckst mit den Achseln; o siehe, du sollst der Sache sogleich auf den Grund kommen!

[2.60.23] Ist die Milch fürs Kind nicht eine wahrhafte Nährkost, also eine volle Wahrheit für des Kindes hungrigen und begehrenden und kostbegierigen Magen? Ich meine, solches wird niemand bezweifeln!

[2.60.24] Hält aber die Mutter das Kind nicht an dieselbe Brust, in welcher Brust ihre unbegrenzte Liebe zum Kind in den hellsten Flammen lodert, an welchem Feuer eigentlich diese süße Kost bereitet wird?

[2.60.25] Siehe, jetzt haben wir schon alles; der Geist also will auch Wahrheit, getreueste, vollste Wahrheit will er zur Nahrung!

[2.60.26] So du aber durch leere Wissenschaften deinen Geist sättigen willst, an denen oft nicht ein wahrer Tautropfen hängt, sage Mir nun, wie weit da der Geist kommen wird!

[2.60.27] Wie aber bei der Mutter die Liebe der Grund der wahren Nahrung fürs Kind ist, also ist auch die Liebe für den Geist der Grund aller endlosen Wahrheiten, welche da alle sind eine gar wahre, gute, ewige Kost dem Geist.

[2.60.28] Wer und wo aber ist diese Liebe? Daher sehe auf Mich, auf diese Brust sehe; siehe, da gibt es Milch in endlos großer Menge!

[2.60.29] Daher bleibe du hier; denn es ist besser, da zu saugen, als den Gesichtsdeutungen nachjagen und dabei aber im Geiste verhungern und endlich mit den enthüllten Gesichtern zugrunde zu gehen.

[2.60.30] Verstehst du nun den Unterschied zwischen wahrer und falscher Kost, und was die Wissbegierde ist?

[2.60.31] So du es nun verstehst, da handle danach, so wirst du leben ewig! Amen.“

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