(Am 13. März 1843 von 5 1/4 – 6 3/4 Uhr abends.)
[1.76.1] Ihr seht diesen Himmel noch in seiner vorigen Eingeschrumpftheit; aber da die Bewohner dieses Himmels sogar nebst ihrer falschen Begründung auch etwas böse geartet sind, so fangen sie nun nach einiger Überlegung an, sich über uns aufzublähen, und solches Aufblähen werden wir bald an diesem ganzen Himmel erschauen. Ihr fragt zwar, wie solches möglich ist, nachdem zuvor die Bewohner dieses Himmels sich aus lauter erbärmlicher Furcht vor uns verkrochen haben. Solches ist ja schon in der Natur eines jeden noch stark naturmäßig gesinnten Menschen, dass da die Furcht, wie nicht selten auch so manche Traurigkeit, nichts anderes ist als ein Same für einen bald daraus erwachsenden Zorn und endlich auch sogar von einer verzweifelten Zornwut-Tollkühnheit. Denn solches könnt ihr am leichtesten bei den Kriegern, die gegen den Feind ins Feld ziehen, gewahren, da sie ebenfalls mit großem Zittern und Zagen dem Feind entgegenziehen. Sind sie an den Feind gestoßen und haben da einige wohlgenährte Salven bekommen, so geht ihre Furcht sobald in einen Glühzorn über, und werden sie mit dem Feind gar handgemein, da verdrängt die Zornglut ein flammender Grimm, bei welcher Gelegenheit sich ein solcher ehedem furchtsamer Krieger wütend in die größten Gefahren stürzt.
[1.76.2] Der gleiche Fall ist es auch bei so manchen Trauernden. So sie die effektive Ursache ihres leidenden Zustandes ergreifen könnten und hätten dazu eine hinreichende Macht, da dürfte es demjenigen Gegenstand, der da der Grund einer solchen Trauer war, fürwahr nicht am besten ergehen. Ich könnte euch sogar viele Tausende und Tausende zeigen, die in ihrer eitlen Trauer sogar dem Herrn auf das Gräuelhafteste geflucht haben. Darum hat auch der Herr auf der Welt die Trauer nie gutgeheißen, außer einer Trauer über den eigenen Zustand, wenn er nicht also ist, wie es die Ordnung des Herrn erheischt. Das heißt, es muss in diesem Fall die Trauer gleich sein einer wahrhaftigen Reue des Herzens und muss eine natürliche große Liebe zum Herrn zum Grunde haben, oder der Trauernde muss trauern in aller Sanftmut seines Herzens.
[1.76.3] Solches aber ist dagegen auch wieder sicher, dass derjenige, der den Herrn wahrhaft liebt, gar wenig Grund zu trauern haben wird; denn die Trauer ist im Grunde nur ein Schmerz über den Verlust einer Sache oder eines Gegenstandes. So aber jemand den Herrn hat, was kann der wohl verlieren, was ihm einen Schmerz bereiten sollte? Ihr wisst aber aus der Schrift, dass da viele Weiber bei der Kreuzigung des Herrn dem schwer misshandelten Heiland der Welt gefolgt sind und haben Ihn beweint und betrauert. Er aber hat ihre Traurigkeit nicht gutgeheißen, sondern verwies sie ihnen vielmehr und gab ihnen zu verstehen, dass sie vielmehr über sich, also über ihre Sünden, und über ihre Kinder weinen sollten.
[1.76.4] Wie es sich aber mit der Trauer verhält, also verhält es sich auch mit der Furcht, welche nichts ist als ein klägliches Bewusstsein der eigenen Ohnmacht und Schwäche. Wenn aber jemand den Herrn hat in seiner Liebe und somit auch sicher in seinem Vollvertrauen, wie sollte der sich wohl vor etwas fürchten? Also ist die Furcht immer eine Folge eines nicht reinen Gewissens und dann, wie gesagt, des Bewusstseins der eigenen Ohnmacht und Schwäche.
[1.76.5] Wenn wir nun von dieser Definition auf diese unsere Himmelsbewohner übergehen, so werden wir sie ebenfalls also finden, dass sie ganz genau in diese unsere Definition passen werden. Aus diesem Grunde seht ihr auch nun diesen Himmel an, und ihr werdet gar leichtlich entdecken, dass sich alle diese himmlischen Gegenstände nach und nach zu vergrößern anfangen, damit wir von dieser Erscheinlichkeit einen Respekt bekommen sollen. Solches Vergrößern liegt in dem Anschwellen der Gemüter dieser Himmelsbewohner zugrunde. Und so seht nur hin, wie das ganze himmlische Theaterpodium sich nach allen Seiten auszudehnen anfängt.
[1.76.6] Die früher kaum faustgroßen Köpfe der Cherubime und Seraphime haben bereits schon einen Durchmesser von einem Klafter. Die Dreieinigkeit ist bereits schon so groß, dass ihr sie auf zehn Meilen auf der Erde noch recht gut ausnehmen könntet. Der früher ganz seichte Hintergrund dieses Podiums scheint schon beinahe eine Tiefe von zwanzig Meilen zu haben, und die früheren Wolken-Kulissen erscheinen jetzt, wie ihr seht, wie ungeheuer schwere Gewitterwolken auf der Erde, so ihr solche dann und wann geschaut habt, wie sie sich auf der Erde vom Morgen und Abend gegeneinander aufzutürmen anfingen. Aber nun seht auch auf unser Parterre, wie sich auch dieses außerordentlich in gleichem Maße erweitert hat und wir nun dastehen wie drei Punkte, die man in einem so großen Raum kaum bemerkt. Wie gefällt euch diese Geschichte?
[1.76.7] Ihr sagt: Fürwahr, diese Metamorphose oder vielmehr diese echt theatralische Phantasmagorie ist noch das Beste und Sehenswürdigste dieses ganzen Himmels, obschon man dabei so ganz nüchtern sagen muss, dass einem bei dieser außerordentlichen Vergrößerung der Gegenstände so ein wenig unheimlich zumute wird oder, wie man so auf der Erde zu sagen pflegt, die Sache hört auf, ein Scherz zu sein.
[1.76.8] Gut gesagt; ich habe es euch ja gesagt, dass euch die Komödie etwas überraschen dürfte. Aber die eigentliche Komödie hat noch nicht angefangen. Diese Erscheinlichkeit bis jetzt ist gewisserart nichts anderes als das Aufziehen des Vorhanges auf den zuallermeist überaus ärgerlichen Theatern auf der Erde. Wenn ihr auf diesem Himmelstheater erst die handelnden Personen erschauen werdet, da werdet ihr noch ganz anders große Augen machen. Aber, wie gesagt, ihr müsst euch aus allem dem, das da noch kommen wird, eben nichts machen. Denn alles solches geht aus den gänzlich leeren Trugkünsten dieser Geister hervor.
[1.76.9] Seht jetzt nur wieder auf das Podium hin, welch eine außerordentliche Ausdehnung in die Breite und in die Höhe es bekommen hat, ja es hat gegenwärtig eine scheinbare Höhe wie etwa von eurer Erde bis zum Mond hin, das heißt der Erscheinlichkeit nach. Jetzt ist es aber auch schon in seiner völligen Aufgeblähtheit da, und es wird sich daher im Hintergrund auch sobald ein Komödiant zeigen. Seht nur hin, er kommt mit einem Fuß schon hinter der Kulisse hervor. Seht, nun ist er schon ganz zu sehen; aber ich bemerke ja, dass ihr euch sogar ein wenig zu entsetzen anfangt. Was ist es denn?
[1.76.10] Ihr sagt: Höre, Freund, das ist ja eine unmenschliche Menschengestalt. Fürwahr, wenn solch ein Riese irgend auf der Erde stünde, so ginge es sogar dem Mond schlecht. Wir können ja nicht einmal seine entsetzliche Größe, trotz seiner großen Entfernung im Hintergrund, auf einmal überschauen, und nur das unsinnig große Schwert, das er in der Hand hat! Fürwahr, mit diesem könnte er doch mit der geringsten Mühe von der Welt die ganze Erde wie einen Apfel entzweihauen. Freund und Bruder, wenn der sich etwa uns nahen sollte, da wären wir fast der Meinung, dass es vielleicht besser sein dürfte, sich eher noch aus diesem etwas zu großartigen Staub zu machen, als bis uns dieser wahrhaftige Siriuskomödiant mit seinem sehr Ehrfurcht einflößenden Schwert ergreifen möchte.
[1.76.11] O meine lieben Freunde und Brüder, das muss euch durchaus nicht furchtsam machen, denn hier im Reich der Geister haben wir Diener des Herrn nicht selten noch ganz andere Gefechte zu bestehen als dieses da ist, wovon ihr selbst nur erst kaum den ersten Anfang erschaut. Wartet erst, bis diese Helden sich mehr gegen den Vordergrund, mit allerlei Waffen versehen, ziehen werden; dann erst werdet ihr das Riesenhafte dieser Theaterhelden erschauen. Ihr seht nun auch unseren vormals kleinen Abrahams-Tisch in ähnlicher Weise ausgedehnt. So werdet ihr auch sehen, wie sich gar bald, unserer unbekümmert, einige riesenhafte Tafeldiener zeigen und diesen Tisch mit verhältnismäßig großen riesenhaften Früchten bestellen werden, worauf dann bald ähnliche Riesengäste sich zum Tisch setzen werden, und ihr werdet da Meisterstücke in der Fresserei sehen, indem ihr da im buchstäblichen Sinne des Wortes und der Bedeutung nach wahre Weltenfresser vor euch erschauen werdet. Für heute aber begnügt euch mit dem bisher Geschauten; nächstens soll erst die Hauptkomödie folgen, und somit gut für heute!
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