(Am 13. Juli 1843 von 5 1/2 – 7 Uhr nachmittags.)
[2.42.1] Seht, unser Aufmarsch ist besser gegangen, als ihr euch es gedacht habt. Wir sind, wie ihr seht, sonach auch schon im siebten Stockwerk oder auf der achten Galerie. Wie findet ihr diesen Platz?
[2.42.2] Ihr sagt: Lieber Freund, hier sieht es schon sehr luftig aus; die Säulen der Rondeaus sind wie aus dem feinsten durchsichtigsten Glas, der Boden, auf dem wir stehen, ist ebenfalls aus einer blau-weißlichten Materie, welche überaus stark glattglänzend ist. Die Geländer, welche von Säulenrondeau zu Säulenrondeau diese Galerie umfassen, sind ebenfalls von einem sehr durchsichtigen Material angefertigt, so dass man durch dasselbe mit nur höchst unbedeutender Schwächung des Augenlichtes schauen kann, und so wir aufwärts schauen zum Plafond, so ist auch dieser von einer gleichen licht-bläulichen Masse angefertigt, welche ebenfalls schon so ziemlich durchsichtig zu sein scheint; denn man sieht ja stellenweise recht bequem in die neunte Galerie hinauf.
[2.42.3] Ja, meine lieben Freunde und Brüder, das ist alles richtig also. Ihr möchtet wohl wissen, ob diese schon sehr stark durchsichtige Materie von eben der Festigkeit ist, wie jene etwas weniger durchsichtige der unteren Stockwerke? Ich sage euch: Dessen könnt ihr vollkommen versichert sein; denn je durchsichtiger im harten Zustand irgendeine Materie hier ist, desto fester ist sie auch in ihren Teilen.
[2.42.4] Ihr sagt: Da wäre es ja doch in der Bauordnung, das Festere in den Grund zu legen, der ja doch die ganze Last des Gebäudes zu tragen hat, und das weniger Feste, weil weniger Durchsichtige in den oberen Teilen eines solchen Gebäudes zu verwenden, wo das Gebäude stets leichter und leichter wird.
[2.42.5] Ihr urteilt nach eurer Art recht, und für die Bauordnung auf eurem Erdkörper wäre also auch sicher besser gesorgt; aber eine andere Welt, eine andere Bauordnung. Solches aber wisst ihr dennoch, dass die harten Gegenstände spröde und leicht springbar sind, während die weniger harten wohl noch immer eine große Festigkeit haben, sind aber dabei dafür mehr schmiegsam, weniger gebrechlich und können daher unbeschädigt einen desto größeren Druck aushalten als die ganz harten Gegenstände. Was nehmt ihr an, was da wohl härter sei, eine Kugel aus gediegenem Glas oder eine Kugel aus gediegenem Kupfer? Um das Kupfer zu schneiden oder zu ritzen, bedarf es wahrlich nicht der härtesten Schneidewerkzeuge; mit einem gewöhnlichen Brotmesser könnt ihr ohne Anstrengung ganz bedeutende Partikel davon schneiden oder schaben. Um die gläserne Kugel zu lädieren, braucht ihr schon überaus harte Gegenstände wie feinen Quarz, allerhärtesten, feinsten Stahl oder den Diamant. Nun aber nehmt die beiden Kugeln, stellt über eine jede ein Gewicht von tausend Zentnern und gebt einer jeden eine vollkommen harte Unterlage. Die gläserne Kugel wird zu weißem Staub erdrückt werden, aber die kupferne wird mit einiger eben nicht zu bedeutenden Plattdrückung davonkommen.
[2.42.6] Aus diesem Beispiel könnt ihr hinreichend erschauen, warum bei diesem Gebäude die härteren Materialien zuoberst sind verwendet worden. Zuunterst würden sie höchstwahrscheinlich das Geschick der gläsernen Kugel unter dem Gewicht von tausend Zentnern gehabt haben; hier aber sind sie davor schon vollkommen gesichert und für die Tragung der noch über ihnen ruhenden Last hinreichend fest und stark genug, und wir haben unterdessen durch unser Gewicht schon gar nichts zu befürchten.
[2.42.7] Dass aber hier alles härter, spröder und durchsichtiger wird, hat einen bedeutungsvollen Sinn, über den man aber ebenfalls nicht gar zu viel sagen kann, wie man von der harten Materie selbst durch die festesten Werkzeuge eben nie gar zu große Brocken ablösen kann. Der Diamant bei euch auf der Erde ist sicher der härteste und zugleich auch der allerdurchsichtigste Körper; aber die ihn schleifen, oder nach eurer Kunstsprache „schneiden“, die werden es euch genau zu sagen wissen, was dazu gehört, um nur atomgroße Teile von ihm abzulösen.
[2.42.8] Seht, also verhält es sich aber auch mit der stets reiner werdenden Weisheit; ein Brocken von ihr ist härter zu verzehren und zu zerlegen als eine ganze Welt voll Liebe. Man könnte sagen: Ein solcher Weisheitsknäuel gleicht einem Bündel Flöhe, welche, wenn das Bündel geöffnet wird, mit der größten Hast davonhüpfen, und es gehört viel Behändigkeit dazu, um aus Tausenden irgendein paar matt gewordene zu erhaschen. Daher lässt sich auch, wie gesagt, über die harte und durchsichtige Beschaffenheit des Materials dieses siebten Stockwerkes oder dieser achten Galerie nicht mehr gar zu viel sagen.
[2.42.9] So viel aber ist gewiss und klar, dass die Gegenstände im Licht der Weisheit, d. h. der absoluten Weisheit stets durchsichtiger, aber dafür stets desto undurchdringlicher werden; und je höher sie steigen, desto durchsichtiger und härter werden sie, so zwar, dass man am Ende auf der festen Materie steht und geht, aber man sieht sie vor lauter Durchsichtigkeit nicht mehr. Also ist es auch mit der absoluten Weisheit der Fall. Man hat wohl einen Grund, auf dem man sich befindet; aber das ist dann schon auch alles, was man von dem Grund herausbringt. Wollt ihr ihn näher untersuchen, und zwar mit euren Augen, so werdet ihr, je länger von euch ein solcher Körper beobachtet wird, ihn stets mehr aus dem Licht eures Gesichtes verlieren und werdet selbst da, wo ihr wenigstens auf den ersten Blick etwas zu erschauen vermeintet, nichts mehr erschauen.
[2.42.10] Ist es nicht ebenso mit der absoluten Weisheit? Ja, solches mögt ihr schon aus so mancher Erfahrung wissen. Sollte euch aber die Sache noch nicht hinreichend klar sein, wie sich die absolute Weisheit entsprechend zu dem Baumaterial dieses großen Wohngebäudes verhält, da will ich euch nur beispielsweise so ein kleines Weisheitsbröckchen hinwerfen, und ihr könnt daran nagen, wie ihr wollt, und schaben, wie ihr wollt, und ihr werdet nichts herausbringen. Und so hört denn!
[2.42.11] Sieben Kreise sind ineinander verschlungen; die Kreise durchdringen sich, die durchdrungenen verzehren sich und die verzehrten erheben sich in die, so nicht verzehrt sind, und die sieben Kreise haben kein Maß und keinen Mittelpunkt. Sie sind sieben ohne Ende; eine Zahl, welche durchdringt den Kreis der sieben, und die sieben den einen!
[2.42.12] Seht, das ist so ein Bröckchen absoluter Weisheit! Ich habe euch damit in wenig Worten so ungeheuer vieles gesagt, dass ihr dasselbe mit gewöhnlichen Begriffen in alle Ewigkeit nicht auseinandersetzen würdet. So ihr aber den Weisheitssatz lest, da wird es euch auf den ersten Augenblick vorkommen, als müsstet ihr daraus zu irgendeiner, wenn schon nicht Total-, so doch Partial-Löse kommen. Versucht aber nur, daran zu schaben und zu feilen und setzt das Mikroskop eures Verstandes an diese Materie; je mehr ihr euch damit abgeben werdet, desto luftiger wird die Materie und desto weniger ersichtlich in ihr, und sie selbst stets mehr und mehr dem Augenlicht eures Verstandes entschwindend.
[2.42.13] Ich meine, ihr werdet genug haben, um daraus zu der Einsicht zu kommen, dass für einen noch gebundenen Geist mit der absoluten Weisheit nicht viel zu machen ist. Daher bleiben wir nur hübsch schön bei der Kost, welche der gute heilige Vater für uns bereitet und gesegnet hat; zu einer Zeit aber, wenn euer Geist ungebundener wird, werdet ihr auch von der absoluten Kost mehr herabzubeißen imstande sein denn jetzt. So aber dem Weisen das Wenige genügt, da werden auch wir bei den geringeren Brocken, welche sich uns auf diesen Weisheitsgalerien darstellen werden, zur vollsten Genüge bekommen. Wir haben aber hier noch das Zierakulum des Säulenrondeaus vor uns; betrachtet es, und wir wollen dann sehen, wie viel sich vom selben wird herabzwicken lassen.
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