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73. Das Schulhaus der göttlichen Gebote. Das erste Gebot

(Am 11. September 1843 von 5 – 6 1/2 Uhr nachmittags.)

[2.73.1] Wir dürfen von hier keine gar große und weite Reise machen, der nächste Garten wird sogleich vor unseren Augen stehen. Seht hin, in einer mäßigen Entfernung begrüßen uns schon unabsehbar weit gedehnte Baumreihen, hinter denen wir einen überaus großen und ebenmäßig prachtvollen Palast erblicken. Das ist schon der nämliche Garten, in welchen wir zu kommen haben, in diesem werdet ihr auch sogar diejenigen Kinder antreffen, die euch der Herr auf der Erde genommen hat.

[2.73.2] Ob ihr sie aber sogleich erkennen werdet, das ist freilich wohl eine andere Frage; denn im Geist haben die Kinder nicht mehr das Anähnelnde der Gestalt ihrer irdischen Eltern, sondern nur das Anähnelnde in entsprechendem Maße nach der Aufnahmefähigkeit für das Liebegute und Glaubenswahre aus dem Herrn mit dem Herrn. Dessen ungeachtet aber können sie auch bei gewissen Gelegenheiten das irdisch Anähnelnde, welches in ihrer Seele haftet, annehmen und sich dadurch der Form nach denjenigen kennbar machen, welche von der Erde hier anlangen und von den geistigen Verhältnissen noch eben nicht gar zu viel wissen.

[2.73.3] Wir wollen aber vorderhand nicht zu lange davon sprechen, sondern uns lieber sogleich in den Garten begeben, um uns allda von allem dem mit den eigenen geistigen Augen zu überzeugen, was wir sonst nur mit dem Mund hier ausfechten müssten.

[2.73.4] Seht, an den Baumreihen sind wir schon, welche in vielen Reihen oder Alleen allda gesetzt sind, in denen ihr die schönsten blumigsten Wege entdeckt und auch hier und da Kinder munter auf denselben wandeln seht. Gehen wir aber nur tiefer hinein, und wir werden uns sobald bei dem erst geschauten Palast befinden.

[2.73.5] Seht, da steht er schon vor uns, und das in einer nahe unabsehbar weit gedehnten Länge. Tausendmal tausend Fenster laufen in einer Reihe fort. Ein jedes ist bei sieben Klafter hoch. Über der Höhe der Fenster entdecken wir noch eine kleinere Fensterreihe, welche jedoch überall genau über den unteren großen Fenstern zu stehen kommen.

[2.73.6] Ihr sagt und fragt hier: Aber um des Herrn willen, ist dieses ganze Gebäude, dieser unabsehbar lange Palast, nur der einzige Saal? – Ich sage euch: Solches ist er mitnichten, sondern er besteht aus zwölf Abteilungen. In der Höhe aber, da ihr die zweite Reihe der kleinen Fenster bemerkt, läuft ununterbrochen eine herrliche und breite Galerie um den ganzen Saal, von welcher Galerie aus man, ohne die Schüler gewisserart zu ebener Erde zu stören, alle die zwölf Abteilungen nacheinander übersehen und sich da überzeugen kann, was alles in ihnen vorkommt. Gehen wir aber nun hinein, damit euch alles klar werde.

[2.73.7] Seht, da sind wir schon am Eingang. Wir brauchen aber nicht auf die Galerie hinaufzugehen, da wir diesen kleinen Kindergeistern ohnehin zum größten Teil unsichtbar bleiben müssen. Bemerkbar werden wir nur den Lehrern; diese aber sind schon unterrichtet, warum wir hier sind.

[2.73.8] Nun seht, hier sind wir schon im ersten Saal. Was seht ihr in der Mitte dieses großen Saales auf einer weißen Tafel, welche auf einer Säule aufrecht stehend angebracht ist, geschrieben? Ihr sagt: Zuoberst die uns wohlbekannte Zahl 1, die sicher die Nummer des Saales sein wird, und unterhalb: Weg zur Freiheit des Geistes! – Das Eins bedeutet, sage ich euch, nicht die Nummer des Saales, sondern es bezeichnet das erste Gesetz Gottes durch Moses.

[2.73.9] Ihr fragt: Was sollen aber die vielen Kinder, die wir hier schon ziemlich erwachsen erschauen, mit dem irdischen Gesetz Moses, welches wohl für Sterbliche, irdisch ungläubige Menschen gilt, aber doch sicher nicht für Kinder, welche als reine Geister hier schon lange die lebendigste Überzeugung von dem Dasein des einen Gottes haben, indem ihnen solches doch schon bei dem ersten Elementarunterricht, wie wir solches gesehen haben, zur Übergenüge lebendigst anschaulich bei jeder Gelegenheit gezeigt wird?

[2.73.10] Meine lieben Freunde und Brüder, die Sache verhält sich ganz anders, als ihr meint. Ähnliches findet ihr aber auch auf der Erde, allda ihr auch die Kinder fragen und betrachten könnt, wo ihr wollt, und ihr werdet bei ihnen überall einen wirklich lebendigen Glauben an einen Gott antreffen. Denn niemand ist gläubiger als die Kinder, und es gibt doch nicht leichtlich irgendein so böswilliges Elternpaar, das da seinen Kindern, wenigstens zu Anfang ihres Seins, verweigern möchte, einen Gott zu erkennen, indem solches jede Religion vorschreibt und den Eltern wenigstens aus politisch-moralischen Gründen solches ihre Kinder erlernen und erkennen zu lassen, zur Pflicht gemacht wird.

[2.73.11] Sollte man da nicht eben auch glauben, dass solchen von Gott unterrichteten Kindern nach der Zeit kein fernerer Unterricht von Gott nottut? Ihr müsst da selbst bekennen und sagen: Ja, ein solcher Unterricht tut jedermann bis an sein letztes Lebensende not; denn nur gar zu leicht werden die ersten Eindrücke in den Kinderjahren verwischt, und dann stehen die den Kinderschuhen entwachsenen Menschen da, als hätten sie nie etwas von Gott gehört. – Ich sage euch: ein solches Verwischen ist hier freilich wohl nicht leichtlich möglich; aber das müsst ihr doch annehmen, dass diese Kinder, zufolge ihrer frühen Hierherkunft, auf der Erde keine Gelegenheit hatten, die Freiheitsprobe für ihren Geist, welche ist die eigentliche Lebensprobe, zu bestehen. Daher muss diese überaus wichtige Aktion für das Leben des Geistes allhier ins vollste Werk gesetzt werden. Denn bisher waren diese Kindergeister nur gewisserart geistig lebendige Maschinen. Hier aber handelt es sich ums Lebendigwerden aus ihnen selbst, und darum müssen sie auch alle diejenigen Gebote kennenlernen, dieselben dann werktätig an sich selbst erproben und erfahren, wie sich ihr selbst lebendiges geistiges Wesen unter einem gegebenen Gesetz verhält.

[2.73.12] Und so denn ist auch hier das erste Gebot gegeben, welches da lautet: „Du sollst an einen Gott glauben und dir nie denken, als gäbe es entweder keinen Gott, oder es gäbe zwei, drei oder mehrere Götter.“

[2.73.13] Hier fragt es sich dann freilich wieder weiter: Wie kann man denn demjenigen an einen Gott zu glauben gebieten, der ohnehin an einen Gott lebendig glaubt und keinen Zweifel darüber hat? Das ist fürwahr eine gute Bemerkung; darum aber werden eben hier die Kinder von ihren Lehrern durch allerlei Lehre und Taten in einen solchen Zustand versetzt, in welchem sie von allerlei Zweifeln über das Dasein Gottes behaftet werden, welche Unterrichtsweise man hier die Abödung des eigenen Geistes nennt.

[2.73.14] Um aber solches bei diesen Kindern zu bewirken, lassen die Lehrer nicht selten die merkwürdigsten Dinge wie zufällig vor den Augen ihrer Schüler entstehen, lassen sie dieselben betrachten und fragen sie dann, ob dazu Gott vonnöten war, den sie doch dabei nicht als handelnd gesehen haben. Sagen da die Kinder, Gott kann solches bloß durch Seinen Willen bewirken, ohne dabei wesenhaft notwendig gegenwärtig zu sein, da lassen die Lehrer ihre Schüler selbst verschiedene Dinge denken, und was da gedacht wird von den Kindern, das steht schon fertig da. Dabei fragen dann die Lehrer die Kinder wieder, wer nun solches getan habe.

[2.73.15] Dadurch werden schon mehrere ins Zwielicht gebracht. Einige sagen, solches hätten sie selbst getan, andere wieder meinen, es haben solches die Lehrer nach der Erkenntnis der Gedanken in den Schülern getan. Einige aber sagen, sie hätten sich solches wohl gedacht; es müsste doch ein allmächtiger Gott es zugelassen haben, darum das von ihnen Gedachte als ein vollendetes Werk vor ihnen erschien.

[2.73.16] Wenn die Schüler so ziemlich noch immer beim festen Glauben an einen Gott verbleiben, da fragen sie dann die Lehrer, woher sie denn das wüssten, dass es einen Gott gebe. Die Schüler antworten ihnen da gewöhnlich: Solches haben uns die ersten weisen Lehrer gelehrt. – Nun fragen sie aber diese Lehrer und sagen: Was würdet ihr denn dann sagen, so wir als die offenbar weiseren Lehrer sagen und lehren, dass es keinen Gott gibt, und dass das alles, was ihr seht, von uns gemacht und errichtet ist? Und was werdet ihr sagen, wenn wir von uns aussagen, dass wir die eigentlichen Götter sind?

[2.73.17] Seht, hier stutzen die Kinder ganz gewaltig und fragen dann die Lehrer, was sie denn nun in diesem Falle tun sollten?

[2.73.18] Diese aber sagen zu ihnen: Sucht in euch, was ihr da tun müsst; gibt es einen Gott, so müsst ihr Ihn in euch finden, und gibt es keinen, so werdet ihr auch ewig keinen finden.

[2.73.19] Wenn dann die Kinder fragen, wie sie in sich ein solches Suchen anstellen sollten, da sagen die Lehrer: Versucht, den Gott, den ihr meint, dass Er ist, in euren Herzen also zu lieben, als wäre Er einer. Nehmt in solcher Liebe zu, und wenn es einen Gott gibt, so wird Er euch in eurer Liebe antworten, gibt es aber keinen, da werdet ihr in euren Herzen keine Antwort bekommen.

[2.73.20] Seht, hier fangen die Schüler an, in ihr Inneres zu gehen und fangen an, den früher bloß nur kindlich geglaubten Gott im Ernst zu lieben. Aber da geschieht es, dass Sich Gott der Herr nicht sobald meldet, und unsere Kinder dadurch in nicht geringe Zweifel kommen. Wie sie aber aus diesen gebracht werden, wird der Verfolg zeigen.

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