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76. Belehrung über das zweite und dritte Gebot

(Am 25. September 1843 von 4 1/2 – 6 1/4 Uhr nachmittags.)

[2.76.1] Wir brauchen aber nun die Sache nicht weiter zu verfolgen, was diese Kinder hier weiter von ihren Lehrern über den Herrn empfangen; denn die Epoche oder den Zustand, in dem sie den Herrn wie völlig verloren haben, haben sie überstanden, und somit auch den ersten Lehrsaal, deren es in dieser Abteilung, wie ihr schon früher gesehen habt, zwölf gibt. Es wäre zu gedehnt, in all den folgenden Lehrsälen den fortschreitenden Unterricht mit diesen Kindern mitzumachen. Damit ihr aber doch wisst, was in diesen Sälen gelehrt wird und auf welche Weise, so sage ich euch, dass ihr solches schon aus der ersten Tafel in der Mitte des ersten Lehrsaales habt entnehmen können, um was es sich in diesem großen Lehrgebäude handelt – um nichts anderes als um die zehn Gebote Moses und endlich um die zwei Gebote der Liebe.

[2.76.2] In einem jeden darauffolgenden Saal wird ein neues Gebot praktisch gelehrt und geübt, und das durchgehends auf dieselbe Weise, wie ihr es mit dem ersten Gebot hier in dem ersten Saal zu beobachten hinreichend Gelegenheit gehabt habt.

[2.76.3] So wird sogleich in dem nächsten Saal das Gebot: „Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen“ – verhandelt. Solches versteht ihr auch freilich wohl nicht, was dieses Gebot im Grunde besagt, darum will ich euch auch in die rechte Bedeutung dieser Gebote durch kleine Stupfer und Stößchen versetzen.

[2.76.4] Demnach wird hier in diesem zweiten Saal dieses Gebot nicht etwa also ausgelegt, als solle da niemand bei unwichtigen Gelegenheiten ohne gebührende Hochachtung und Ehrfurcht den wie immer lautenden Namen des Herrn aussprechen, welches Interdikt gewisserart so viel als gar nichts heißen würde. Denn so da jemand der Meinung ist, er müsse den Namen des Herrn nur im äußersten Notfall und da allzeit mit der allerhöchsten Ehrfurcht und Ehrerbietung aussprechen, so will das nicht mehr und nicht weniger gesagt haben als: man soll den Namen Gottes gewisserart gar nie aussprechen, indem hier zwei Bedingungen vorausgesetzt sind, unter denen der Name Gottes ausgesprochen werden soll. Diese Bedingungen aber sind fürs Erste selbst auf solche Schrauben basiert, von welchen aus sicher kein Mensch in sich zu jener Überzeugung gelangen kann, bei welcher Gelegenheit solch ein äußerster Notfall zum Vorschein kommt, bei dem man würdigermaßen den allerheiligsten Namen aussprechen dürfte. Und fürs Zweite, wenn auch ein solcher Fall sich ereignen möchte, wie z. B. eine alleraugenscheinlichste Lebensgefahr, welche unter verschiedenen Zuständen den Menschen heimsuchen kann, so fragt sich aber dann dabei, ob wohl irgendein Mensch in solch einem äußerst bedenklichen Zustand diejenige Geistesgegenwart und diejenige Fassungskraft besitzen wird, in der er oberwähnter würdigstermaßen den wie immer gestalteten Namen des Herrn auszusprechen vermöchte?

[2.76.5] Wenn ihr also die Erklärung dieses zweiten Gebotes betrachtet, wie sie gewöhnlich auf der Erde vorkommt, so müsst ihr notwendig zu diesem Endurteil gelangen, dass der Name des Herrn eigentlich gar nie ausgesprochen werden solle, und das aus dem einfachen Grunde, weil die zwei gegebenen Bedingungen wohl kaum denkbar je miteinander übereinstimmen können. Denn ich möchte wohl denjenigen Menschen auf der Erde kennen, der in seiner höchsten Bedrängnis sich in jenen ruhig erhabenst ehrerbietigsten und andächtigsten Zustand versetzen möchte, in welchem er würdigermaßen den Namen des Herrn aussprechen dürfte.

[2.76.6] Wenn solches richtig wäre, so dürfte auch kein Mensch beten, denn im Gebet nennt er ja auch den Namen des Herrn. Der Mensch aber soll doch tagtäglich beten und Gott die Ehre geben und soll nicht auf den äußersten Notfall das Gebet beschränken.

[2.76.7] Es geht aber aus allem hervor, dass dieses Gebot unrichtig aufgefasst ist. Um aber aller Grübelei darüber mit einem Hieb ein Ende zu machen, sage ich euch in aller Kürze, wie dieses Gebot im Grunde des Grundes solle aufgefasst werden, – und sonach heißt: „Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen“ so viel als:

[2.76.8] Du sollst den Namen Gottes nicht bloß mit dem Namen nennen, nicht bloß nur den artikulierten Laut von ein paar Silben aussprechen, sondern, da Gott der Grund deines Lebens ist, so sollst du Ihn auch allzeit im Grunde deines Lebens aussprechen, das heißt, du sollst Ihn nicht mechanisch, sondern allzeit lebendig werktätig aussprechen; denn was immer du tust, das tust du mit der von Gott dir verliehenen Kraft. Verwendest du diese Kraft zu argem Handeln, so entheiligst du offenbar das Göttliche in dir; und dieses ist deine Kraft, der lebendige Name Gottes!

[2.76.9] Seht, so viel also sagt dieses Gebot, dass man den Namen Gottes fürs Erste erkennen soll, was Er ist, und worin Er besteht; und soll dann denselben nicht eitel mit äußeren Worten nur aussprechen wie einen anderen Namen, sondern allzeit tatkräftig, weil der Name Gottes die Tatkraft des Menschen ist. Daher soll der Mensch auch alles, was er tut, in diesem Namen tun. Und tut er das, so ist er einer, der den Namen Gottes nicht eitel mit äußeren Worten, sondern tatkräftig und lebendig in sich ausspricht.

[2.76.10] Und seht, auf diese Weise, also praktisch, wird dieses zweite Gebot in diesem zweiten Saal den Schülern gelehrt, und so lange bei jedem durchgeübt, bis er darin eine gerechte Fertigkeit überkommen hat. Hat er das, so geht es dann in den dritten Saal zum dritten Gebot über, welches, wie ihr wisst, da lautet:

[2.76.11] „Du sollst den Sabbat heiligen.“ Was will aber das sagen, besonders hier, wo keine Nacht mehr mit dem Tag wechselt, und somit nur ein ewiger Tag fortwährt? Wann ist da wohl Sabbat? Ist das Gebot aber göttlicher Abkunft, so muss es eine ewige und nicht nur zeitliche Regel sein und muss im Reich der Geister diejenige vollgültige Bedeutung haben wie auf der Erde.

[2.76.12] Bei euch heißt es, man soll an dem als Sabbat gebotenen Feiertag durchaus keine knechtliche Arbeit verrichten, worunter nämlich alle Erwerbstätigkeit verstanden werden soll. Wohl aber ist es erlaubt, Spektakel aufzuführen, zu spielen, gleich den Heiden zu tanzen. Einen Tag vor dem Sabbat zu fasten ist geboten, um an dem Sabbat desto besser und mehr fressen zu können. Also ist auch den Wirten erlaubt, ihre Speisen zu verkaufen und ihre Gäste an einem Feiertag mehr als an einem sonstigen zu betrügen. Das heißt demnach rechtlichermaßen den Sabbat heiligen; nur keine mehr gesegnete Arbeit auf dem Feld und auf dem Acker darf verrichtet werden, alles andere aber ist für den Sabbat tauglich.

[2.76.13] Der Herr aber hat auf der Welt gezeigt, dass man auch am Sabbat gar füglich arbeiten und Gutes wirken kann. Wenn aber der Herr Selbst am Sabbat gearbeitet hat, da meine ich, solle jeder Mensch des Beweises genug haben, dass da unter Heiligung des Sabbats etwas ganz anderes verstanden werden soll als nicht zu arbeiten und in die Hände nehmen, was nützlich und ersprießlich ist.

[2.76.14] Was aber wird demnach unter der Heiligung des Sabbats verstanden? Was ist der Sabbat? Ich will euch ganz kurz sagen:

[2.76.15] Der Sabbat ist weder der Samstag, noch der Sonntag, noch der Oster- oder der Pfingstsonntag, noch irgendein anderer Tag in der Woche oder im Jahr, sondern er ist nichts anderes als der Tag des Geistes im Menschen, das göttliche Licht im menschlichen Geist, die aufgehende Sonne des Lebens in der menschlichen Seele. Und das ist der lebendige Tag des Herrn im Menschen, den er fortwährend mehr und mehr erkennen und heiligen soll durch alle seine Handlungen, die er verrichten soll aus Liebe zu Gott und daraus aus Liebe zu seinem Nächsten.

[2.76.16] Da aber der Mensch diesen heiligen Ruhetag des Herrn im Gewühl der Welt nimmer finden kann und mag, daher soll er freilich wohl sich von der Welt zurückziehen und diesen Tag des Lebens der heiligen Ruhe Gottes in sich suchen.

[2.76.17] Darum war auch dem Volk der Israeliten geboten, wenigstens einen Tag in der Woche dazu zu bestimmen, an welchem es sich von weltlichen Geschäften zurückziehen und allein diesen Tag des Lebens in sich suchen sollte. Aber man beobachtete das Gesetz bloß äußerlich materiell und brachte es auf diesem Wege am Ende so weit, dass man nicht einmal den Herrn des Sabbats erkannte, den heiligen Vater nicht, als Er von unendlichster Liebe getrieben zu Seinen Kindern kam auf die Erde!

[2.76.18] Ich meine, aus diesen Worten dürfte es euch völlig begreiflich sein, was da unter der Heiligung des Sabbats verstanden und wie diese gehandhabt werden soll.

[2.76.19] Und zugleich aber dürfte euch auch begreiflich sein, ob sich eure Sonntagsheiligung wohl als eine Sabbatsheiligung in der Wahrheit ausnimmt, ob man durch eine Stunde kirchlichen Andachtsdienstes, dann aber durch lauter Weltunterhaltungen wohl zum innern, ewig lebendigen Ruhetag des Herrn gelangen kann.

[2.76.20] Wenn ich auf der Erde mit euch wäre, da möchte ich wohl einen sehr großen Preis auf den Beweis stellen, ob sich durch das Kirchenlaufen, dann durchs tüchtige Fressen, endlich durchs Spazierengehen, Fahren oder Reiten, mitunter auch durchs Tanzen, Spielen und Saufen, durchs nicht seltene Lügen und Betrügen, durchs gewöhnlich ehrabschneiderische Visitemachen und dergleichen Unternehmungen mehr der wahre Sabbat im Geiste finden und heiligen lässt. Wer weiß, ob es nicht Philosophen gibt, die solchen Beweis zu liefern imstande wären; – bei uns möchte er sich freilich ausnehmen wie eine falsche Münze.

[2.76.21] Dass allhier den Kindern auf praktische Weise nur die lebendige Sabbatsheiligung gelehrt und eingeübt wird, braucht kaum näher erwähnt zu werden. Und ihr könnt euch daraus einen gründlichen Begriff machen, wie im Grunde des Grundes diese Gebote des Herrn tatsächlich sollen verstanden werden.

[2.76.22] Also aber, wie mit diesen zwei Geboten und vorhin mit dem ersten, wollen wir in aller Kürze auch noch die anderen durchgehen, damit ihr den gehörigen Begriff überkommt, in welchem Sinne alle die Gebote hier den Kindern beigebracht werden. Und so wollen wir fürs Nächste sogleich das vierte Gebot im vierten Saal in aller Kürze betrachten.

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