(Am 16. Oktober 1843 von 4 1/4 – 6 1/4 Uhr abends.)
[2.89.1] Seht, bis jetzt haben wir alles das aus dem Naturgrund sich entwickeln gesehen; aber es fehlte bisher auch noch jedem Grund eine höhere göttliche Sanktion, durch die allein der Mensch auf der Erde, besonders in seinem einfachen Naturzustand, zur unverbrüchlichen Beobachtung alles dessen geleitet wird, was ihm von seinem Oberhaupt als Pflicht auferlegt wurde.
[2.89.2] Je mehr im Anfang ein solcher Primitivmonarch sein Volk weise leitet, und je mehr das Volk durch die Erfolge davon überzeugt wird, dass der Leiter wirklich weise ist, desto mehr wird es sich auch gegenseitig zu fragen anfangen: Woher hat dieser seine Weisheit und woher wir unsere Dummheit? Das Volk weiß noch außerordentlich wenig oder nichts von Gott, der Leiter aber hat davon schon mehr oder weniger tüchtige Begriffe.
[2.89.3] Was braucht er nun, wenn das Volk in naturmäßiger Hinsicht so viel als möglich geordnet dasteht, zu tun, besonders wenn er solche Fragen von vielen Seiten her in Erfahrung bringt? Er beruft die Fassungsfähigeren zusammen, verkündigt ihnen ein höchstes Wesen, welches alles erschaffen hat und alles leitet, und sagt ihnen dann zur Beantwortung ihrer vielseitigen Frage, dass er zu ihrem Wohle die leitende Weisheit unmittelbar von solch einem höchsten Wesen habe, und zeigt ihnen als einem überaus gläubigen Volk mit der größten Leichtigkeit von der Welt erstens die unleugbare Existenz einer allerhöchsten, alles erschaffenden, erhaltenden und leitenden Gottheit, und dass eben von dieser Gottheit nur derjenige mit tiefer Weisheit begabt wird, den sie zur beseligenden Leitung der Völker geschaffen hatte.
[2.89.4] Das will dann so viel sagen als: „Von Gottes Gnaden“, oder wie bei den Römern: „Favente Jove“. Ist dieser Schritt gemacht, so ist der Alleinherrscher und Obereigentümer ganz fix und fertig und sitzt nun vollkommen sicher in seiner Herrsch-Mitte, unterstützt von naturmäßig mächtiger und von geistig noch mächtigerer Notwendigkeit.
[2.89.5] Ein jeder, der nun alles dieses also gründlichermaßen durchgegangen ist, muss endlich sagen: Fürwahr, allem dem lässt sich nicht ein Atom groß einwenden, denn es hängt ja alles mit den ersten naturrechtlichen Urkunden eines jeden Menschen so eng zusammen, dass man daran nicht den allerkleinsten Faden entzweischneiden darf, um nicht eine glückliche menschliche Gesellschaft bis in ihre innersten Fundamente zu zerstören. Denn man nehme da hinweg, was man wolle, so wird sich der Defekt sobald in den ersten Naturprinzipien eines jeden Menschen wahrzunehmen anfangen.
[2.89.6] Wenn aber demnach die Sache sich so verhält, so folgt ja doch ganz sonnenklar heraus, dass der Herr Himmels und der Erde durch dieses neunte Gebot nichts als die vollkommene Sicherung des bestimmten Eigentums zur Aufrechthaltung der ersten Naturrechtsprinzipien aufgestellt hat. Und so kann da kein anderer Sinn hinter dem Gebot stecken, als den seine Worte bezeichnen.
[2.89.7] Denn so man diesem Gebot irgendeinen anderen Sinn unterlegen will oder kann, so hebt man dadurch den von einem höchsten Wesen sanktionierten Hauptgrund des ersten naturrechtlichen bürgerlichen Verbandes auf. Das Eigentumsrecht, wenn es aufgehoben ist, hebt notwendigerweise die früheren Urdokumente eines jeden Menschen auf, und niemand kann da mehr etwas sammeln und verfertigen. Kann er das nicht, so gehen sein Magen und seine Haut unter, und der Mensch wird mit seiner Existenz schlimmer daran sein als jedes Tier. Mit der Wegnahme des Wortsinnes von diesem Gebot nimmt man ja schon im Voraus jedes leitende Oberhaupt hinweg, und die Menschheit steht in ihrem ersten unter das Tierreich gesunkenen allerwildesten chaotischen Naturzustand da.
[2.89.8] Das ist richtig, meine lieben Freunde und Brüder. Wir haben bis jetzt gesehen, dass durch die Darstellung des inneren geistigen Sinnes der äußere naturmäßige Sinn in seiner gerechten Außenwirkung nirgends verletzt worden ist. Wir haben auch gesehen, dass durch die Unkenntnis des inneren Sinnes ein gegebenes Gebot entweder nur sehr schwer oder nicht selten kaum zum dritten Teil desselben, manchmal aber auch gar nicht beobachtet wird und beobachtet ward.
[2.89.9] Wird aber ein Gebot dem inneren Sinne nach erkannt, so gibt sich die naturmäßige Beobachtung von selbst, gerade also, als so da jemand einen guten Samen in das Erdreich legt, sich dann aus ihm die fruchttragende Pflanze von selbst entwickeln wird, ohne dass der Mensch dabei weiter eine ohnehin zu nichts führende Manipulation anwenden solle.
[2.89.10] Und so ist es auch bei diesem Gebot der Fall. Wird es innerlich erkannt und beobachtet, so fällt alles Äußere, was da der Buchstabensinn berührt, von selbst der guten göttlichen Ordnung zufolge aus. Ist aber das nicht der Fall, klebt man bloß am äußeren Sinn, so hebt man eben dadurch alle die urrechtlichen Dokumente des Menschen auf. Die Herrscher werden zu Tyrannen und die Untertanen zu Geizhälsen und Wucherern, und die Haut der Sanften wird über die Militärtrommel gespannt oder die gutmütigen Esel von Untertanen werden zum arglistigen Spielwerkzeug der Mächtigen und Wucherer.
[2.89.11] Die Folgen davon sind Volksaufstände, Revolutionen, gänzliche Staatenumwälzungen und Zerstörungen, gegenseitige Volkserbitterungen, dann darauffolgende langwierige blutige Kriege, Hungersnot, Pestilenz und Tod.
[2.89.12] Wie lautet aber demnach derjenige Sinn, durch dessen Beobachtung alle Völker ihr unzerstörbares zeitliches und ewiges Glück finden müssen? Er lautet also ganz kurz:
[2.89.13] Achtet euch untereinander aus gegenseitiger wahrhafter Bruderliebe, und keiner beneide den anderen, so er von Mir, dem Schöpfer aus, seiner größeren Liebe wegen mehr begnadigt wurde. Der Begnadigtere aber lasse seine daraus hervorgehenden Vorteile allen seinen Brüdern als Bruder so viel als möglich zugunsten kommen, so werdet ihr dadurch unter euch einen ewigen Lebensverband gründen, den keine Macht ewig je zu zerstören wird imstande sein!
[2.89.14] Wer sieht aus dieser Darstellung dieses Gebotes nicht auf den ersten Augenblick ein, dass durch seine Beobachtung nicht ein Häkchen des Buchstabensinnes gekrümmt wird. Und wie leicht ist dann dieses Gebot naturmäßig zu beobachten, wenn man es also geistig beobachtet. Denn wer seinen Bruder achtet in seinem Herzen, der wird auch seine Sammlungen und Einrichtungen achten. Durch die geistige Beobachtung dieses Gebotes wird allem Wucher und aller übertriebenen Erwerbssucht vorgebeugt, welche aber im alleinigen Buchstabensinn nur ihren sanktionierten Vertreter oder Advokaten finden. Eine kleine Nachbetrachtung wird uns dieses alles noch ins klarste Licht setzen.
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