(Am 30. Mai 1843 von 4 1/4 – 6 1/4 Uhr nachmittags.)
[2.20.1] Da stehen wir schon am Eingangstor; aber wie es mir und sicher auch euch vorkommt, so kommen wir gerade vom Regen in die Traufe. Da seht nur einmal an die kaum aussprechliche Pracht des Eingangstores selbst! Es hat die volle Höhe des ersten Stockwerks, also eine Höhe von nahe dreißig Klaftern und eine Breite von zwölf Klaftern. Die Seitenpfeiler des Tores sind massive Diamantpflöcke, genau ins Quadrat gezogen, und die Flächen dieser beiden Pfeiler sind noch in drei Reihen nebeneinander mit blauen, roten und grünen Sternen vom hellsten Glanz geziert. Der Bogen dieses Portals ist gezogen aus dem kostbaren weißen Sonnenstein und ist ebenfalls in der schönsten Ordnung geziert mit roten, blauen und grünen Sternen. Über dem Portal, d. h. über dem Bogen desselben, ist noch ein massives allerfeinstes Rotgoldgeländer, und zuoberst der Handleiter des Geländers sind in gerechten Entfernungen runde Kugeln von dem allerfeinsten und kostbarsten weißen Sonnenstein gestellt, welche ein außerordentlich schönes weißes Licht von sich strahlen lassen. Die Torflügel sind aus künstlich durchbrochenem feinstem Gold angefertigt und sind mit Kreuzspangen aus weißem Gold überzogen, in welche Spangen auf das wunderbarst Zierlichste alle möglichen Gattungen der Edelsteine vom reinsten und schönsten Schliff eingesetzt sind.
[2.20.2] Das wäre also bloß das Tor. Durch dieses gelangen wir in die wunderbar schöne Torhalle, welche zu beiden Seiten mit dreifachen Galerien, welche aus lauter weißen Säulen bestehen, geziert ist. Die Gänge der Galerien sind mit Geländern von Rubinen und Diamanten versehen. Und seht den Boden nur der unteren ebenerdigen Galerie. Er ist ein reiner Mosaikboden, in welchem ihr die herrlichsten Girlanden von Blumen hellglänzend eingearbeitet erschaut, und die Farben der Blumen in den Girlanden wechseln bei jeder Wendung und spielen wie ein künstlich gearbeiteter Regenbogen, d. h. wenn es einem Menschen möglich wäre, statt des Regenbogens einen allerverschiedenfarbigsten Blumenkreis zu setzen, die Blumen aber stets also ihre Farben wechselten wie ein wohlgeschliffener Brillant in den Strahlen der Sonne.
[2.20.3] Ja, was sagt ihr denn zu dieser unermesslichen Pracht? Ist das nicht mehr als was ein menschlicher Geist auf einmal ertragen kann?
[2.20.4] Aber gehen wir nur hinein in den Mittelraum dieses Gebäudes, von welchem uns schon ganze Ströme von Licht entgegenkommen. Seht, es ist eine überaus große Rotunde. Der Boden ist azurblau und ist durchgehends besetzt mit den euch wohlbekannten Sternbildern eures sichtbaren Himmels. Die Sterne glänzen aber bei weitem stärker als die ihr zur Nachtzeit schaut von eurer Erde. Die Wände dieser Rotunde bestehen ebenfalls aus drei übereinandergestellten mächtigen Säulenreihen. Die unterste Reihe besteht aus lauter Rubinen, die mittlere Reihe aus lauter Smaragd und die oberste Reihe aus reinstem Hyazinth. Jede Reihe ist mit weißen Bögen miteinander verbunden, über welchen allerprachtvollste Galerien aus durchsichtigem Gold angefertigt sind.
[2.20.5] Hinter den Säulenreihen erblickt ihr eine kontinuierliche Wand von einem selbstleuchtenden lichtrosenroten Stein aufgeführt, durch welche Mauerwand verhältnismäßig große Fenster und Türen auf die herrlichen Galerien leiten.
[2.20.6] Aber nun hebt eure Augen noch höher zum Plafond dieser Rotunde empor! Seht, er ist nichts anderes als die wunderherrliche große Kuppe, welche wir schon von außen her als eine großartige Kaiserkrone erschaut haben, besetzt mit den prachtvollsten und von selbst glänzenden Edelsteinen dieses Zentralsonnen-Weltkörpers, welche Edelsteine nach der inneren Rotunde herab ein wunderbares Licht verbreiten.
[2.20.7] Was steht aber da in der Mitte der Rotunde? Seht, es ist schon wieder ein Altar, und zwar aus einem Rubinstück, in welchem in den schönsten Kreisen weißglänzende Sterne eingesetzt sind. Und auf dem Altar erblicken wir abermals Holz quer übereinandergelegt. Wir dürfen nicht lange fragen: wozu dieses? – sondern uns nur an unseren früheren Palast zurückerinnern, und die Antwort ist schon fertig.
[2.20.8] Ich sehe aber nun etwas in euch, und dieses lautet also: Unaussprechlich verschwenderisch ist die endlos reiche Pracht dieses Palastes. Fürwahr, wenn so etwas auf der Erde darstellbar wäre, so würden sich davor sogar die größten Kaiser und Könige allzugering fühlen, um Herren einer solch endlosen Pracht zu sein, sondern sie würden solch einen Palast zu einem allgemeinen Tempel des Herrn ehrfurchtsvollst weihen. Ja, also ist fürwahr diese endlose Pracht selbst für den kühnsten Geist zur Beschauung völlig unerträglich.
[2.20.9] Aber bei dieser Pracht vermissen wir denn schon wieder gerade die Hauptsache, nämlich die Menschen. Ohne solche ist die größte Pracht tot, und wir können ihr kein inneres Wohlgefallen abgewinnen. Wir können wohl sagen: Unendlich groß ist die wunderbare Macht und Weisheit des Herrn, der allein nur solche Herrlichkeiten gestalten kann. Sollten wir sie aber genießen ohne Brüder und Schwestern, da wäre uns die gemeinste Erdkeusche [Erdhütte] mit Brüdern und Schwestern ums Unaussprechliche lieber.
[2.20.10] Ja, meine lieben Brüder und Freunde, ihr urteilt zwar nach einem guten und richtigen Gefühl; wisst ihr aber auch, worin solches liegt, dass ihr allzeit eher die Wohnungen der Menschen erschaut als die Menschen in den Wohnungen selbst?
[2.20.11] Seht, das hat darin seinen Grund, weil ihr als noch naturmäßige Menschen um gute zwei Drittteile noch mehr an der Materie als an dem inwendigen Geistigen hängt. Diese Materie aber ist tot, weil gerichtet, damit sie sich formen lasse. Darum denn erschaut auch ihr aus eurer naturmäßigen Sphäre dasjenige, was mit ihr verwandt ist.
[2.20.12] Wollt ihr das Lebendige sehen, da müsst ihr die zwei Drittel durchbrechen und schon wieder in das Zentrum der Liebe greifen, allwo das Leben zu Hause ist. Sodann wird das Holz auf diesem Altar zu brennen anfangen, und wir werden uns sogleich überzeugen, dass die Hallen und Gemächer dieses großen Palastes nicht so unbelebt sind, als es euch auf den ersten naturmäßigen Anblick vorkommt.
[2.20.13] Ihr fragt hier, warum denn hier allzeit die Entzündung des Holzes auf dem Altar zum Behuf der beschaulichen Gewahrwerdung der Menschen, welche solch einen Palast bewohnen, vonnöten ist?
[2.20.14] Ich sage euch: Um diesen Grund einzusehen, gibt es ja auf der Erde schon eine Menge Beispiele. Ich will euch nur ein paar zeigen, und ihr werdet sogleich klüger werden.
[2.20.15] Seht an die große Pracht eines Wintertages und auch einer hellen Winternacht. Die ganze weite Oberfläche der Erde ist mit zahllosen Diamanten überstreut, welche beim Licht der Sonne wie zahllose Sterne widerstrahlen und das Auge des Beschauers vor übermäßigem Lichtglanz beinahe erblinden machen. Die Äste der Bäume sind mit lauter Diamantkristallen besetzt, und zu einer reinen Nachtzeit funkeln die Sterne am Himmel in vervielfachter Glanzpracht. Aber wenn ihr hinschaut über diese von zahllosen Diamanten schimmernde weite Fläche, so ist sie wie tot, denn das Leben sucht warme Gemächer und mag sich nicht belustigen an dieser kalten, erstarrten Pracht. Wenn aber im Frühjahr der Sonne Strahl nicht nur Licht, sondern auch Wärme zu spenden anfängt, da vergeht die große Pracht der Erde; aber dafür ersteht aus den inneren Gemächern das sich vor der kalten Pracht zurückgezogene Leben. Dieses Leben verzehrt die Pracht des Winters und umschafft sie neu in eine viel herrlichere.
[2.20.16] Ihr braucht bei diesem Beispiel nichts hinzuzusetzen als das, dass die Wärme gleich ist der belebenden Liebe, welche Wärme hervorgeht aus der Mitte der Sonne; so werdet ihr gar leicht verstehen, warum hier auf diesem Altar das Holz zuvor durch eure Liebe entzündet werden muss, bevor ihr die lebendigen Bewohner dieser Pracht erschauen mögt.
[2.20.17] Ein zweites Beispiel könnt ihr bei zwei Menschen auf der Erde noch werktätiger erschauen. Seht dort z. B. einen Palast, diesen bewohnt ein alles Menschengeschlecht verachtender Geizhals. Geht hin; nicht einmal gar zu viele Fliegen werdet ihr um diesen Palast herumfliegen sehen, geschweige erst Menschen. Warum sieht es denn hier so leer aus? Weil keine Liebe im Haus ist.
[2.20.18] Geht aber hin zu einem anderen auch recht schönen Wohnhaus; dieses bewohnt ein wohlhabender großer Menschenfreund. Seht, da wimmelt es von Menschen, alt, jung, groß und klein; die Bäume sind belebt von Vöglein, die Dächer des Hauses von Tauben, der Hof vom Geflügel und anderen nützlichen zahmen Haustieren; auch für die Fliegen gibt es immerwährend was zu naschen, und alles, was ihr nur anschaut, ist fröhlichen und heiteren Mutes. Ja, warum denn hier so lebendig? Weil im Haus die Liebe wohnt! Die Wärme der Liebe ist fühlbar in weite Entfernung hin und zieht alles an sich.
[2.20.19] Ich meine, aus diesen zwei Bildern werdet ihr noch leichter erschauen, warum wir hier eher das Holz anzünden müssen, bevor sich um uns das Leben dieses Palastes wird zu sammeln anfangen. Erfasst somit eure Liebe zum Herrn und zu allen, die aus Ihm hervorgegangen sind; und das Holz wird brennend werden, und wir werden gar bald umlagert sein von Tausenden der Menschen, die da allzeit bewohnen diese prachtvolle Wohnstätte.
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