(Am 24. April 1843 von 4 3/4 – 6 3/4 Uhr abends.)
[1.98.1] Seht, wir sind am Ufer des euch schon ziemlich wohlbekannten großen Gewässers. Wie werden wir diesmal hinüberkommen? Ich sage euch: Bei solch einem Anführer darf uns darum gar nie bange werden; denn Er versteht das Wasser plötzlich also in festes Land zu verwandeln, dass ihr etwas Ähnliches noch nie erfahren habt. Daher seht nur hin, wie der Prior, zunächst an Ihm, Ihn fragt und sagt: O Du ewige Liebe! Mein allergeliebtester Jesus Christus! Was werden wir bei diesem endlos weiten Meer machen? – Der Herr spricht: Lieber Freund und Bruder in Meiner Liebe, da werden wir darüberwandeln.
[1.98.2] Der Prior spricht: O Du meine Liebe, wird uns das Wasser wohl auch tragen? – Der Herr spricht: Wie kannst du an Meiner Seite danach fragen? Weißt du denn nicht, dass Mir alle Dinge möglich sind, und dass Ich auch ein Herr aller Gewässer bin? Siehe, Ich will, dass aus diesem großen Gewässer alsbald festes Land werde, so lange bleibe als solches und uns trage, bis wir alle darüberkommen werden. Wie wir aber die bestimmte Fläche des jenseitigen Festlandes werden erreicht haben, sodann soll das feste Land wieder auftauen in sein wogend Element. Also geschehe! Siehst du nun noch ein Wasser?
[1.98.3] Der Prior spricht: O Du meine allmächtige, heilige Liebe! Du guter, heiliger Vater! Wie möglich ist denn doch solches? Wie doch gar so schnell hat sich alles verändert! Die schaurig wogende, endlos weitgedehnte Fläche ist ein trockenes Land geworden, und wir können darüberwandeln ohne Furcht und Zagen! Wie sollen wir Dir darob danken, darum Du Dich so wunderbar allmächtig liebevoll vor uns ausgezeichnet hast?
[1.98.4] Der Herr spricht: Mein lieber Freund und Bruder, der einzig und allein Mir teure und wertvoll angenehme Dank ist ein Mich allzeit über alles liebendes Herz. Ich sage dir, kein Dankopfer, kein Dankgebet, kein Dankgelübde, keine Dankprozession, kein Te Deum laudamus, kein Jubelfest und keine große Dankzeremonie ist Mir angenehm, sondern Ich habe davor einen Ekel wie vor einem stinkenden Aas oder wie vor dem Moderfleisch in den Gräbern welches ist voll Gestank und Pestilenz. Aber ein demütiges, Mich allzeit liebendes Herz ist Mir ein unschätzbar köstlicher Edelstein in der unendlichen Krone Meiner ewigen göttlichen Macht und Herrlichkeit und ist Mir auch wie ein Balsamtropfen in Mein liebeheißes Vaterherz gegossen, der Mich erquickt über die Maßen und die Freude Meiner ganzen unendlichen Gottheit ums für dich und vor dir Unaussprechliche erhöht!
[1.98.5] Daher bleibe du in deiner Liebe zu Mir und suche ewig nichts anderes, so bist du Mir alles, was du sein sollst, und Ich werde dir auch alles sein, was Ich dir nur immer als dein Gott, Schöpfer, und ewig liebevollster Vater sein kann! Liebe ist das einzige Band zwischen Mir und dir; sie ist die allein wunderbar allmächtige Brücke zwischen Mir, dem ewig allmächtigen, unendlichen Schöpfer, und dir, Meinem endlichen Geschöpf. Auf dieser Brücke kann Ich zu dir und du zu Mir kommen, wie da kommt ein lieber Vater zu seinen Kindern und die Kinder zu ihrem lieben Vater.
[1.98.6] Die Liebe ist auch dein wahres Auge, wie sie in Mir das ewig alleinige wahre Auge ist. Mit diesem Auge ist es dir allein nur möglich, Mich, deinen Gott und Schöpfer, so zu erschauen, wie da erschaut ein Bruder den anderen. Für jedes andere Auge bin Ich in dieser Meiner Wesenheit für ewig unerschaubar. Die Liebe ist ferner der rechte Arm an deinem Wesen, mit dem du Mich wie einen Bruder umfassen kannst. Also ist die Liebe auch das rechte Ohr, welches allein Meine Vaterstimme gewinnt; und kein anderes Ohr wird solches ewig je vermögen.
[1.98.7] Die Liebe ist ein unendlich weitgestecktes Ziel, das nie ein Verstand und eine Weisheit erreichen können; aber die Liebe fängt an diesem Ziel an, wonach der Verständige und Weise vergebens seine Segel spannt. Ja, die Liebe ist des Geistes inwendigste und allerschärfste Schauwaffe, mit dieser allein du in Meine göttlichen Wundertiefen blicken kannst, während der Verstand und die Weisheit nicht einmal den Saum Meines allerauswendigsten Kleides anzurühren imstande sind. Daher bist auch selig, du und deine Brüder, da ihr die Liebe in euch geführt, und hat nun dieses Gewässer zu einer festen Brücke umgestaltet, über welche Ich euch nun führen will als der alleinig wahre Führer und als euer alleinig wahrer Vater und Bruder in eurer Liebe zu Mir wie in Meiner Liebe zu euch. Und so denn denke du ewig nimmer an eine andere Danksagung; denn deine Liebe ist alles in allem, wie Ich in Meiner Liebe zu dir und euch allen alles in allem bin! Und so denn wollen wir uns nun vorwärts über diese Brücke bewegen; folgt Mir daher!
[1.98.8] Nun seht, der Zug geht hurtig vorwärts. Und ich kann euch versichern, obschon es euch vorkommt, als ginge man Schritt zu Schritt, dass wir uns dennoch mit einer für euch unbeschreiblichen Schnelligkeit vorwärts bewegen, und es ist nun an der Seite des Herrn, geistig und materiell genommen, ausgiebiger ein Schritt, als wenn ihr in irdisch entsprechender Form Schritte von Sonne zu Sonne machen würdet.
[1.98.9] Ihr müsst aber die Sache wohl verstehen, was für ein Unterschied es ist zwischen weltlichen und solchen rein geistigen Fortschritten. Denn diese Bewegung hier deutet nicht nur auf ein erschauliches Vorwärtskommen hin, sondern die Bedeutung ist vielmehr also zu nehmen, wie derjenige, der sich durch die Liebe des Herrn leiten lässt, in seiner inneren Erkenntnissphäre eben auch in einem Augenblick, oder entsprechend in einem Schritt, eine endlos unaussprechlich größere Erfahrung und in der Wahrheit in einem eben solchen Schritt eine endlos größere und weitgedehntere, allerhellste Beschauung macht als ein Verstandes- und Weisheitsforscher in vielen tausend Erdjahren.
[1.98.10] Noch verständlicher für euch gesprochen: Ein Schritt unter der Leitung des Herrn ist mehr wert denn Millionen unter der Leitung eines noch so erleuchteten Geistes! Oder noch besser gesprochen: Ein Wort aus dem Mund des Herrn ist mehr wert als alle Worte, die auf allen Weltkörpern eigenmündig von den Wesen sind gesprochen und geschrieben worden. Mehr brauche ich euch in dieser Hinsicht doch wohl auch sicher nicht zu sagen.
[1.98.11] Wir aber sind unter der Zeit auch schon über unsere Gewässer gekommen; denn seht euch nur ein wenig um, so werdet ihr sobald wieder statt des früheren festen Bodens unser unübersehbares Meer erschauen. Und seht, der Herr macht die Ihm Nachfolgenden eben auch darauf aufmerksam und spricht zum Prior: Da sieh dich einmal um! Siehe, wir haben unser Plätzchen schon erreicht. Wie gefällt es dir hier?
[1.98.12] Der Prior spricht: O Herr und Vater! Du meine ewige Liebe! Wo Du bist, da gefällt es mir überall unaussprechlich wohl. Ohne Dich aber wäre es hier, wie sicher überall, ewig zum Verzweifeln!
[1.98.13] Der Herr spricht: Du hast wohl gesprochen; also ist es und nicht anders. Mit Mir vermögt ihr alles, ohne Mich aber nichts! Also ist es bei Mir auch allzeit gut sein! Außer Mir aber gibt es nirgends ein Sein, das da wäre von Bestand, denn Ich allein nur bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! Wer in Mir verbleibt durch die Liebe und Ich in ihm, der hat das Licht, die Wahrheit und das Leben. Daher folgt Mir weiter, und Ich will euch einen anderen Platz zeigen und sehen, wie es euch dort gefallen wird. Werdet ihr dort Behagen finden, so könnt ihr euch dort eine Wohnstätte wählen. Und wird es euch dort nicht gefallen, so wollen wir wieder einen anderen suchen. Und so folgt Mir!
[1.98.14] Seht, der Zug bewegt sich zwischen Morgen und Mittag hin, und dort hinter jenem leuchtenden Gebirge werden wir in einer unaussprechlich schönen Gegend wieder eine Station machen, allda unsere Gäste eine ziemlich starke Probe werden auszuhalten haben, denn es ist noch ein verborgener Knoten in ihnen, nämlich die Weiberliebe, welcher sie zufolge des Zölibats entweder selbst feind waren oder es doch wenigstens gezwungenermaßen sein mussten. Sie taten zwar als Zölibatäre ihre Pflicht und Schuldigkeit, und nicht einer aus ihnen hat sich auf der Erde je mit einem Weib in fleischlich liebender Hinsicht abgegeben.
[1.98.15] Es liegt aber eben darin nicht so viel Verdienstliches; denn der Ort auf der Erde, wo sie ihr Klosterleben hatten, war hinsichtlich der weiblichen Schönheiten in mehrfacher Hinsicht sehr stiefmütterlich bestellt, das heißt bezüglich der leiblichen oder fleischlichen Form, der Kleidung, der Sprache und noch so manchen anderen eben nicht weltlich ästhetischen Sitten zufolge. Zudem haben sich zu diesen unseren Klösterern nur allzeit die alten Weiber zur Beichte begeben, denn für das jüngere Weibervolk war diese Klostersekte bekanntermaßen viel zu streng. Also konnte bei solchen Aspekten fürs Erste eine antizölibatische Reizung wohl nicht leichtlich stattfinden, und der Sieg über dieselbe von Seiten dieser Zölibatäre war dann doch auch nicht zu denjenigen zu rechnen, von welchen noch späte Generationen Sprache führen sollten. Daher müssen sie auch im Angesicht des Herrn noch diese Probe bestehen.
[1.98.16] Ich sage euch, in dieser nächsten Station werden wir daher auch selige weibliche Geister zu sehen bekommen, bei deren Betrachtung euch selbst zu schwindeln anfangen wird. Dazu aber wird auch der Ort so himmlisch schön sein, wie ihr mit Ausnahme der heiligen Stadt bis jetzt noch keinen gesehen habt, und es wird sich dann gar bald auf die Waage stellen, wie die Liebe zum Herrn in diesen nun Geretteten bestellt ist. Doch solches soll erst das nächste Mal der Gegenstand unserer Betrachtung sein.
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