(Am 31. Januar 1843 von 4 1/2 – 7 Uhr abends.)
[1.48.1] Seht, wir sind schon heraußen, und nun strömen auch schon die mit Palmzweigen dotierten Geister aus der Kirche. Und nun folgt ihnen auch der Priester in seinem vollen geistigen Ornat und mit der Monstranz in der Hand. Über ihm erblickt ihr, getragen von vier weißgekleideten männlichen Geistern, ebenfalls einen sogenannten Himmel, und vor ihm reihen sich alle die Geister, einer euch bekannten Prozessionsfahne folgend. Und nun seht, die Prozession beginnt mit den gewöhnlichen Prozessions-Zeremonieformen. Ihr vermisst sogar die Glöcklein nicht; ein Kruzifix wird vor dem Himmel getragen und von der ganzen Prozessionsgesellschaft wird das euch wohlbekannte: „Heilig, heilig, heilig ist unser Herr Gott Zebaoth“ gesungen und gebetet.
[1.48.2] Nun seht, der Prozessionszug erhebt sich auf eine kleine Anhöhe hinauf; dort also wollen wir auch dem Zug folgen. Diese Anhöhe ist sehr verführerisch, denn sie hat nicht sobald ein Ende, als man es ihr auf den ersten Augenblick ansieht.
[1.48.3] Dieser Weg, der da hinaufführt, ist der eigentliche katholische Himmelsweg. Wenn man auf diesem auf die erste, uns sichtbare Anhöhe gelangt, so erblickt man erst eine zweite, die wieder höher führt. Ist man auf diese zweite Anhöhe gelangt, so entdeckt man erst wieder eine dritte, und das geht so fort, je nach dem Gemütszustand der Himmelauffahrenden, da sie manchmal über mehr denn tausend solche verborgene Anhöhen steigen müssen, bis sie zur sogenannten himmlischen Wolkenregion gelangen.
[1.48.4] Nicht selten geschieht es dann auch bei einer solchen Himmelsbesteigung, dass manche des zu langen Weges überdrüssig werden. Sie wenden sich dann bei solcher Gelegenheit an den Geistlichen und fragen ihn, wie lange die Reise wohl noch dauern möchte. Der Geistliche gibt ihnen dann allzeit den Schrifttext zur Antwort, welcher also lautet: „Wer da verharrt bis ans Ende, der wird selig!“ Und nach solcher Antwort geht dann der Zug wieder weiter.
[1.48.5] Haben sie bei einem zweiten Zug wieder einige fünfzig Anhöhen überflügelt, so wird bei dem Geistlichen angefragt, ob man nach einer so langen Reise nicht ein wenig ausruhen dürfte. Da gibt ihnen dann der Geistliche wieder folgende Antwort: „Betet ohne Unterlass!“ Solches besage in der geistigen Welt, dass man allda nimmer ruhen solle, wenn man einmal auf dem Weg zum Himmel ist. Denn solches wisse er ganz bestimmt, dass die Saumseligen und Lauen aus dem Munde Gottes ausgespien und nicht eingelassen werden in das Himmelreich. Daher sollen sie nur alle ihre Kräfte zusammennehmen und fortziehen, bis sie das glückselige Tor in den Himmel werden erreicht haben. Auf solch eine Mahnrede geht der Zug wieder weiter.
[1.48.6] Wenn etwa über die nächsten fünfzig Aufsteigungen der Geistliche selbst müde wird und auch seine ganze Gesellschaft kaum mehr zu steigen vermag, so spricht dann der Geistliche: Hört, ihr Schafe meiner Herde! Hier ist der halbe Weg; hier wollen wir Gott die Ehre geben und Ihm danken, dass Er uns diesen Punkt hat erreichen lassen.
[1.48.7] Auf solch einer Stelle macht dann alles halt, man kniet sich nieder und dankt nach der Meinung des Geistlichen Gott, und zwar zuerst Gott dem Vater, dann Gott dem Sohne und zuletzt Gott dem Heiligen Geiste.
[1.48.8] Wenn sich die ganze Gesellschaft auf diese Weise etwas erholt hat, so geht der Zug dann wieder weiter. Da aber der Geistliche es in den eigenen Füßen verspürt, dass er bei allfälligen weiteren Erhöhungen nicht leichtlich mehr einen rastlosen Marsch wird fortsetzen können, so kündigt er gleich hier an, dass bei der Übersteigung einer jeden künftigen Anhöhe eine Passionsstation gebetet wird. Bei solchen Gelegenheiten rastet er dann selbst aus. Wenn aber die zwölf oder im ungünstigen Falle vierzehn Stationen zu Ende sind und die stets etwas steiler werdenden nacheinander folgenden Anhöhen noch kein Ende nehmen, so wird nach der letzten Station der Rosenkranz angeordnet und ebenfalls gesetzelweise [absatzweise] auf die allfällig noch folgenden Anhöhen verteilt. Haben sich die Rosenkranzgesetzel auf diese Weise auch verbraucht und unsere stets ganz gewaltig steiler werdenden Anhöhen nehmen noch kein Ende, so wendet sich alles an den Priester und fragt ihn, was denn solches doch bedeute, dass diese Anhöhen bei all seinen Vorschlägen dennoch kein Ende nehmen wollen.
[1.48.9] Da sagt der Geistliche: Ja, meine lieben Schafe meiner Herde, hier fängt es erst an, wo das Himmelreich Gewalt braucht; welche es mit Gewalt an sich reißen, die werden es besitzen. Zugleich aber ordnet der Geistliche auch an, dass man von da an auf einer jeden neu erstiegenen Anhöhe allzeit solle einen Psalm Davids beten. Und so geht dann der Zug ganz mühselig wieder vorwärts.
[1.48.10] Da aber unser Zug eben alle diese Schicksale mitmacht und an sich erfährt, so wollen wir ihn von dieser letzten Rosenkranzgesetzelstation von Schritt zu Schritt verfolgen bis ans Ende.
[1.48.11] Seht, die nächste Anhöhe ist schon sehr steil und braucht, wie ihr seht, gewaltige Anstrengungen, um sie zu ersteigen. Nach langem, mühevollem Steigen hat unsere Gesellschaft die Höhe erreicht. Seht, wie sie sich auf der kleinen, ebenen Fläche alle wieder sogleich niederlegen, und der Geistliche selbst, ein Psalmbüchlein hervorziehend und die Monstranz unterdessen zur Seite setzend, beginnt den ersten Psalm so langsam als nur immer möglich zu lesen, damit er und die ganze Gesellschaft dadurch mehr Ruhezeit gewinnen sollen.
[1.48.12] Nun ist der erste Psalm ausgelesen, und unser Geistlicher nimmt wieder die Monstranz, sagt aber jedoch den vier Himmelsträgern, da sie hier dem wahren Himmel ohnehin schon sehr nahe sind, so könnten sie wohl füglichermaßen diesen kleinen Ehrenhimmel an Ort und Stelle lassen.
[1.48.13] Nach solcher Bestimmung erheben sich alle wieder; und wie ihr seht, beginnen sie auch sogleich die folgende mühsame Besteigung der nächsten Anhöhe. Wie ihr seht, so geschieht diese Besteigung beinahe mehr auf allen Vieren denn auf zwei Füßen, und unserem Geistlichen, dem Fahnenträger und dem Kruzifixträger fängt es an, recht übel zu gehen. Daher lässt sich der Geistliche auch von mehreren Vorkraxlern, so gut es nur immer sein kann, hinaufziehen, die Fahnen- und Kruzifixträger aber gebrauchen ihre himmlischen Insignien statt eines Gebirgsstockes.
[1.48.14] Nun seht, mit großer Mühe und Anstrengung wäre wieder ein Absatz erstiegen. Die Fläche dieses Absatzes aber ist kaum knapp so groß, dass unsere Gesellschaft mit genauer Not einen Rastplatz findet. Sie hat sich wieder gelagert, und der Priester beginnt nun den zweiten Psalm zu lesen. Wie ihr aber seht, so wird es ihm selbst schon ganz gewaltig bange; denn fürs Erste erblickt er vor sich wieder eine noch ums Kennen steilere Anhöhe, und wenn er hinabblickt, so fängt es ihn ganz gewaltig zu schwindeln an.
[1.48.15] Was soll er nun machen? Er wird in dieser Hinsicht von seinen Himmelbesteigungsgenossen auch ganz gewaltig mit Fragen bestürmt, zugleich wird er auch gefragt, wo denn die Staffeln in den Himmel sind. Und er spricht: Ich meine, diese gewaltigen Gebirgsabsätze sind die Staffeln; daher erfahrt ihr hier selbst, wie rein von jeglicher Sünde man sein muss, damit sie einen nicht belaste auf diesen ganz gewaltigen Himmelsstufen. Ferner spricht er noch: Wir werden uns hier abteilen müssen; denn es könnte ja leicht sein, dass wir auf der nächsten Stufe, weil sich der Raum immer mehr und mehr zu beengen scheint, nicht mehr alle Platz finden dürften, um dort unter dem Lob des Herrn und der göttlichen Dreieinigkeit auszuruhen. Daher geht ihr, die Beherztesten, voraus und rastet oben so lange aus, bis ihr sehen werdet, dass wir uns hier erheben, und besteigt dann sobald die nächste Stufe, falls sich noch eine vorfinden sollte.
[1.48.16] Und wie ihr selbst seht, d. h. mit euren Gemütsaugen, so erhebt sich auch die Hälfte der Gesellschaft und steigt abermals auf allen Vieren die schon sehr steile Anhöhe hinauf. Einige kommen hinauf, und die anderen, welche weniger kräftig sind, gleiten wieder zurück. Der Geistliche fragt die schon oben Befindlichen, ob es noch eine fernere Anhöhe gibt. Die rufen zurück: Sieg! Es ist keine Anhöhe mehr; wir stehen schon am Anfang einer großen Ebene und in weiter Ferne vor uns erschauen wir auch schon das himmlische Gewölk und in der Mitte ein starkes Licht; nur können wir noch nicht ausnehmen, was es ist.
[1.48.17] Nun seht, alles erhebt sich auf dieser unteren Staffelei, strengt alle seine Kräfte an, und der Geistliche bindet sich die Monstranz an den Rücken an und steigt, ebenfalls auf allen Vieren, so gut es nur sein kann hinauf.
[1.48.18] Endlich, nach vieler Mühe und Anstrengung, haben alle glücklich diese letzte Anhöhe erklommen, loben nun den Geistlichen und sagen: Das ist doch ein sicherer Beweis, dass niemand ohne einen solchen geistlichen Führer in den Himmel gelangen kann. Der Geistliche aber spricht: Meine lieben Kinder! Ja, also ist es wahr, weil es Gott Selbst so angeordnet hat; aber nicht mir, sondern Gott allein gebührt die Ehre! Denn wenn ich auf mich selbst zurücksehe, so habe ich euch mehr gleichsam durch einen Betrug, als durch meine Erkenntnis hierhergebracht. Da aber der Herr Seinen Aposteln Selbst die Schlauheit anempfohlen hat, so bin ich dadurch vor euch gerechtfertigt; und das Gelingen meiner Führung zeigt euch nun, dass ich euch nach der Lehre unserer alleinseligmachenden Kirche vollkommen redlich und getreu geführt habe. Und der Geistliche spricht weiter: Lasst uns denn hier wieder in die vorige Ordnung treten und ziehen hin zum ewigen Ziel!
[1.48.19] Nun seht, der Zug beginnt, von neuem gestärkt, über diese weite Hochebene, und seht auch, wie sich unser Zug hier ausnehmend schnell bewegt. Das himmlische Gewölk kommt uns näher und näher, und nun seht, befinden wir uns schon unter dem himmlischen Gewölk. Seht da eine große Mauer, durch welche eine goldene Tür führt, welche aber verschlossen ist. Und der Geistliche tritt hinzu und spricht: Seht nun, meine lieben Kinder, wir haben gebeten, und es ward uns gegeben; wir haben gesucht und haben es gefunden. Nun aber kommt es aufs Anklopfen an. Also soll der Träger des Kruzifixes mit dem Kruzifix zuerst anklopfen, und zwar dreimal im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und die Pforte wird sicher aufgetan werden.
[1.48.20] Und nun seht, es geschieht nach den Worten des Geistlichen. Und wirklich, beim dritten Klopfen öffnet sich die Tür, und, wie ihr seht, Petrus und Erzengel Michael erscheinen, prüfen noch unsere Gesellschaft und lassen sie dann auch samt und sämtlich in den Himmel ein. Nur werden die gewissen Petrus- und Erzengel-Michael-Attribute hinweggelassen, damit von den in den Himmel Eintretenden wenigstens der erste, gar zu materielle Funke ausgelöscht wird.
[1.48.21] Ihr möchtet wohl wissen, ob das wirklich der Petrus und der Erzengel Michael seien? Ich sage euch: Solches alles ist nur eine Erscheinlichkeit und wird im Namen des Herrn bewerkstelligt von den Engelsgeistern. Und so ist auch dieser ganze Himmel gestaltet, und es muss solches alles so sein; denn sonst wäre es nicht möglich, jenen Geistern beizukommen, welche sich in einem oder dem anderen irrtümlich begründet haben.
[1.48.22] Darum findet denn auch ein jeder die geistige Welt und den Himmel so, wie er sich alles dieses durch seinen Glauben im Geiste begründlich geschaffen hat, mit Ausnahme des alleinigen Fegefeuers, welches der Herr aus dem Grunde nicht zulässt, indem dadurch den Geistern darin der größte Schaden könnte zugefügt werden, so sie sich in solch einem kläglichen Befunde dann anstatt an den Herrn nur um desto energischer an die Heiligen wenden möchten und auch an die Hilfe der weltlichen Messopfer, welches alles mit der Zeit den Geist gänzlich töten müsste, weil der Geist in dieser Hinsicht ganz verzichten würde auf die eigene Tätigkeit und würde nur in einem vermittelten oder unvermittelten Erbarmen Gottes seine Seligkeit suchen, welches aber mit anderen Worten gesagt nichts anderes hieße, als an sich selbst einen geistigen Mord begehen!
[1.48.23] Ihr fragt hier: Wieso denn? – Solches ist doch leicht einzusehen. Das Leben des Geistes besteht ja nur einzig und allein in der Liebe desselben und dann in der eben dieser Liebe entsprechenden Tätigkeit.
[1.48.24] Was geschieht wohl mit jemandem, der sich auf der Welt von aller Tätigkeit losgesagt hat? Er wird am Ende ganz entkräftet und so schwach, dass er kaum noch einer Fliege zu widerstehen vermag. Und wenn er dann zufolge solch einer gänzlichen Untätigkeit notwendig in das größte Elend gelangt, so lehrt solches die Erfahrung auf der Welt nur zu vielfach, dass solche Zustände des Menschen zumeist der Grund von Selbstentleibungen sind. In der geistigen Welt aber würde dadurch ebenfalls ein geistiger Selbstmord geschehen, weil sich dergleichen Leidende durch die Anrufung der Heiligen nicht erlöst erschauen und dadurch dann in den völligen Unglauben und in die gänzliche Verzweiflung übergehen würden, welche aber ist ein wahrhaftiger Geistestod!
[1.48.25] Warum denn? Weil eine Verzweiflung im Geiste so viel besagt als eine vollkommene gewaltsame Lostrennung vom Herrn. Aus diesem Grunde wird ein solcher Zustand sogar in der Hölle nicht zugelassen. Wenn allda das Böse zu sehr tätig wird, so auch lässt der Herr die Bosheit strafen, und das wohl auf das Empfindlichste. Ist aber dadurch die Bosheit wieder eingestellt, so hören auch die Strafe und der Schmerz auf.
[1.48.26] Was jedoch unseren Himmel betrifft, so ist er dem Leben des Geistes nicht hinderlich und kann hier als eine gute, lebendige Schule angesehen werden, in welcher die Geister erst den wahren Himmel zu erkennen anfangen. Auf welche Art aber solches in diesem unserem Himmel vor sich geht, wollen wir bei der nächsten Gelegenheit so gründlich als möglich im Geiste beschauen; und somit gut für heute!
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