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112. Bilder der Fundamentalhölle

(Am 21. November 1843 von 4 – 5 1/2 Uhr abends.)

[2.112.1] Nr. 1: Stellt euch einen reichen Spekulanten vor. Beschaut recht diesen ewigen Nimmersatt. Was ist seine Liebe und was sein Wollen? Nichts anderes als sich auf jede mögliche, nur einigermaßen bürgerlich gesetzlich erlaubte Art der Habseligkeiten eines ganzen Landes, endlich eines ganzen Reiches zu verschaffen, und ist ihm das gelungen, auch mehrerer Reiche, wo nicht der ganzen Erdoberfläche zu bemächtigen. Es gelingt ihm freilich wohl solcher Plan nicht so ganz und gar, und er wird seine Idee schwerlich gänzlich realisieren. Dabei aber geht sie in ihm doch nicht zugrunde und wird heimlich also lauten: Hätte ich nur eine Kriegsmacht von wenigstens ein paar Millionen unbesiegbarer Krieger, so holte ich mir alles Gold und alles Silber, alle Edelsteine und alle Perlen von der ganzen Welt auf einen Haufen zusammen.

[2.112.2] Mancher hat auch solchen Wunsch: Wenn doch über ein ganzes Land eine solche Pest käme, welche bis auf mich alle Menschen ins Gras beißen machen möchte, so bliebe ich auch der natürlichste Universalerbe des ganzen Landes. Und wenn dann Menschen von irgendeinem anderen Land hereinkämen und möchten mir meine Universalerbschaft streitig machen, da sollte sie gleich an der Grenze wieder die Pest packen und sie erwürgen!

[2.112.3] Seht, das ist so ein Bild der Fundamentalhölle, das ihr tagtäglich unter den Menschen finden könnt, und das bei allen Klassen, vom gemeinsten Krämer angefangen bis zum größten Großspekulanten. Was hindert diese daran, dass sie solche löbliche Ideen nicht realisieren können? Nichts als die fatale Materie. Nehmen wir nun diese hinweg und betrachten darauf mit denselben Eigenschaften den absoluten Geist, und wir haben die Fundamentalhölle in optima forma vor uns.

[2.112.4] Nr. 2: Da steht ein geringer Offizier vor uns. Was für ein Hauptgedanke wohnt in seiner Brust? Etwa der, dem Staat nützliche Dienste zu leisten? O nein, das ist der letzte. Avancieren, das ist der Hauptgedanke; wenn es möglich wäre, alle Stunde eine Stufe höher zu klimmen, in einem Jahr wenigstens ein General zu werden und als solcher selbst wieder so bald als möglich in die höheren Rangstufen überzugehen. Hat er auch, setzen wir den Fall, die höchste Stufe erreicht, so wird sein Plan, oder wenigstens sein Hauptgedanke sich darin aussprechen: Nur hinaus mit ungeheuren Kriegsscharen zur Besiegung aller Völker, und sind diese besiegt und habe ich die Macht in meinen Händen, dann müssen alle Kaiser, Könige und Fürsten vor meinem Schwert zittern!

[2.112.5] Wer hier die Herrschsucht in unserem Offizier vermisst, der muss mit siebenfacher Blindheit geschlagen sein. Was ist hier wieder der Unterschied, dass solches unser Offizier nicht zu realisieren vermag? Wie oben die materiellen, naturmäßigen, beschränkenden Verhältnisse. Die Materie klopft unserem Helden auf die Finger, und er muss sich nolens volens seine geringe Offiziersstelle gefallen lassen. Dafür aber schimpft er nicht selten ganz ausgezeichnet und sucht seine Herrschlust seinen Untergebenen so fühlbar als möglich zu machen. Das geringste Verschulden von Seiten eines Untergebenen wird mit tyrannischer Unbarmherzigkeit geahndet. Nehmt ihr bei diesem Offizier die materiellen Hindernisse hinweg, und ihr habt schon wieder ein zweites vollkommenes Bild der Fundamentalhölle in einer non plus ultra-Form vor euch.

[2.112.6] Auch dieses Bild könnt ihr tagtäglich vielfach vor euch finden, besonders in derjenigen Menschenklasse, welche berechtigt ist, einen Degen zu tragen, wie auch bei derjenigen Menschenklasse, die das Privilegium hat, ein sogenanntes adeliges Wappenzerrbild von ihrem wenig sagenden Namen zu führen. Überall werdet ihr da die Herrschlust finden, und das im gediegensten Zustand. Und das ist ja eben der Grund der untersten aller Höllen, welcher unersättlich ist und seine Herrschlust und Gier bis ins Unendliche ausgedehnt haben will. In der Folge der Bilder mehr!

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