(Am 14. Oktober 1843 von 4 1/2 – 6 1/2 Uhr abends.)
[2.88.1] Bevor wir jedoch die volle Löse aussprechen wollen, wird es notwendig sein, noch einige Bemerkungen voranzuschicken, durch welche so manchen juridischen Vielfraßen und übergelehrten Völkerrechts-Verkündigern der Mund soll gestopft werden. Denn diese könnten etwa das Besitzrecht vom Sammelrecht ableiten, wodurch sie uns wenigstens scheinbar schlagen könnten. Daher wollen wir uns auch in diesem Punkt verschanzen.
[2.88.2] Es ist allerdings nicht in Abrede zu stellen, dass da jedermann vor dem Nutzungsrecht das Sammelrecht haben muss. Denn so jemand sich nicht mit seinen Händen und mit seiner Kraft eher etwas holt und zubereitet, so kann er sein Nutzungsrecht nicht geltend machen. Denn das ist einmal richtig, bevor jemand einen Apfel in den Mund stecken will, muss er ihn vom Baum oder vom Boden lesen.
[2.88.3] Für das Sammelrecht hat er ebenfalls mehrere göttliche Urkunden aufzuweisen. Urkunde Nr. 1 sind die Augen. Mit diesen muss er schauen, wo etwas ist. Urkunde Nr. 2 sind die Füße. Mit diesen muss er sich dahin bewegen, wo etwas ist. Und Urkunde Nr. 3 sind die Hände. Mit denen muss er dahin greifen und nehmen, da etwas ist. Also laut dieser Urkunde hat der Mensch vom Herrn aus das Sammelrecht als urrechtlich zu seinem unbestreitbaren Eigentum.
[2.88.4] Könnte man aber hier nicht sagen: Ist dasjenige nicht vollkommen ein Eigentum dessen, der es laut seines göttlichen Sammelrechtes sich zusammengesammelt hat zu seiner Nutzung? Hat nun jemand anderer das Recht, seine Hände oder sein Verlangen danach zu richten, was sich sein Nächster zusammengesammelt hatte? – Denn offenbar bedingt ein Recht das andere. Habe ich vom Schöpfer aus das natürliche Nutzungsrecht, das im Magen und auf der Haut geschrieben ist, so muss ich auch das Sammelrecht haben, weil ich ohne das Sammelrecht das Nutzungsrecht nicht befriedigen kann.
[2.88.5] Was nützt mir aber das Sammelrecht, wenn es mir den Bissen nicht sichert, den ich zum Mund führe? Denn so da jedermann das Recht hat, mir den Apfel, den ich mit meiner Hand laut meines Sammelrechtes aufgeklaubt habe, aus der Hand zu nehmen, weil er etwa zu bequem ist, sich selbst einen aufzuklauben, so gehe ich offenbar mit meinem Nutzungsrecht ein und muss nolens volens verhungern.
[2.88.6] Es ist somit notwendig, dass das Sammelrecht wenigstens auf das ein Eigentumsrecht anfordern kann, was es sich gesammelt hat, weil sonst an kein Nutzungsrecht ehrlichermaßen zu denken ist.
[2.88.7] Mit dem Sammelrecht verbindet sich das Bereitungs- und Verfertigungsrecht. Ist es mir aber nicht gestattet, auf das von mir Bereitete und Verfertigte ein vollkommenes Eigentumsrecht geltend zu machen, so ist mir alle Tätigkeitskraft umsonst, und ich bin genötigt, erstens alle essbaren Dinge irgend heimlich roh zu verzehren und zweitens stets nackt herumzugehen. Denn so ich mir ein Kleid verfertige und ein anderer, der zu diesem Geschäft zu faul ist, nimmt es mir laut seines Nutzungsrechtes weg, Frage, was sollte denn da mein eigenes Nutzungsrecht dazu für eine Miene machen?
[2.88.8] Wenn ich mir in einer kälteren Gegend ein Haus erbaue und habe laut des Sammel- und Verfertigungsrechtes gar kein Eigentumsrecht dabei, da kann mich die nächstbeste Gesellschaft aus dem Haus treiben und selbst davon an meiner statt ihr Nutzrecht ausüben.
[2.88.9] Daraus aber ist ja ersichtlich, dass mit dem natürlichen Erwerbsrechte ein gewisses prärogatives Eigentumsrecht für den gewerbstätigen Menschen eingeräumt sein muss, indem ohne ein solches Eigentumsrecht, rein genommen und betrachtet, keine menschliche Gesellschaft als bestehend möglich auch nur gedacht werden kann.
[2.88.10] Ist aber nun das Sammel- und das Bereitungsrecht als vollkommen gültig eingeräumt, so muss auch ein Fleck Grundes, auf dem ich eine Saat angebaut, wie ein Baum, den ich gepflanzt und veredelt habe, mir prärogativ als Eigentum eingeantwortet sein.
[2.88.11] Frage aber weiter: Wer antwortet mir solches ein beim Urbeginn einer Kolonie? Die Sache lässt sich leicht erklären. Die Kolonisten wählen aus ihrer Mitte einen von jeder Habsucht ledigen und zugleich weisesten Chef. Diesem räumen sie die Austeilungs- und somit auch die Einantwortungsrechte ein, unter der eidlichen gegenseitigen Schutzversicherung zur Aufrechthaltung und Befolgung seines Ausspruches, welcher Versicherung zufolge ein oder der andere Widersetzling von den Ordnungsliebenden in die Schranken des Ausspruches von Seiten des Oberhauptes zurückgewiesen wird. Auf die Mittel, wie oder wodurch, kommt es nicht an, denn diese können und müssen erst nach dem Grad der Widerspenstigkeit bestimmt und dann gehandhabt werden.
[2.88.12] Wer sieht hier nicht auf den ersten Augenblick die Unterwürfigkeit und die erste monarchialische Gründung eines Staates? Wer aber sieht auch nicht zugleich ein, dass, sobald das Sammel- und Erwerbs- und Bereitungsrecht mit einem prärogativen Eigentumsrecht systematisch verbunden ist, dann daneben niemandem aus seinem ihm zuerkannten Eigentum jemand das Sammel-, Erwerbs- und Bereitungsrecht beschränken kann. Im Gegenteil muss es dem leitenden Chef ja nur vorzugsweise daran gelegen sein, seine Leitlinge so viel als möglich zum Sammel- und Bereitungsfleiß auf ihren eigentümlich eingeräumten Besitzungen anzuspornen. Und je mehr jemand auf seinem Besitztum durch Fleiß sich erwirbt, in eine desto angenehmere Lage versetzt er sich, seinem Nutzungsrecht die unbeschränkte Gewähr zu leisten.
[2.88.13] Ist aber einmal dieses notwendige Eigentumsrecht zur Sicherung des Sammel-, Erwerbs- und Nutzrechtes notwendig festgestellt, so zieht dieses Recht ja notwendig das Hutrecht nach sich; denn ohne dieses Recht ist ja keiner ein prärogativer Besitzer des ihm vom Chef eingeantworteten Eigentums.
[2.88.14] Dieses Hutrecht aber setzt zuerst eine genaue Vermessung des Besitztums voraus. Sind die Grenzen einmal festgezogen, dann erst kann ein jeder Besitzer von dem Hutrecht oder dem Recht der Verteidigung seines Eigentums den Gebrauch zu machen anfangen.
[2.88.15] Dieses Hutrecht ist aber ohne bevollmächtigte Hüter nicht ausführbar. Es müssen also Wehrmänner aufgestellt werden, welche das unbeschränkte Recht haben, die Grenzen eines jeden vollkommen zu sichern. Sie müssen also das Exekutionsrecht haben, welches so viel als ein Straf- oder Züchtigungsrecht ist. Wer aber sollte diese Wehrmänner leiten? Sicher niemand anderer als der die ganze Kolonie leitende Chef.
[2.88.16] Hier haben wir also ganz notwendig die Entstehung des Militärstandes, zugleich aber auch die Feststellung einer unbeschränkten Macht des Chefs, der nun schon durch die Wehrmänner gebieten und seine Gebote sanktionieren kann.
[2.88.17] Haben wir es so weit gebracht, wer kann da noch auftreten und sagen: Die gegenwärtigen Staatsverfassungen sind nicht auf diesem göttlichen Recht basiert? Ja, es ist einem Kritiker alles recht, nur kann er noch das Obereigentumsrecht des Monarchen nicht begreifen. Ich aber sage: Hat man das Frühere so erwiesen, was bei weitem schwieriger ist, so lässt sich das Obereigentumsrecht eines Monarchen daneben mit einer Schlafmütze beweisen. – Wir wollen sehen.
[2.88.18] Wenn nun von Seiten der Weisheit des leitenden Chefs alles beeigentumsrechtigt ist, und sind dem Chef zur Bewachung des Besitztums der Kolonisten allzeit disponible Wehrmänner an die Seite gestellt, hat da der Chef nicht ein zweifaches Recht, die durch seine Weisheit beglückten Kolonisten zu fragen und zu sagen: Ich bin in eurer Mitte, habe durch meine Weisheit für euch gesorgt, und ihr habt mich eben darum zum leitenden Chef gemacht, weil ihr mich als den am wenigsten habsüchtigen Mann unter euch wohl gekannt habt.
[2.88.19] Ich habe sonach das Land unter euch gerecht verteilt und schütze nun mit meiner Weisheit und mit den weise geleiteten Wehrmännern euer Eigentum. Aber bei der Verteilung habe ich zufolge meiner Habsuchtslosigkeit auf mich vergessen. Ihr werdet aber doch sicher einsehen, so euch an meiner ferneren weisen Leitung notwendig etwas gelegen sein muss, dass ich von der Luft nicht leben kann. Was soll ich denn hernach zu meinem Unterhalt haben, um leben zu können? Fürs Erste habe ich keine Zeit zum Sammeln, denn ich muss meine Zeit zum steten Nachdenken verwenden, wie sich euer Besitztum fortwährend sichern lassen möchte.
[2.88.20] Ihr werdet also einsehen, dass ein getreuer Arbeiter auch seines Lohnes wert ist. Daher verordne ich, dass ihr miteinander darüber übereinkommt, mir aus eurem eigentümlich gesicherten Vorrat einen Unterhalt zu verschaffen, und ich kann das von euch mit umso größerem Recht ansprechen, weil die Erhaltung eures gegenseitigen prärogativen Eigentumsrechtes lediglich von meiner Erhaltung abhängt. Neben meiner Erhaltung aber ist noch die andere euer Eigentum sichernde Erhaltung der Wehrmannschaft vonnöten, denn auch sie hat nicht Zeit zum Arbeiten, indem sie eure Grenzen in guter Ordnung bewachen muss.
[2.88.21] Euer eigenes Heil und Wohl müssen es euch sonach vor die Augen stellen, dass ich und die Wehrmannschaft euch gegenüber erwerbslos dastehen, und dass darum ein jeder aus euch zur festen Gründung seines eigenen Wohles sich zu einer bestimmten Steuerung an mich wird bequemen müssen.
[2.88.22] Diese ausgesprochene Forderung erscheint allen Kolonisten als vollkommen rechtlich und billig, und sie bequemen sich zur Steuerung. Und auf diese Weise hat der leitende Chef schon sein erstes natürliches, wenn schon nicht Ober-, so doch Miteigentumsrecht bei allen Kolonisten geltend gemacht.
[2.88.23] Zwischen dem Miteigentumsrecht und dem Obereigentumsrecht aber ist eine so kleine Kluft, über welche sogar das kleinste Kind dem anderen in den Sack greifen kann. Denn der Chef braucht hier bloß zu sagen: Meine lieben Kolonisten! Es kann euch nicht unbekannt sein, dass uns irgend gegenüber noch eine andere Kolonie sich uns gleichermaßen sesshaft gemacht hat. Um aber uns vor ihr zu schützen, müsst ihr mir ganz unumschränkt das Recht allseitig einantworten, dass ich als euer Chef gewisserart im Notfall als Obereigentümer eueres Eigentums dastehen und in einem solchen Falle die Außengrenzen befestigen können muss nach meiner weisen Einsicht, und muss das Recht haben, in euer aller Namen zu eurem Wohl mit einer fremden Nation, falls sie mächtiger sein sollte als wir, zweckmäßig zu unterhandeln.
[2.88.24] Ferner müsst ihr als die meiner Leitung bedürftigen Kolonisten auch aus dem allerverständigsten Grunde einsehen, dass ich als euer Haupt fürs Erste in euerer Mitte einen festen Ort erbaut haben muss, in dem ich mich als euer Haupt vor allem zu eurer Erhaltung notwendig schützen und erhalten kann. Und fürs Zweite ist es zu meiner für euer Wohl berechneten Sicherheit nicht nur genug, dass ihr mir ein Wohnhaus errichtet, sondern um mein Wohnhaus herum in gerechter Anzahl noch andere Wohnhäuser zur Aufnahme der lediglich von meiner Leitung abhängigen Wehr- und Hutmannschaft, d. h. mit anderen Worten gesagt: Ihr müsst mir in eurer Mitte eine feste Wohnstätte erbauen, in welcher ich vollkommen gesichert bin, sowohl vor fremden als auch unter gewissen Fällen vor euren eigenen möglichen Angriffen.
[2.88.25] Wir sehen hier mit sicher klarem Augenlicht, wie hier der Monarch sich notwendigerweise zum Obereigentümer eines Landes stempelt. Aber das sei noch nicht hinreichend. Wir wollen noch andere Gründe vernehmen, und das zwar aus dem Munde des Gründers selbst, denn er spricht ferner:
[2.88.26] Meine lieben Kolonisten, den unumstößlichsten Grund für die Errichtung eines festen Wohnplatzes für mich in eurer Mitte habe ich zu eurer Einsicht dargetan. Also hättet ihr den ersten Grund. Hört mich aber an fürs Zweite: Das Land ist ausgedehnt; es ist unmöglich, dass ich überall selbst sein sollte, daher will ich mit euch eine Prüfung halten und werde aus euch die Weiseren als meine Amtsführer und Stellvertreter im Land verteilen. Diesen Stellvertretern ist dann jedermann denselben Gehorsam zu seinem eigenen Wohl schuldig wie mir selbst.
[2.88.27] Sollte aber jedoch einem oder dem anderen Untertan meiner weisen Leitung von diesen meinen erwählten Amtleuten ein vermeintliches Unrecht zugefügt worden sein, so hat in diesem Falle ein jeder das Recht, seine Beschwerde vor mir anzubringen, wo er dann versichert sein kann, dass ihm nach Umstand der Sache das vollkommene Recht zuteilwird, wogegen ihr mir aber eben zu eurem eigenen Wohle, damit da allen Streitigkeiten vorgebeugt werde, die treueste und gewissenhafteste Versicherung geben müsst, sich ohne die geringste fernere Widerrede meinem Endurteil willigst zu fügen. Im entgegengesetzten Falle mir zum Wohle aller ebenfalls das unbestreitbare Recht von allen zugesichert werden muss, einen solchen Widerspenstling gegen mein Endurteil mit züchtigender Gewalt zur Befolgung meines Willens zu nötigen. Wenn dieses alles in der Ordnung errichtet und gehandhabt wird, dann erst werdet ihr ein wahrhaft glückliches Volk sein!
[2.88.28] Wir sehen hier einen zweiten von allem Früheren abgeleiteten Schritt: Nr. 1 zur Alleinherrschaft und Nr. 2 zum obereigentümlichen Besitz des ganzen Landes. Und also hätten wir den vollkommenen ersten in der Natur der Sache begründeten Grund als auf diese Weise unwiderlegbar zur Schau gestellt. Dieser Grund kann der natürliche, von der menschlichen Gesellschaft abgeleitete notwendige genannt werden. Aber es wird da jemand sagen: Solches ist alles an und für sich also naturgerecht richtig, als wie sicher und gewiss der Mensch der Augen zum Sehen und der Ohren zum Hören bedarf. Aber wir sehen diese an und für sich noch ganz rohen Kolonisten an und erblicken sie im Ernst allertätigst und voll Gehorsam gegen ihren Leiter.
[2.88.29] Aber aus eben diesem Gehorsam fangen sich die Kolonisten an mit der Zeit vor ihrem Leiter stets mehr und mehr zu fürchten. Und in dieser Furcht fragen bald der eine, bald der andere sich gegenseitig: Aber worin liegt es denn doch, dass unter uns dieser alleinige Mensch so außerordentlich gescheit ist und wir alle gegen ihn sind als wahrhaftige Tölpel zu betrachten? – Diese Frage, so gering und unscheinbar sie in ihrem Anfang erscheint, ist von außerordentlicher Wichtigkeit und drückt in ihrer Beantwortung erst dem Umstand der Alleinherrschaft und des Obereigentums eines Monarchen das unverletzbare Amtssigill auf. Das klingt sonderbar, dürfte so mancher im Voraus sagen, allein nur eine kleine Geduld, und wir werden die Sache sogleich in einem anderen Licht erschauen!
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