(Am 9. Juni 1843 von 5 – 6 1/2 Uhr nachmittags.)
[2.23.1] Seht, soeben tritt wieder unser Ältester hervor und spricht zu all den Anwesenden: Meine geliebten Kinder und Kindeskinder! Ihr wisst, woher wir diejenigen Steine nehmen, welche als selbstleuchtende Sterne gar köstlich eingelegt sind in die anderen kostbaren Bausteine. Es ist der Grund der großen Gewässer, welche gar tief sind, aus dem sie unsere wohlgeübten Wassertaucher holen. Also ist alles Herrliche, Große und Kostbare in schwer zugänglichen Tiefen verborgen; also sind auch wir oberflächlich wohl befähigt für tiefe Weisheit von Gott dem Allmächtigen erschaffen.
[2.23.2] Da wir einmal da sind, so empfinden wir unser Dasein unter gar keinen Schwierigkeiten; es lässt sich so ganz leicht in einem Zuge hindurch leben. Wollen wir aber die in uns vorhandenen Fähigkeiten beleben, wollen wir in die Tiefe der Weisheit dringen, dann wird das Leben kein Scherz mehr, sondern es unterliegt dann einem großen Ernst und einem angestrengten Forschen nach dem, was der göttlichen Weisheit entspricht.
[2.23.3] Menschen, die den großen Schatz in der Tiefe ihres Lebensmeeres gefunden haben, werden dann ebenfalls wie das Meer selbst. Sie sind ihrem Außen nach wogend gleich anderen Menschen, und dieses Wogen spricht sich in mannigfacher weiser Tätigkeit aus.
[2.23.4] Der Unterschied zwischen der wogenden Tätigkeit geweckter und gewöhnlicher Menschen besteht darin, dass der in sich selbst Geweckte tut und handelt nach dem in ihm vorgefundenen ewigen Gesetz der göttlichen Ordnung. Der gewöhnliche Mensch aber handelt nach den von außen her gegebenen Gesetzen, welche da entstammen dem lebendigen Gesetz derer, die da in sich gefunden haben die innere Weisheit, welche in sie gelegt hat vom Urgrund schon die allerhöchste Weisheit des Schöpfers.
[2.23.5] Wenn aber demnach zwischen den selbst geweckten und den bloß äußerlich nachahmenden Menschen beinahe gar kein wesentlicher Unterschied zu erkennen ist, wie kann man demnach erforschen und aus der Erfahrung klar werdend sagen: Siehe, das ist ein Selbstgeweckter und das nur ein bloß äußerer Nachahmer?
[2.23.6] Meine geliebten Kinder und Kindeskinder! Seht alle hin auf den Altar, allda noch die geheiligte Flamme lodert. Welcher aus euch hatte wohl Mut, nach dem Vernehmen der Bedingungen zur Erlangung der Kindschaft Gottes seine Hand zu legen auf den Altar?
[2.23.7] Als ich euch die Anforderungen aus meiner Weisheit gezeigt hatte, da bebtet ihr alle, und ein jeder schauderte vom Altar der Umwandlung zur Kindschaft Gottes zurück. Aber eine Jungfrau – welche wohl die schlichteste in diesem meinem Palast war, so dass da niemand aus uns allen ahnen mochte, dass in eben diesem gar schlichten jungfräulichen Wesen eine so tiefe Weisheit als vollkommen geweckt zugrunde lag (ihr Werk bürgt uns dafür) – zeigte uns allen, wie diejenigen Menschen geartet sind und sein sollen, in denen die innere Weisheit geweckt ist durch die stille Selbsttätigkeit und Selbstforschung des eigenen Geistes.
[2.23.8] Wir sind Bewohner dieses Hauptpalastes, tiefe und innere Weisheit soll uns darob auszeichnen vor allen anderen gewöhnlichen Menschen; wie aber steht es mit unserer männlichen Weisheit, wenn sie zuschanden ward vor einer schwachen Jungfrau? Ja, wie steht es dann mit unserer Weisheit, wenn in den Wohnhäusern untergeordneter Menschen sich ebenfalls so beherzte Weise vorfinden sollten, die da Mut genug besitzen – in aller Demut und Liebe zu Gott – ihre Hände auf den Altar Gottes zu legen?
[2.23.9] Ihr zuckt mit den Achseln und macht mit dem Kopf und mit den Augen eine zweideutige Bewegung, ich aber sage euch: Fürwahr, unsere Weisheit ist gleich dem Schaum des Meeres, dessen Blasen auf ihrer Oberfläche zwar auch ein schönes Farbenspiel schillern lassen; aber man darf so eine schillernde Blase nur anhauchen und sie ist samt ihrem Farbenspiel wie aus dem Dasein völlig verschwunden.
[2.23.10] Die Weisheit solcher aber, die da gleichen der Jungfrau hier, die Mut genug besaß, um zu legen ihre Hand auf den Altar, ist gleich demjenigen herrlichen Gestein im tiefen Grund des Meeres, mit welchem wir wohl das Gemäuer unserer Wohnung in Sternenform zieren und legen in die Figuration der Sterne des Propheten Worte. Wir selbst aber sind kaum gleich den flachen Bausteinen, deren Oberfläche, aber nicht deren Inneres, mit den strahlenden Steinen beschrieben ist.
[2.23.11] Wer aus euch kann diesen meinen Ausspruch wohl werktätig widerlegen? Wer hat aus euch noch Mut, seine Hand zu legen auf den Altar, allda noch die Flamme lodert? Ich sehe keinen aus euch sich erheben und hervortreten, sondern ihr alle zieht euch zurück, und niemand aus euch erwidert mir etwas.
[2.23.12] Was sollen wir denn tun, da noch die Flamme lodert? Ich will euch einen Rat geben und dieser lautet also: Fallt alle nieder auf eure Angesichter vor dem Altar Gottes, lobt und preist den allmächtigen Gott, damit Er uns alle wenigstens insoweit tiefer erwecken möchte, dass wir dadurch wenigstens das erkennen möchten in der Tiefe unseres Lebens, wie viel uns noch abgeht, um zu werden, was da geworden ist unsere Schwester, unsere weise Jungfrau.
[2.23.13] Und sollten wir auch nimmer den hohen Mut überkommen, zu legen unsere Hände auf den Altar, so aber bitten wir doch Gott, den Allmächtigen, Er möchte uns wenigstens auf dieser Welt insoweit durch Seine unendliche Weisheit beleben, dass wir dann allzeit als wahrhaft weise Vorbilder denen vorwandeln könnten, die in großen Volksmengen diesem unserem Hauptpalast allzeit untertänig sind, und sich’s für das größte Glück schätzen, von diesem Hauptpalast aus irgendeine Begünstigung oder gar eine Braut zu überkommen. Und wir sind, wie es sich jetzt gezeigt hat, bei aller unserer sonstigen Weisheit dumm genug und geben, wenn es sich um eine Braut handelt, sicher allzeit die Weiseste her; während wir in der Meinung sind, gerade diejenige herzugeben, welche für unseren Palast am wenigsten taugt. Ist es aber auch recht, dass wir so tun?
[2.23.14] Ich sage: In Hinsicht dessen, wie wir es tun, ist es unrecht; aber in Hinsicht dessen, wie der allmächtige Gott Himmels und der Erde Sich auch unsere Dummheit zinspflichtig machen kann, ist es vollkommen recht, was da geschieht, und ganz besonders bei solchen Brautgaben, wenn unsere Dummheit hinters Licht geführt wird und der allweise Gott eine Blume aus unserem Hauptpalast hinwegnimmt, deren eben dieser unser Palast nicht wert ist, also wie wir selbst es nicht wert sind, dass da diese heilige Flamme noch in gleicher Stärke fortlodert auf dem Altar Gottes.
[2.23.15] Wie sehr ich aber in dieser meiner Rede an euch alle recht oder unrecht habe, dafür spricht sehr gewaltig die große außerordentliche Wunderpracht dieser unserer großen Patriarchalwohnung.
[2.23.16] Sagt mir, wer aus uns hat wohl je einen Stein herbeigeschafft und wer je einen Bauplan entworfen? Seht, das alles ist ein Werk derjenigen Menschen in der flachen Ebene drunten, welche uns, d. h. unserer sein sollenden tiefen Weisheit liebewillig untertänig sind. Wenn aber solches unleugbar der Fall ist, so ist es [dem] gegenüber aber auch klar, dass in der tiefen Flachheit unserer großen Landschaften es Menschen gibt, denen wir nicht würdig sind, ins Angesicht zu blicken.
[2.23.17] Wenn demnach aber solche Menschen sich durch die Verdienste ihrer Weisheit unserem Palast nähern, um sich zu erwerben eine bessere Braut, ist es dann nicht vollkommen recht und allerbilligst, dass ihnen eben die Allerwürdigste zuteilwird? Ja, meine lieben Kinder und Kindeskinder, was Gott der Allmächtige tut, das allein ist wohlgetan; und also ist es ums Unvergleichliche besser, dass wir unsere Töchter den Freunden Gottes geben zu ihrer Freude, als dass wir sie ihnen vorenthalten und sie behalten für unsere eigene große Dummheit.
[2.23.18] Und so denn fallt samt mir nieder vor dem Altar und bittet um so viel Weisheit, dass ihr euch nicht heimlich schämen müsst vor denen, die vor uns gering sein wollen. Und in der Flamme werden wir dann gar deutlich lesen, was uns zu tun übrigbleibt, um zu erreichen dasjenige von Gott, das uns mehr frommen soll, denn unsere Dummheit. Also geschehe es, Amen!
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