(Am 23. Januar 1843 von 4 – 6 Uhr abends.)
[1.42.1] Ihr fragt mich zwar und sagt: Aber, lieber Freund! Werden wir uns nicht zuvor bei den gar lieben Einwohnern dieses Hauses beurlauben und ihnen unser Wohlgefallen zu erkennen geben, darum sie uns gar so liebevoll aufgenommen haben? – Meine lieben Freunde, es tut mir recht leid, dass ihr mich dessen nicht früher erinnert habt, denn nun befinden wir uns schon auf der Höhe einer dieser euch früher sichtbaren Alpen, und unser Häuschen ist weit und breit zurück! Das nimmt euch wohl ein wenig wunder und ihr sagt: Aber, lieber Freund, wie geht denn das zu, dass wir hier gar so entsetzlich gedankenschnell wandern, während wir in der nördlichen und abendlichen Gegend sichtbar nur von Schritt zu Schritt mit seltener Ausnahme gewandert sind? Wir wissen zwar wohl schon aus früheren Erfahrungen, dass man im Geiste so schnell wandeln kann, wie schnell da ist der Gedanke. Solches ist also nicht das Befremdende. Aber dass wir gerade in derjenigen Gegend, die in sich selbst sehr mager an allen Erscheinungen, die man zu den schönen und herrlichen zählen kann, war, von Schritt zu Schritt gewandelt sind, – und in dieser himmlischen Gegend aber all das Herrliche nahe unbeachtend, so schnell vorwärtsblitzen, das ist’s, was uns befremdet!
[1.42.2] Meine lieben Freunde, ihr urteilt nach eurer Weise wohl ganz richtig, aber nicht nach der geistigen. Wenn wir in diesem großen Reich der Geister uns in jenen Gegenden bewegen, welche vermöge ihrer Zuständlichkeit mehr und mehr dem Naturmäßigen entsprechen, so ist eben in diesen Gegenden alles gehemmt und unser langsamer Gang in solchen Gegenden bezeichnete daher auch ganz gründlich und anschaulich die mühsamen Fortschritte des Geistes; – und je tiefer wir in solche Gegenden uns verloren hatten, desto mühsamer auch und viel langsamer ward unser Gang. Hier aber, wo der Geist schon seine völlige Freiheit genießt, ist er auch solcher Fesseln ledig; daher ist sein Vorwärtsschreiten auch um vieles ungehinderter und daher auch schneller.
[1.42.3] Ihr sagt zwar: Lieber Freund! Solches ist alles richtig, gut und wahr; aber wir erinnern uns zurück, dass wir pro primo in der nördlichen Gegend doch einmal einen schnellen Gebirgsausflug getan haben, und dann waren wir aus der Hölle ebenfalls überaus schnell am Kinderreich zurück, und vom Kinderreich hierher dauerte unsere Reise auch nur einen Augenblick. Wie ist demnach solches zu verstehen? – Meine lieben Freunde! Das sollte mich im Ernst wundernehmen, dass ihr solches noch nicht versteht, nachdem ihr ganz Ähnliches doch schon oft mit der Bildung eures Geistes auf der Erde erfahren habt. Ich will euch nur durch ein Beispiel darauf aufmerksam machen, und ihr werdet diese drei Erscheinungen von euren beanstandeten Schnellreisen sogleich gründlich einsehen und völlig begreifen.
[1.42.4] So ihr z. B. im Fach der Mathematik oder einer anderen Wissenschaft unterrichtet wart und hattet bei solch einem Unterricht irgendeinen schwer zu fassenden Hauptsatz euch analytisch erweislich eigen zu machen, an dessen völliger Auffassung beinahe das Ganze einer Wissenschaft gelegen war, da hat es euch gewiss recht viel Mühe gekostet, bis ihr einen solchen Satz völlig begriffen habt; ja ihr musstet da von Punkt zu Punkt langsamen Schrittes vorwärts schreiten. Was geschah aber, wenn ihr solch einen Hauptsatz dann völlig begriffen hattet? Hat da nicht euer Geist eben dadurch einen schnellen Aufflug getan und dann mit großer Schnelligkeit sich auf einen Standpunkt gesetzt, von welchem aus er das früher mühsam Durchforschte und Durchwanderte auf einen Blick übersah? Nicht aber nur das allein, sondern er erspähte auch in diesem begriffenen Satz noch andere, ihm vorher ganz fremd gewesene Folgerungen und ward somit zufolge solch eines schnellen Auffluges ein Selbstseher, ein Forscher, ein Erfinder und sogar ein Schöpfer künftiger Wahrheiten! Begreift ihr nun solch einen schnellen Aufflug?
[1.42.5] Seht, also ist es ja durchaus im Geiste; denn was ihr auf der Erde eine geistige Arbeit nanntet oder eine Arbeit der Gedanken, das ist hier im Reich des Geistes formell wirklich. Wir gingen dann wieder langsamen Schrittes gegen den Abend hin, lernten bei diesem Gang allerlei Verhältnisse kennen, gelangten auf diesem Lehrweg sogar in die unterste, für euren Geist möglichst ersteigbare Tiefe. Alles musste vor euch analytisch zergliedert werden bis zur untersten Löse; – was hat euer Geist dadurch getan? Er hat einen zweiten wichtigen Satz erlernt. Durch die Erlernung dieses wichtigen Satzes war dann ja wieder ein zweiter schneller Aufflug möglich.
[1.42.6] Wir kamen an das Kinderreich, und zwar an dessen äußerste Grenze. Da mussten wir noch einen dritten wichtigen Zwischensatz einstudieren, welcher aber eine gar wichtige Verbindung hatte mit all dem Vorhergehenden und diente als ein gar tüchtiges Prognostikon für das Folgende des Mittags. Da ihr solchen wichtigen Zwischensatz gar bald und leicht begriffen habt, so war auch der darauffolgende schnelle Aufflug des Geistes in diese Lichtgegend ja ebenfalls so gegründet wie all die anderen.
[1.42.7] Wir sind nun in der Gegend des höheren Lichtes. Wie kann es euch nun wundern, wenn allda unsere Fortschritte für den viel fertiger und geübter gewordenen Geist schneller sind denn in den vorhergehenden zwei Gegenden? Ich sage euch aber: Hier machen wir nur noch kurze Schritte, obschon diese schnell; doch in der Gegend nicht weitere, als wie weit das Auge unseres Geistes reicht.
[1.42.8] Wenn wir uns aber von dieser Gegend dem Morgen nähern werden, da werden wir noch ums Unendlichfache größere und schnellere Bewegungen machen. Und seht, solches ist wieder ebenfalls ganz geistig natürlich. Solches ist ja ebenfalls schon bei den geweckteren Geistern auf einem Weltkörper gar deutlich zu erschauen, allda ein geübter Denker einen Gegenstand, den man ihm zur Beurteilung vorlegen wird, gar schnell erfassen und in all seinen Teilen gar tüchtig und gründlich zergliedern wird; aber nur muss er noch immer einen Gegenstand vor sich haben, denn ohne einen solchen Gegenstand hört die Tätigkeit seines Geistes auf.
[1.42.9] Also können auch wir die erschauten Räumlichkeiten allhier schnell durchwandern. Wenn aber der Geist in einen noch viel freieren und ungebundeneren Zustand gerät, da befasst er sich nicht mehr mit der Zergliederung des gegebenen Gegenständlichen, sondern da er zuvor aus dem Gegenständlichen allenthalben die Potenzen des Unendlichen gefunden hat, so wird auch sein Blick ein endlos tiefer und seine Schnelligkeit oder sein Fortschritt endlos fertiger. Begreift ihr solches alles wohl? Ihr bejaht es, und ich sage: Es ist gut, und wir können darum unsere Blicke von dieser schönen Höhe sogleich wieder vorwärts in die noch bei weitem schönere vor uns liegende Gegend wenden.
[1.42.10] Ihr wundert euch wohl, dass wir von diesem schönen, hohen Gebirge, das wir ehedem von unserem schon bekannten Wohnhäuschen in weiter Ferne erschauten, nun nach vorwärts ganz eben hinsehen und schauen von keinem Gebirge in ein Land hinab, sondern nur über die schönsten, weit gedehnten, allerfruchtbarsten Fluren von unserem Standpunkt ganz eben hinweg. Noch mehr verwundert ihr euch aber über den von euch schon früher erschauten Strom, wie dieser da in einer überaus schönen Breite frei und offen über das Gebirge herauffließt.
[1.42.11] Ihr sagt: Aber, lieber Freund, das geht ja offenbar unnatürlich zu! – Ihr habt recht, solange ihr solch eine Erscheinung mit weltlichem Auge betrachtet; aber mit geistigem Auge betrachtet verhält sich die Sache ganz anders und ist aber dabei dennoch gerade so natürlich, als wie natürlich es da auf einem Weltkörper ist, dass sich das natürliche Gewässer von der Höhe in die Tiefe hinabstürzt.
[1.42.12] Ihr fragt: Wie so denn? Solches mögen wir nicht recht wohl begreifen. – Das denke ich wohl auch; aber dennoch solltet ihr schon so weit sein, dass ihr auch diese Erscheinung von euch aus begreifen solltet. Sagt mir: Warum fließt denn auf den Weltkörpern das Wasser in die Tiefe? – Ihr sagt: Vermöge der ihm innewohnenden Schwere. – Wer bedingt denn die Schwere des Wassers? – Ihr sagt: Die anziehende Kraft des Haupt- und Mittelschwerpunktes der Erde oder eines anderen Weltkörpers. – Gut geantwortet! Wenn somit der allgemeine Mittelschwerpunkt der Erde die Schwere und somit auch das Hinabfließen des Wassers in die Tiefe bewirkt, was erkennt ihr demnach in dieser geistigen Gegend für einen solchen allgemeinen, alles an sich ziehenden Gravitationspunkt? Ist es nicht der Herr, der da wohnt in der Höhe aller Höhen!? Seht, aus diesem Grunde ist hier auch das Fließen des Wassers über die Höhen hinauf ja ebenso geistig natürlich, als wie natürlich auf den Erdkörpern das Hinabfließen des Wassers ist. Solches begreift ihr nun auch; so werdet ihr hoffentlich begreifen können, was dieses Gebirge besagt und das von selbem nun eben ausgehende Land.
[1.42.13] Ihr sagt zwar: Wir haben wohl so eine leise Ahnung; aber ganz bestimmt könnten wir uns darüber noch nicht aussprechen. – Ich aber sage euch, dass solches eben von euch aus sehr wunderbarlich klingt; warum habt denn ihr bei einem mehrere Stöcke hohen Haus Stufen angebracht, und wozu sollen diese dienen? – Ihr lächelt und sagt: Das ist ja ganz natürlich; wie könnte man sonst von einem unteren Stockwerk in ein höheres gelangen? Man müsste sich nur mühsam durch einen Strick aufwärtsziehen lassen. – Nun gut; wenn ihr schon eure Häuser auf der Welt so natürlich bequem einrichtet, meint ihr wohl, der große Baumeister müsste euch etwa in eurer guten Einsicht nachstehen?
[1.42.14] Habt ihr nie gehört, wie es einst dem alten Jakob geträumt hat von einer Leiter, auf welcher Engelsgeister auf- und abstiegen und zuoberst derselben Sich der Herr befand? Seht, da haben wir schon eine Sprosse oder eine Staffel von eben dieser Himmelsleiter. Da aber eine jede solche Stufe dieser Himmelsleiter um sehr Bedeutendes mehr sagen will als eine Stufe eurer Häusertreppen, so sehen wir auch auf dieser Stufe des Wunderbaren und Herrlichen eine endlose Anzahl, werden aber dasselbe erst bei der nächsten Gelegenheit näher beschauen; und somit gut für heute!
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