Hier ist Dein Kapitel

47. Die Verlegenheit der zu Adam gesendeten Frageboten

Am 11. März 1842

[2.47.1] Nach diesen Worten aber hatte sich auch die Sonne bereits hinter den Bergen vollends versteckt, und sonach war der Sabbat auch vergangen. Da all die Völkerschaften aber schon aus der Verkündigung, die am Morgen geschah, wohl wussten, dass diesmal, wie auch in alle Zukunft, am Abend keine Opferfeuer mehr abgebrannt werden, und daher aber auch nicht wussten, was sie nun tun sollten, ob bleiben, oder ob der Heimat zukehren, – so sandten sie von allen Seiten her Frageboten, die sich da erkundigen sollten auf der Höhe, was da nun zu tun sein dürfte.

[2.47.2] Als sonach die besagten Boten auf der Höhe angelangt waren und sich in ihrer Absicht zum Adam, der nun noch dem Abedam auf der Brust lag, hinbegaben, da fragte sie alsbald der Abedam:

[2.47.3] „Kinder, was ist der Sinn eurer Absicht? Warum seid ihr hierhergekommen?“

[2.47.4] Die Boten aber kannten den Abedam noch nicht; denn die großen Zeichen konnten sie darum nicht erwecken, weil sie vorbereitungsweise auch schon den Henoch, Jared, Kenan, Enos und Seth ähnliche Wunder hatten verrichten sehen. Und so fiel demzufolge ihre Antwort auch natürlicherweise sehr schiefrig und etwas spitzig aus und lautete also:

[2.47.5] „Was fragst du uns? Bist du doch weder Adam, noch Seth, noch Enos, noch einer aus der heiligen Reihe der Väter, noch haben wir dich zuvor gefragt, da doch an uns hierher Gesandten die Reihe des Fragens weilt!

[2.47.6] Wo aber bist du geboren und wo erzogen worden, dass dir die Art noch also ganz und gar unbekannt ist, da es sehr hoch gefehlt und äußerst unschicksam ist, in der sicheren Gegenwart des erhabenen Erzvaters ihm mit einer sehr unzeitigen Zunge vorzugreifen?!

[2.47.7] Wie magst du uns denn ‚Kinder‘ nennen, da wir deinem Aussehen nach ganz gut deine Urgroßväter sein könnten?

[2.47.8] Und dann, welch eine läppische Frage: Was ist der Sinn unserer Absicht, und warum sind wir hierhergekommen? Wird etwa doch der Sinn unserer Absicht auf ein Haar derselbe sein, als warum wir hierhergekommen sind! Sieh, wie albern!

[2.47.9] Das haben aber jetzt schon fast die meisten jungen Menschen, dass sie ganz entsetzlich vorlaut sind und merken nicht, dass da ihrem Mund eine Dummheit um die andere entfällt; darum sei auch du für die Zukunft klüger, und halte deine Zunge hübsch im Zaum! Merke dir das für die Zukunft!“

[2.47.10] Nach diesen Worten aber gingen sie weiter und suchten den Adam und fanden ihn nicht.

[2.47.11] Es hatten aber im Augenblick innerlich vom Abedam alle, die da auf der Höhe waren, das Gebot erhalten, von Ihm zu schweigen, aber den Suchern dennoch zu zeigen, allwo sich der Adam befindet.

[2.47.12] Und alsbald gelangten sie zum Seth und fragten ihn, wo sich der Erzvater befinde. Und der Seth zeigte ihnen den Adam sogleich mit dem Finger.

[2.47.13] Da erstaunten sie sich gewaltig, wie sie da hatten können vorüberziehen, ohne den doch sehr kennbaren Adam bemerkt zu haben.

[2.47.14] Der Seth aber sagte darauf ganz kurz zu ihnen: „Ja wahrlich, Kinder, es gehört ganz abscheulich viel Blindheit dazu, um das zu übersehen, und ganz entsetzlich viel Taubheit, um dieses Tages erweckendstes, großes, heiliges Geräusch zu überhören! Geht also dahin, und ihr werdet daselbst den Erzvater aller Väter wohl antreffen! Amen.“

[2.47.15] Dieser Bescheid hat die zwölf Boten also sehr ins Bockshorn gezwängt, dass sie nun dastanden wie versteinert und wussten nicht, was sie daraus machen sollten.

[2.47.16] Der Seth aber ließ noch einen kleinen Donner los und sagte zu ihnen: „Was steht ihr Sabbats-Taugenichtse nun hier? Habe ich euch denn nicht gezeigt, wo der Adam ist?

[2.47.17] Also wartet doch nicht so lange hier, bis euch etwa gar der Erdboden von selbst weitertragen wird, sondern geht wenigstens mir aus dem Angesicht!“

[2.47.18] Als die Boten solchen Nachstoß erhielten, da sprangen sie von dannen, als wenn sie jemand gebrannt hätte, und wussten nicht, wohin sie sich nun flüchten sollten, denn es hatte sie eine große Angst und übergroße Scheu ergriffen, dass sie darob allen Mut verloren, sich noch dem strengen Adam zu nähern, da sie der sanfte Vater Seth schon also unsanft aufgenommen hatte.

[2.47.19] Und zurück getrauten sie sich ohne die bescheidende Antwort auch nicht.

[2.47.20] Was ist nun zu tun? Einer aus ihnen aber sagte: „Ja, was nützt uns, allhier in dieser kaum hundert Schritte weiten Ferne von den Vätern zu harren für nichts und nichts?

[2.47.21] Gehen wir entweder ganz aus dem Angesichte der Väter, oder gehe einer von uns dahin, wo uns der Mensch mit den blonden, langen Haaren zuerst angeredet hatte, und frage ihn, da er unsere Absicht ohnehin zuerst hat wissen wollen, was da zu tun sein solle, und überbringe uns hernach die Nachricht.

[2.47.22] Es wäre überhaupt gut, den etwas vorlauten Menschen etwas näher kennenzulernen; denn hinter dem muss sicher etwas Besonderes stecken, darum ihm der Adam, dem sich doch sonst sehr schwer zu nähern ist, also zugetan ist, dass er ihn sogar mit seinen Händen umfangen hält!

[2.47.23] Welcher aus uns aber wird sonach dieses saure Amt über sich nehmen?“

Am 12. März 1842

[2.47.24] Einer aus der Schar stimmte alsbald dem Vorwortführer bei und sagte dann zu den Umstehenden: „Ja, wahrlich ein saures Geschäft! Ich weiß nicht, was es sein dürfte, das ich lieber täte nun denn gerade das!

[2.47.25] Wahrhaftig, ihr könnt mich abfäusten, dass ich darob blau werde wie der Mittelpunkt des Himmels bald nach dem Untergang der Sonne, – und mir wird es lieber sein, als so ich nun noch einmal zu den erhabenen Vätern mich begeben sollte!

[2.47.26] Brüder, es ist doch sonderbar, wie ich mir jetzt vorkomme; wahrhaft, es ist mir gerade also zumute, als wäre ich mit einer allerdümmsten Bubenschandstrafe irgendeines närrischen Vergehens wegen belegt worden!

[2.47.27] Und in dieser Gemütsverfassung soll ich nun etwa gar den am Sabbat schon allzeit ganz entsetzlich erhabenen Vätern mich nahen?!

[2.47.28] Nein, das soll doch sicher der allerletzte Gedanke meines ganzen Lebens sein, und sollte ich schon eine ganze Ewigkeit auf der Erde zu verleben und da nichts als lauter saure Äpfel auf ihr zu essen haben!

[2.47.29] Ich somit für meinen Teil werde hier eine etwas größere Dunkelheit abwarten, um dann ganz sachte mich aus diesem lästigen Staub und nach meiner Heimat unvermerkt zu machen.

[2.47.30] Das ist nun mein sehr zweckmäßiger Plan. Ich aber will dadurch dennoch keinem von euch eine Vorschrift machen, sondern jeder von euch tue, wie es ihm am allerbesten dünkt; ich bleibe aber vorderhand bei meinem ausgesprochenen Plan, – ja, ja, ich bleibe fest dabei!“

[2.47.31] Und ein dritter richtete auch alsbald ein Wort an den Redner und sagte: „Wahrhaft, Freund und Bruder, dein Gedanke kann mir gefallen, darum auch ich dir gleich tun möchte; aber eines macht mich dabei bedenken, und das sind die Väter, Brüder und Kinder, die uns hierher gesandt haben und nun fruchtlos harren auf eine Antwort!

[2.47.32] Ich glaube aber, da sich aus uns schwerlich einer mehr getrauen wird, hinauf zum Adam in dieser Hinsicht zu gehen, so wird es denn doch noch besser sein, der lieben Ehrlichkeit getreu zu bleiben und geraden Weges unverrichteter Dinge wieder zu den Unsrigen zurückzukehren und ihnen da ohne Umstände zu melden, was uns allhier widerfahren ist. Da allen die überaus wunderliche Sabbatserhabenheit der Erzväter bekannt ist, so wird es auch sicher niemanden ärgerlich wundernehmen, dass wir unverrichteter Dinge wieder zu ihnen zurückgekehrt sind!

[2.47.33] Aber auch ich, wie du, Bruder, will damit niemandem etwas vorschreiben, sondern belasse jeden gerne bei seiner besseren Meinung.“

[2.47.34] Und alsbald auch meldete sich ein vierter und sagte, wie mit sich selbst redend: „Die Ideen sind nicht übel, aber die erste scheint mir dennoch die bessere zu sein, obschon am allersauersten.

[2.47.35] Was könnte denn einem auch geschehen, so man in aller Demut noch einmal hinginge zum Adam? Das Leben wird er einem darob ja doch nicht nehmen?

[2.47.36] Hat man dann von ihm etwas erfahren, so ist es dann auch wohl und gut, – und hat man nichts ausgerichtet, so ist man doch wenigstens vollkommen schuldlos vor denen, die unsereinen hierher beschieden haben; denn das muss ja schon sogar ein Kind von sieben Jahren einsehen, dass man vom Adam nicht also, wie von einem Baum ein Stückchen lockerer Rinde, eine erwünschte Antwort herauszwicken kann.

[2.47.37] Antwortet er einem auf eine Frage, so ist das wohl und gut; und antwortet er nicht, nun, so wird darum die große Mutter Erde ja auch noch keinen Sprung vom Aufgang bis zum Niedergang hin bekommen!

[2.47.38] Man verneigt sich dann allerehrerbietigst und geht seines Weges wieder weiter.

[2.47.39] Und was aber endlich den jungen fremden Mann betrifft, den der Adam umfasst hielt, so scheint er ja eben auch nicht vollends ein Tiger zu sein, obschon er sehr viel Ähnlichkeit hat mit dem Fremdling, den ich gestern sonderbar genug auf einem Tiger habe reiten sehen.

[2.47.40] Kurz und gut, das Leben wird’s nicht kosten! Dass ich sicher etwas angedonnert werde, das setze ich schon voraus, und weiteres, – was sollte mir oder was könnte mir noch Übleres begegnen?

[2.47.41] Wer kennt den Adam nicht schon so lange, als er lebt? Er ist ein Mann stets voll donnernden Ernstes; und was da besonders an einem Sabbat herauskommt, wenn man ihm um etwas zu einer ungelegenen Zeit kommt, das weiß auch fast ein jeder aus uns.

[2.47.42] Somit – wisst ihr, was – Brüder und Freunde, ich bin vollkommen bereit, hinaufzugehen und unser aller Glück zu versuchen! Wer es mit mir halten will, dem sei von mir sicher kein Hindernis in den Weg gelegt!

[2.47.43] Ich glaube aber, es werden zwei oder drei einen Seth-artigen Stoß leichter vertragen denn allein einer; und so lasst uns noch einmal das Glück versuchen! Wer weiß, wozu die Sache noch alles gut sein wird?

[2.47.44] Es ist aber ja schon eine alte Lehre bei uns, dass da alles Gute sein Schlechtes und alles Schlechte sein Gutes hat, gleichwie der Tag ohne die Nacht kein Tag und die Nacht ohne den Tag keine Nacht wäre.

[2.47.45] Also auch lasst uns daher nicht zu lange bedenken; und wer da Mut hat, der mache sich mit mir auf den Weg!“

[2.47.46] Es fingen aber fast alle an, sich hinter den Ohren ganz gewaltig zu kratzen, und einer um den anderen bemerkte: „Du hast freilich wohl ganz vollkommen recht; aber wenn – setzen wir den Fall – wir, ja wir alle, etwa dessen alles von dir Gesagten ungeachtet sollten den alten Adam über uns einen Fluch aussprechen hören – und wir wissen, dass Adams Stimme so gut wie Jehovas Stimme Selbst ist! –, wie dann? Was dann?“

[2.47.47] Und alsbald ermannte sich der frühere Selbstredner und sagte in einem sehr unschlüssigen Ton: „Ja, – ja, – das habe ich freilich ganz vergessen!

[2.47.48] Ja, jetzt bekommt die Sache ganz ein anderes Gesicht! Wahrlich, so hier guter Rat nicht teuer wird, so wird er es ewig nimmer!

[2.47.49] Aber seht, seht, da kommen ja soeben zwei Männer den Hügel herab – und, wie es mir scheint, gerade auf uns zu!

[2.47.50] Lasst uns sehen, ob sich mit ihnen nicht ein kleines unterhandelndes Geschäft machen lässt! Lasst nur mich voraustreten, so ihr euch etwa fürchtet!“

TAGS

Kein Kommentar bisher

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Letzte Kommentare